Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.
MieterEcho 390 / August 2017

Schutz vor Umwandlung unzureichend

Die Unternehmen ALW-Immobilien und BOW setzen trotz Milieuschutz auf die Aufteilung von Mietshäusern in Eigentumswohnungen

Von Jutta Blume

BOW hat in Kreuzberg und umliegenden Kiezen bereits zahlreiche Wohngebäude erworben. Das Ziel: Aufteilung und Weiterverkauf. Nach dem Ankauf der Immobilie folgen oft Modernisierungsmaßnahmen mit kräftigen Mietsteigerungen, Abmahnungen für Lappalien und Kündigungen bei Mietrückständen. Nach der Aufteilung werden die umgewandelten Eigentumswohnungen verkauft. Da der Prozess oft mit Entmietungen verbunden ist, etablierte sich bereits der Slogan „BOW – bald ohne Wohnung“ .                        

„Anfang der 1980er wurde der Verein gegründet, um ein leer stehendes Hinterhaus in ein Wohnhaus zu verwandeln“, berichtet Sebastian Krause*, der im Hinterhaus der Oppelner Straße 28 in einer Hausgemeinschaft wohnt. Der Verein Leben und Lachen e.V. erhielt damals Fördermittel des Senats, um das im Kreuzberger Wrangelkiez gelegene Haus in Eigenleistung zu sanieren. Der Verein schloss damals einen Mietvertrag über 22 Jahre ab. 2007 wurde der Komplex aus Vorderhaus und Hinterhaus erstmals verkauft und der Verein Leben und Lachen e.V. erhielt einen neuen Mietvertrag über zehn Jahre mit zweimaliger Verlängerungsoption. Der neue Eigentümer, die BOW 2 GmbH, verlangt nun eine mehr als sechsfach so hohe Miete, schildert die Bewohnerin Julia Maiwald* die aktuelle Entwicklung, und sprach brieflich schon einmal eine „vorsorgliche Kündigung“ aus, obwohl der Vertrag regulär verlängert wird. Maiwald zufolge will die BOW einen so hohen Mietpreis, der zudem über den Mietspiegel hinausgeht, weil die BOW die Verlängerungsoption als Neuvermietung betrachtet. „Sie beziehen sich bei der Miethöhe auf wohnwertverbessernde Merkmale, die wir selbst installiert haben“, ärgert sie sich. Tatsächlich darf bei der Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht die wohnwerterhöhende Ausstattung, die Mieter/innen auf eigene Kosten in ihrer Wohnung erstmalig eingebaut haben, berücksichtigt werden.

Im Moment befindet sich der Verein mit dem Eigentümer in Vertragsverhandlun-gen. Dass sich die BOW überhaupt verhandlungsbereit zeigt, mag auch ein Erfolg der Kundgebung vor dem Haus am 31. Mai und der darauffolgenden Vernetzung über das Kiezbündnis Bizim Kiez sein. Denn die Oppelner Straße 28 ist bei Weitem nicht das einzige Haus, das vom Firmennetzwerk der BOW GmbHs und ALW-Immobilien in den letzten Jahren in Kreuzberg erworben wurde. Fast alle dieser Gesellschaften werden unter anderem durch Andreas Bahe als Geschäftsführer vertreten.

Auf der Website von Bizim Kiez sind die Adressen der Häuser dokumentiert, zum Teil ergänzt mit Informationen über Modernisierung, Aufteilung in Einzeleigentum und Verdrängungsversuche. Das an den Verein vermietete Hinterhaus in der Oppelner Straße ist ein Sonderfall, denn die meisten Häuser sind normale Mietshäuser mit mehreren Parteien. Die Aufteilung in Einzeleigentum und der baldige Weiterverkauf scheint aber in allen Häusern das Ziel zu sein. Nach den bei Bizim Kiez gesammelten Informationen haben ALW Immobilien und BOW über 1.200 Wohnungen, der größte Teil davon in Kreuzberg und Neukölln. Ein Haus in der Graefestraße wurde bereits als Einzeleigentum weiterverkauft, in der Mariannenstraße 31/32 wurden zwei Drittel der Wohnungen in Eigentumswohnungen umgewandelt.

 

Balkonanbau ohne Zustimmung der Mieter/innen            

Die Häuser der ALW-Immobilien und der BOW GmbHs liegen fast alle in Milieuschutzgebieten, in denen es eigentlich besondere Hindernisse für die Umwandlung in Eigentumswohnungen geben sollte. Doch zum einen existiert die Umwandlungsverordnung, die die Aufteilung in Einzeleigentum nur nach besonderer Genehmigung erlaubt, erst seit dem 15. März 2015. Einen großen Teil ihrer Häuser haben die Firmen bereits vor diesem Stichtag erworben. Zum anderen gibt es einige Ausnahmen. Wenn sich Hauseigentümer beispielsweise verpflichten, die Wohnungen sieben Jahre lang nur den Mieter/innen zum Kauf anzubieten, muss das Bezirksamt die Aufteilung genehmigen. In der Praxis wird diese Verpflichtung meistens anders genutzt. Statt sich um einen Verkauf an die Mieter/innen zu bemühen, setzen Hauseigentümer stattdessen alles daran, die Mieter/innen loszuwerden, um danach leere Wohnungen verkaufen zu können.

Wie Mieter/innen der betroffenen Häuser berichten, werden Kleinigkeiten zum Anlass genommen, Abmahnungen zu verschicken; Mietrückstände werden zur fristlosen Kündigung genutzt und Baumaßnahmen schlecht bis gar nicht kommuniziert. Die Mieter/innen des Hauses Lübbener Straße 20, das ebenfalls der BOW 2 GmbH gehört und im Wrangelkiez liegt, erhielten am 30. Juni 2016 eine Ankündigung, dass an ihre Wohnungen Balkone angebaut werden sollten. Für die Zustimmung wurde ihnen eine Frist von nur einer Woche eingeräumt, wie sich Antje Möller* erinnert. Dem Mietrecht entsprechend hätte diese Frist drei Monate betragen müssen. Die Mieterin staunte einigermaßen, als zwei Wochen nach der Ankündigung ein Gerüst aufgestellt wurde und Handwerker die Balkone übers Wochenende einfach errichteten. Mieterhöhungen sind deswegen noch nicht erfolgt, so Möller. Vermutlich dienen die Balkone in erster Linie als Verkaufsargument, denn der Antrag auf Aufteilung für das Haus wurde vor dem Stichtag gestellt und Anfang 2016 genehmigt. Nun werden erste, frei gewordene Wohnungen zum Quadratmeterpreis von 4.800 Euro verkauft.

Für das Vorderhaus der Oppelner Straße 28 gibt es bereits seit den 1990er Jahren eine Teilungserklärung, leer stehende Wohnungen waren für rund 5.300 Euro/m² im Angebot. Bauliche Maßnahmen wurden auch hier nicht kommuniziert, zum Beispiel der Umbau des Hinterhofs, den die Mieter/innen zuvor selbst gestaltet hatten. Baumaßnahmen als Modernisierungen auf die Mieten umzulegen, scheint nicht die einzige Strategie der Eigentümer zu sein, meint Krause. „Der Kaufpreis, den die BOW für das Haus bezahlt hat, rentiert sich nur über einen teuren Einzelverkauf.“ Zwei Mietparteien habe die BOW versucht zu kündigen, in einem Fall, weil ein Dauerauftrag für die Miete von einem langjährigen Mieter versehentlich ausgelaufen sei, im anderen, weil das Sozialamt einen Überschuss bei den Heizkosten mit einem Rückstand bei den kalten Betriebskosten verrechnet hatte. Beide Kündigungen konnten glücklicherweise abgewendet werden. Auch Abmahnungen wegen Kleinigkeiten, zum  Beispiel wegen der Lagerung von Schuhen im Treppenhaus, deuten darauf hin, dass der Vermieter die Bestandsmieter/innen lieber loswerden möchte.

                

Umwandlungsverordnung enthält zahlreiche Lücken        

Keinen Schutz vor Umwandlung in Eigentumswohnungen gibt es für die Mieter/innen der Friesenstraße 14 in Kreuzberg in der Nähe der Bergmannstraße. Die Umwandlung der Mietwohnungen fällt in eine Lücke von zwei Wochen. Zwar hatte der Senat das Umwandlungsverbot für Milieuschutzgebiete bereits am 3. März 2015 beschlossen, das Gesetz trat jedoch erst am 15. März in Kraft. BOW-Geschäftsführer Andreas Bahe reichte den Antrag auf Umwandlung für die Friesenstraße 14 am 4. März 2015 ein. Somit gilt auch die Einschränkung nicht, die Wohnungen sieben Jahre lang nur den Mieter/innen zum Kauf anzubieten. Auch dort gab es erste Wohnungsbesichtigungen. Vom Bezirksamt hätten sie erfahren, dass ein Dachausbau und der Einbau von Aufzügen genehmigt seien, sagt die Mieterin Jeanette Bonnet*. „Der Besitzer informiert uns ja nicht. Es sollen Dinge gemacht werden, die wir gar nicht wollen, aber für die wir dann zahlen sollen.“ Obwohl sie sich für die Mieter/innen der Friesenstraße 14 langfristig nur geringe Chancen ausrechnet, findet Bonnet es wichtig, zusammen mit Bizim Kiez für die den Erhalt von Häusern als Mietshäuser zu kämpfen. Sie fordert auch mehr Recht auf Information für Mieter/innen. „Manche Leute wissen nicht einmal, wann ihr Haus verkauft wurde.“ Und auch über die zahlreichen Lücken im Milieuschutz wüssten die wenigsten Mieter/innen Bescheid. Der gesetzliche Schutz der Mieter/innen müsste verbessert werden, insbesondere für ältere Menschen oder langjährige Bewohner/innen.         


* Namen geändert.

 

Weitere Informationen:

www.bizim-kiez.de/entmietung-bow-alw-immobilien

 

 


MieterEcho 390 / August 2017

Schlüsselbegriffe: Umwandlung, ALW-Immobilien, BOW, Lübbener Straße 20, Eigentumswohnungen, Entmietung, Kreuzberger Wrangelkiez, Kiezbündnis Bizim Kiez, Oppelner Straße 28, Umwandlungsverordnung, Milieuschutzgebiete, Friesenstraße 14