Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 390 / August 2017

Mietzuschuss im Sozialen Wohnungsbau

Vorschaltgesetz bringt Entlastung für Sozialmieter/innen, aber mit Wermutstropfen

Von  Rechtsanwalt Wilhelm Lodde

Der Soziale Wohnungsbau wird seiner Aufgabe, bezahlbaren Wohnraum für Geringverdienende zu schaffen, schon seit Langem nicht mehr gerecht. Kostenmieten, in die in der Vergangenheit überhöhte Baukosten und Kosten für Zinsen eingeflossen sind, führten zu Mieten weit oberhalb der ortsüblichen Miete des Mietspiegels. Mangels jedweder Kappungsgrenzen kam und kommt es für die betroffenen Mieter/innen immer wieder zu Mieterhöhungen von mehreren Euro pro Quadratmeter „von einem Tag auf den anderen“ . Die Möglichkeit rückwirkender Mieterhöhungen konnte zudem zu enormen Nachzahlungsforderungen der Vermieter führen.            

                

Für 2018 ist eine umfassende Reform des Sozialen Wohnungsbaus geplant. Als einen ersten Schritt hat das Abgeordnetenhaus von Berlin am 6. Juli 2017 das „Erste Gesetz zur Änderung des Wohnraumgesetzes“ (sogenanntes Vorschaltgesetz) verabschiedet, das sofort in Kraft getreten ist. Damit werden vier Regelungskomplexe der von Senatorin Katrin Lompscher (Die Linke) für 2018 in Aussicht gestellten Reform vorweggenommen. Das Gesetz gilt für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden.

 

Keine rückwirkenden Mieterhöhungen mehr        

Bislang waren im Sozialen Wohnungsbau Mieterhöhungen rückwirkend für einen Zeitraum bis zu 27 (!) Monaten möglich, wenn sich die laufenden Kosten für die Wohnung nachträglich erhöht hatten (§ 10 Absatz 2 Satz 3 Wohnungsbindungsgesetz). Diese Möglichkeit fällt mit Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes ersatzlos weg. Damit wird endlich eine Gleichstellung mit den Mieter/innen freifinanzierten Wohnraums erreicht, bei denen eine rückwirkende Mieterhöhung, gleichgültig aus welchem Rechtsgrund (zum Beispiel Mietspiegel oder Modernisierung), unzulässig ist. Diese Neuregelung ist daher ausdrücklich zu begrüßen.    

 

Höhere Mietkostenzuschüsse durch Bruttowarmmiete als Bezugsgröße

Mieter/innen mit geringem Einkommen konnten bereits bislang gemäß § 2 Wohnraumgesetz Berlin einen Mietkostenzuschuss beantragen, wenn die Nettokaltmiete 30% des anrechenbaren Haushaltseinkommens überstieg. Als Bezugsgröße gilt ab jetzt die deutlich höhere Bruttowarmmiete, das heißt die Nettokaltmiete zuzüglich der Vorschüsse für Heiz- und Betriebskosten. Die bisherige und praktisch schwer handhabbare Staffelung zwischen 25 und 30% des anrechenbaren Haushaltseinkommens je nach Energieeffizienzklasse des Gebäudes ist damit weggefallen. Allerdings gibt es Begrenzungen hinsichtlich der Angemessenheit der Wohnfläche (siehe Tabelle). Als angemessen gelten weiterhin für Ein-, Zwei-, Drei- und Vier-Personen-Haushalte 50, 65, 80 und 90 m², für jede weitere Person 12 m². Im Einzelfall kann eine Überschreitung der angemessenen Wohnflächen um bis zu höchstens 20% zugelassen werden. Der maximale Mietzuschuss wird von 2,50 Euro/m² (kalt) auf 5,00 Euro/m² (warm) angehoben und darf maximal 50% der Gesamtmiete betragen. Bezuschusst werden können Warmmieten von höchstens bis zu 14 Euro/m². Die Neuregelungen mögen dazu führen, dass im Einzelfall deutlich höhere Mietkostenzuschüsse erlangt werden können und der Kreis der Anspruchsberechtigten erweitert wird. Zu kritisieren ist aber, dass Haushalte mit Wohnberechtigungsschein, die nach dem 1. Januar 2016 eine Wohnung ohne Anschlussförderung bezogen haben oder beziehen werden, weiterhin keinen Mietkostenzuschuss erhalten sollen.                    

 

Geringerer Verkaufspreis kommt Mieter/innen nur in Zukunft zugute

Grundlage der zulässigen Miethöhe im Sozialen Wohnungsbau ist die sogenannte Kostenmiete, die anhand einer Wirtschaftlichkeitsberechnung ermittelt wird. In diese sind in der Vergangenheit oft die überhöhten ursprünglichen Baukosten des Gebäudes und die Kosten für Bankkredite eingeflossen. Und zwar auch dann, wenn der Erwerber die Immobilie zu einem viel geringeren Preis gekauft hat und deshalb diese Kosten selbst gar nicht zu tragen hatte. Künftig wird zumindest der tatsächlich gezahlte Kaufpreis zuzüglich höchstens 15% nachgewiesener Erwerbskosten für die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung anzusetzenden Gesamtkosten berücksichtigt, wenn der tatsächlich gezahlte Kaufpreis die in der ursprünglichen Wirtschaftlichkeitsberechnung enthaltenen Gesamtkosten unterschreitet. Sollte der Kaufpreis zuzüglich Erwerbskosten dagegen höher liegen, verbleibt es bei den bisherigen Gesamtkosten. Die Möglichkeit einer entsprechenden Reduzierung der zulässigen Kostenmiete bei niedrigerem Kaufpreis ist zwar zu begrüßen, ändert aber leider nichts an der grundsätzlichen Beibehaltung der Kostenmiete als Berechnungsgrundlage.

Ein weiterer zentraler Kritikpunkt: Dieses „Günstigkeitsprinzip“ gilt nur für zukünftige Verkäufe, sodass bei vorher erfolgten Veräußerungen der Erwerber nach wie vor mit der Kostenmiete Aufwendungen verlangen kann, die er gar nicht getätigt hat. In diesen Fällen bedeutet das, dass Vermieter ihre Mieten nach wie vor mit den historischen Kosten zum Zeitpunkt der Errichtung der Wohnungen begründen, selbst wenn sie durch Verkäufe oder dergleichen längst deutlich geringere Kosten tragen. So müssen Mieter/innen sowie das Land Berlin weiterhin für zusätzliche Gewinne im Sozialen Wohnungsbau bezahlen. Senatorin Lompscher begründet dies mit einem angeblichen „Rückwirkungsverbot“ des Vorschaltgesetzes. Eine Ansicht, der die „Expertenkommission zur Reform des Sozialen Wohnungsbaus“ ausdrücklich widerspricht und die vielfach auf Kritik stößt. Dies umso mehr, als mit der eigentlichen Reform 2018 das bisherige Berechnungsmodell der Kostenmiete für alle Sozialwohnungen abgeschafft werden soll. Das hätte mit dem Vorschaltgesetz bereits jetzt geschehen können und müssen!                           

 

Kein vorzeitiges Ende der Förderung bei Objekten ohne Anschlussförderung              

Zu begrüßen ist immerhin, dass § 5 des Wohnraumgesetzes Berlin gestrichen wird. Dies verhindert ein vorzeitiges Ende der Förderung bei Objekten ohne Anschlussförderung und erhält die ursprünglichen Bindungsfristen. Eigentümer von Sozialbauten können dadurch künftig nicht mehr vorzeitig aus der Bindung aussteigen, so dass die Wohnungen für Haushalte mit Wohnberechtigungsschein gesichert bleiben.                                                   

 

Berliner Mieter/innen in Sozialwohnungen erhalten auf Antrag einen Mietzuschuss, wenn im Wesentlichen folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

- Bewohnt wird eine Wohnung des Sozialen Wohnungsbaus (Erster Förderweg).

- Das anrechenbare Einkommen liegt innerhalb der Einkommensgrenzen für den Berliner Wohnberechtigungsschein  (WBS).

- Die Mietbelastung aus der Bruttowarmmiete ist höher als 30% des anrechenbaren Haushaltseinkommens.


Bei Problemen rund um den WBS oder mit sonstigen Behörden im Zusammenhang mit Ihrer Wohnung empfehlen wir, eine unserer Beratungsstellen für die Sozialberatung aufzusuchen. Orte und Termine finden Sie auf Seite 31. Zwei der wöchentlichen Termine stehen auch Nichtmitgliedern offen.                                

Rechtsanwalt Wilhelm Lodde berät in den Kreuzberger Beratungsstellen Möckernstraße und Adalbertstraße sowie Neukölln/ Hobrechtstraße.

 

 

Weitere Informationen, Muster für Antrag auf Mietzuschuss (auch Online-Antrag): www.mietzuschuss.berlin.de

 

 


MieterEcho 390 / August 2017

Schlüsselbegriffe: Mietkostenzuschüsse, Sozialer Wohnungsbau, Vorschaltgesetz, Sozialmieter/innen, bezahlbarer Wohnraum, Geringverdienende, Mietspiegel, rückwirkende Mieterhöhungen, Wohnungsbindungsgesetz, Bruttowarmmiete, Erwerbskosten, Anschlussförderung, WBS

Teaserspalte

Berliner MieterGemeinschaft e.V.
Möckernstraße 92
10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

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