Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 386 / Februar 2017

Neubaustandorte für 37.000 Wohnungen

Elf große Neubaugebiete sollen vornehmlich von den landeseigenen
Wohnungsbaugesellschaften entwickelt werden, eines wurde vorerst gestrichen

Von Jutta Blume

 

Berlin verzeichnet einen ungebrochenen Zuwachs an Einwohner/innen. Nach Angaben des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg ist die Zahl der Berliner/innen im Zeitraum 2011 bis 2015 um 194.000 gestiegen, im Jahr 2015 allein um 50.000. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erwartet in einem mittleren Szenario für den Zeitraum 2015 bis 2030 einen weiteren Zuwachs um 266.000 Personen. Zwar hat der Wohnungsneubau in den letzten Jahren wieder Fahrt aufgenommen, aber um den bereits bestehenden Mangel zu beseitigen und den zukünftigen Bedarf zu decken, reicht er bei Weitem nicht aus. So wurden im Jahr 2015 10.900 Wohnungen fertiggestellt, von Januar bis September 2016 wurden für 14.000 Wohnungen Baugenehmigungen erteilt. Aber viele der bislang gebauten Wohnungen dürften für die Mehrheit der Berliner/innen schlichtweg zu teuer sein.  

 

Die rot-rot-grüne Koalitionsvereinbarung enthält ein Kapitel mit der Überschrift „Bezahlbare Wohnungen für alle“. Darin bekunden die drei Regierungsparteien die Absicht, bis Ende der Legislaturperiode 55.000 zusätzliche Wohnungen in Landesbesitz zu bringen und jährlich mindestens 6.000 Wohnungen durch die sechs kommunalen Wohnungsunternehmen bauen zu lassen. Flächen für Wohnungsneubau sollen an landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, Genossenschaften, soziale Bauträger sowie Baugruppen vergeben werden. Zudem sollen auch bei privaten Bauträgern mindestens 30% der Wohnungen belegungs- und mietpreisgebunden sein und 25% besonderen Bedarfsgruppen und Transferleistungsbeziehenden zur Verfügung stehen. Im Jahr 2016 stellten die landeseigenen Wohnungsunternehmen 1.300 Wohnungen fertig, im Jahr 2017 sollen es 2.852 werden. Selbst wenn die Planungs- und Baukapazitäten derzeit erweitert werden, auch 6.000 neue Wohnungen pro Jahr würden bei anhaltendem Bevölkerungswachstum nicht ausreichen.  

 

Koalitionsvereinbarung wiederholt bereits getroffene Vereinbarungen                

Die Koalitionsvereinbarung benennt die bereits vom Vorgängersenat beschlossenen Standorte für größere Wohnungsbauvorhaben. Die Elisabeth-Aue im Norden Pankows, die bereits als ein Ort für Neubauten definiert wurde, entfällt in dieser Legislaturperiode. Rund 37.000 Wohnungen sollen an den elf verbleibenden Standorten entstehen. „So viel und so schnell wie möglich“, soll laut Senatssprecherin Petra Rohland gebaut werden, allerdings unter Einhaltung von Partizipations-, Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die hohe Bebauungsdichte, die für die Neubauviertel vorgesehen ist, hält Rohland für unproblematisch, sie sei weniger analog zu Großsiedlungen wie dem Märkischen Viertel zu sehen als zu den beliebten Gründerzeitvierteln der Innenstadt. „Es sollen Quartiere mit den für Berlin typischen vier bis sechs Geschossen entstehen, je nach Gebiet auch mit höheren und niedrigeren Gebäuden. Damit ist eine vergleichsweise lockere urbane Bebauung möglich, mit der Wohnraum für viele Menschen entstehen kann.“ Auch besondere ökologische Anforderungen stünden nicht im Widerspruch zu baulicher Dichte. So haben die Koalitionsparteien vereinbart, dass in den Quartieren Johannisthal, Köpenick und Lichterfelde Süd Biotope besonders geschützt und integriert werden sollen.                                    

Große Neubaustandorte gehen vornehmlich an Kommunale                        

Zum Teil liegen konkrete Planungen bereits vor. Dabei werden die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, außer in Lichterfelde Süd, tatsächlich die tragende Rolle spielen. In der Wasserstadt Oberhavel wurden bereits Flächen an landeseigene Wohnungsunternehmen übertragen, ebenso in Johannisthal/Adlershof. In den Buckower Feldern und im Blankenburger Süden stünden die Übertragungen laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kurz vor dem Abschluss. Auf den Buckower Feldern wird die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land die meisten der dort geplanten 900 Wohnungen bauen, im Blankenburger Süden sind mehrere Wohnungsbaugesellschaften an der Entwicklung beteiligt. Im Bereich der Wasserstadt Oberhavel erfolgte im September 2016 die Grundsteinlegung für die „Pepitahöfe“ die die Degewo und die WBM gemeinsam durch private Projektentwickler errichten lassen. Die 1.024 Wohnungen werden am Ende schlüsselfertig an die Wohnungsbaugesellschaften übergeben. Auf diesem Weg soll die Bauzeit verkürzt werden. Ein Viertel der Wohnungen soll für 6 Euro/qm nettokalt vermietet werden und gilt damit als „bezahlbar“. In Johannisthal/Adlershof baut die Howoge 300 Wohnungen, aber auch private und Genossenschaften entwickeln dort Wohnstandorte. Allein auf der Elisabeth-Aue sind Liegenschaften in den Besitz der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften gelangt, mit denen diese zunächst nichts anfangen können. Begründet wird der Verzicht auf das Neubaugebiet mit rund 5.000 Wohnungen für 12.500 Menschen mit der ungünstigen Lage „im Achsenzwischenraum“ zwischen zwei Bahntrassen und der damit verbundenen schlechten Verkehrsanbindung. Die Frage bleibt offen, ob diese Begründung letztlich nur vorgeschoben ist, und es eigentlich darum ging, Grünen-Wähler/innen aus Pankow zu befrieden. Der Verein Elisabeth-Aue, der sich für den Erhalt der Felder im Pankower Norden einsetzt, bedankt sich auf seiner Website „bei den Parteien ‚Bündnis 90/Die Grünen‘ und ‚Die Linke‘ für die Einhaltung der Wahlversprechen, für deren Unterstützung und den Einsatz für die Elisabeth-Aue“. Auch wenn dort in dieser Legislaturperiode nicht gebaut wird, hält sich der Senat doch alle Optionen offen. „Bereits beauftragte Untersuchungen, Fachgutachten und Planungen werden noch ordentlich abgeschlossen und archiviert, damit man gegebenenfalls später darauf zurückgreifen kann. Das gilt auch für die Bewertung von Trassenvarianten zur Verlängerung der Tram 50, die bisher im Südosten des Gebiets endet“, so Senatssprecherin Rohland.                                    

 

Auch privater Mietwohnungsbau geplant        

Die Bautätigkeit der Wohnungsbaugesellschaften soll in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Die Ziele für den Wohnungsbestand bis 2016 wurden bereits im April mit dem alten Senat in einer Vereinbarung mit den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen festgelegt. Bislang überwiegt in Berlin noch die private Bautätigkeit, dabei entstehen überwiegend Eigentumswohnungen. Das Internetportal Neubaukompass.de listet Anfang Januar dieses Jahres 178 Neubauprojekte mit über 10.000 Eigentumswohnungen bzw. Reihenhäusern oder Doppelhaushälften im Berliner Stadtgebiet auf, ein Teil davon bereits bezugsfertig. Aber auch die beiden größten privaten Vermieter, Deutsche Wohnen und Vonovia, entdecken den Neubau von Mietwohnungen als neues Geschäftsfeld. So plant die Deutsche Wohnen in der ehemaligen britischen Soldatensiedlung Westend 500 Wohnungen neu zu bauen, allerdings will sie die alte Siedlung aus den 1950er Jahren mit 212 Wohnungen dafür abreißen, was teilweise auf Kritik der dort lebenden Mieter/innen stößt. Die Deutsche Wohnen betont hingegen, dass die Bestandsmieter/innen Vorrang hätten und ihre Wünsche in die Planungen einfließen würden. Die Deutsche Wohnen wird auch darüber hinaus in Berlin neu bauen. „Beispielsweise befinden wir uns aktuell in den Planungen für einen Neubau in Spandau mit knapp 200 Wohnungen. Daneben möchten wir neuen Wohnraum durch Nachverdichtung, Aufstockung und Dachgeschossausbau schaffen“, erklärt der Unternehmenssprecher Marko Rosteck. Auch beim größten Konkurrenzunternehmen Vonovia denkt man bundesweit über Neubau nach, vor allem in angespannten Wohnungsmärkten wie etwa in Berlin. Der Fokus richte sich auf Nachverdichtungen auf eigenen Grundstücken, so der Pressesprecher Max Niklas Gille. Grundstückskäufe für Neubauten sind bei beiden Unternehmen bislang nicht geplant. Um die akute Wohnungsnot abzuwenden, wird das alles nicht reichen. Die Ideen des Senats müssten bereits jetzt über die aktuell gesetzten Ziele deutlich hinausgehen. Es müsste sich schnell eine Bautätigkeit entwickeln, die dem tatsächlichen Wachstum der Stadt angemessen ist. Dazu müssten schon jetzt neue Flächenpotenziale identifiziert werden, die Planungen über eine Legislaturperiode hinaus und eine größere Zahl als 37.000 neue Wohnungen ermöglichen.   

 

 

 

 


MieterEcho 386 / Februar 2017

Schlüsselbegriffe: Neubaustandorte, landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, rot-rot-grüne Koalitionsvereinbarung, Wohnungsneubau, Elisabeth-Aue, Wohnungsnot, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung

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