Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 392 / Dezember 2017

Mieterladen in Friedrichshain

1989 entsteht die erste unabhängige Mieterberatung Ostdeutschlands

Von Gigi

Es war November 1989. Mit dem Mauerfall wurden die Räume des Wohnbezirksausschusses (WBA) in der Bänsch-straße 79 im Friedrichshainer Nordkiez aufgegeben und 14 Kiezaktivist/innen besetzten das Erdgeschoss. Hier beginnt die Geschichte der ersten unabhängigen Mieterberatung Ostdeutschlands. Sie existiert bis heute.


Eine der ersten Tätigkeiten der Kiezaktivist/innen war die Vorbereitung des dritten Bürgerforums. Bei den Bürgerforen handelte es sich um von unten organisierte Beratungsrunden, die sich mit Alltagsfragen der Bewohner/innen des Bezirks befassten. An ihnen nahmen auch Vertreter/innen des Rats des Stadtbezirks teil. Zwei Foren hatten bereits vor der Wende stattgefunden, an jenem dritten jedoch fehlten die Vertreter/innen des Rats. Die neue Initiative bemühte sich um Antworten bei den politisch Verantwortlichen und trat ihnen gegenüber unter dem Namen „Unabhängige Bürgerinitiative (UBI) Friedrichshain“ auf. Dieser Name öffnete fortan Türen bei der Verwaltung und die UBI etablierte sich schnell zu einem akzeptierten Ansprechpartner und Bindeglied zwischen Bürger/innen und Bezirksrat. Weitere Bürgerforen wurden initiiert und Probleme am runden Tisch bürgernah behandelt. Parallel dazu gründete sich in den Räumen in der Bänschstraße die „UBI Mieterladen“ und baute mit Unterstützung von zwei Anwälten aus dem Osten und dem Westen der Stadt die erste offene Mieterberatung Ostdeutschlands auf. Die Nachfrage war groß und das Einzugsgebiet reichte weit nach Brandenburg hinein.

Warum brauchte es eine Mieterberatung in Friedrichshain? Die Hausverwaltung Alscher verwaltete alle Häuser mit Auslands-eigentümern, die Kommunale Wohnungsverwaltung (KWV) alle anderen, also auch jene mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen. Jede Wohnung hatte eine Wohnungsnummer. Lauteten die ersten beiden Ziffern 62, stand das für einen unbekannten Eigentümer. Da fast alle Wohnungen in Friedrichshain diese 62 hatten, war zu ahnen, dass nichts Gutes auf die Mieter/innen zukommen würde. Zudem waren die Mieter/innen in der unmittelbaren Wendezeit mit einer rechtlich unklaren Situation konfrontiert. Welches Gesetz gilt? Was bringt die Zukunft? Und an wen kann man sich angesichts des staatlichen Vakuums überhaupt wenden? Schnell traten die ersten vermeintlichen Alteigentümer auf die Bühne und versuchten, bereits vor der Rückübertragung Miete zu kassieren und fragwürdige Verträge abzuschließen. Die Mieter/innen waren Rechtlosigkeit und Willkür ausgesetzt. Dem konnten sie nur durch organisierte Selbsthilfe begegnen.

 

Kooperationspartner gesucht und gefunden

Mit der „Wiedervereinigung“ 1990 durften aufgrund des bundesdeutschen Rechtsberatungsgesetzes die Anwält/innen des Mieterladens nicht mehr kostenfrei beraten. Um die Rechtsberatung auf eine legale Grundlage zu stellen, benötigte man einen Partner und fand ihn im Berliner Mieterverein (BMV). Schon bald zeigten sich aber erhebliche Schwierigkeiten und Differenzen. Die bezahlten Anwält/innen des BMV suchten nach Ansicht zahlreicher Ratsuchender und der Organisator/innen des Mieterladens zu vorschnell nach Kompromisslösungen für die erheblichen Probleme der Mieter/innen und reizten die begrenzten Rechtswege nicht vollständig aus. Den Grund fand man in der Tatsache, dass der BMV eine vereinsinterne Rechtsschutzversicherung hat, die er durch zu viele Prozesse nicht zu sehr beanspruchen wollte. Außerdem vertraten einige der Anwält/innen auch Vermieter. Nach nur 6 Monaten löste der Mieterladen die Kooperation auf, da man für halbgare Problemlösungen nicht seine Freizeit opfern wollte und konnte. Folgerichtig wechselte man 1992 zur alternativen Berliner MieterGemeinschaft, die eine sehr vorteilhafte externe Rechtsschutzversicherung bot und nach dem Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe agierte. Noch heute ist sie Kooperationspartnerin des Mieterladens.

Die Betreiber/innen des Mieterladens waren zu dieser Zeit immer noch Besetzer/innen in den ehemaligen Räumen des WBA, die zwar nass waren, aber dennoch von der KWV verwaltet wurden. Der Räumungsdruck wuchs. Aus der UBI wurde ein offizieller Verein, der UBI Mieterladen e.V., und man schloss einen Mietvertrag für die Räume ab. Unterstützung erhielt der Mieterladen dabei von der Berliner MieterGemeinschaft. Der Büroablauf, die Aktionen und die Stadtteilzeitung Bänsch-Echo blieben aber weiterhin ausschließlich über Spenden finanziert. Neben der Mieterberatung wurden andere Aktivitäten notwendig wie der Kampf gegen die erstarkenden Neonazis und Einsatz wegen der Räumungen der besetzten Häuser. Auch im 1990 gegründeten Besetzerrat (B-Rat) war der Mieterladen vertreten. Gemeinsam mit Anwohner/innen gründete sich nach dem Vorbild Prenzlauer Bergs das Aktionsbündnis „Wir bleiben alle!“. Etwa zeitgleich entstand 1992 die Selbstverwaltete Ostberliner Genoss*innenschaft (SOG e.G.), die sich aus einem Kreis von Besetzer/innen gegründet hatte und das Ziel verfolgte, über den Kauf eine Legalisierung der Häuser zu erwirken.

Als der Samariterkiez 1993 zum ersten förmlich festgelegten Sanierungsgebiet Ost-Berlins wurde, gründete sich aus dem Umfeld des Mieterladens heraus auch die erste Betroffenenvertretung im Ostteil der Stadt. Ziel war es, sich von Beginn an zusammen mit den Anwohner/innen einzubringen und das Feld nicht den staatlich Beauftragten und den Eigentümervertretern zu überlassen. All diese Aktivität hatte nie eine Alibifunktion, sondern folgte stets der Idee der aktiven Hilfe zur Selbsthilfe in verschiedenen Lebenssituationen.

 

Flächendeckender Betrugsversuch an Mieter/innen

Im Jahr 1997 zog der Mieterladen in das Erdgeschoss der Kreutzigerstraße 23 im Friedrichshainer Südkiez um. Es handelte sich dabei um das erste von der SOG e.G. gekaufte Haus. Seit der Sanierung im Jahr 2001 hatte man es nun warm im Winter, hell im Sommer, ganzjährig trocken und die Miete war um einiges niedriger. Der Beratungsraum vergrößerte sich, das Angebot wurde ausgeweitet, und das, obwohl die Zahl der Aktiven über die Jahre deutlich geringer geworden war. Die Umbenennung des Vereins im Jahr 2002 in UBI KLiZ e.V. (Kommunikatives Leben in Zusammenarbeit) reflektierte die inzwischen etablierte Vielfalt. Das Hauptaugenmerk lag aber nach wie vor auf der Mieter- und Sozialberatung.

Über die Jahre haben sich viele Dinge geändert. Auch die Probleme der Mieter/innen. In der unmittelbaren Nachwendezeit waren es die unklare Rechtslage und das dreiste Auftreten von Alteigentümern, die versuchten, zum eigenen Vorteil Fakten zu schaffen. Die anschließende Rückübertragung und der beginnende Wohnungshandel riefen teils kriminelle Akteure auf den Plan. Druck und Erpressung von Mieter/innen waren in vielen Fällen auf der Tagesordnung. Auch die Einführung des bundesdeutschen Mietrechts und die beginnenden Mieterhöhungen stellten große Problemfelder dar. In den 90er Jahren begann die flächendeckende Modernisierungswelle, die immer noch andauert und zu einem Motor der Verdrängung wurde. Seit Mitte des ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend ist zudem eine aggressive Strategie der Profitmaximierung durch Umwandlung in Eigentum und Zweckentfremdung zu beobachten. Auch die Zerschlagung von günstigen Altverträgen im Bestand ist zu einem großen Problem geworden. Die Kündigungen häuften sich, vor allem aufgrund von Geltendmachung eines vermeintlichen Eigenbedarfs. Aber es gibt auch Probleme, die sich nie änderten. Zu ihnen gehören die oft fehlerhaften Mieterhöhungsverlangen und Betriebskostenabrechnungen. Die Dreistigkeit, mit der Vermieter über all die Jahre probierten, unberechtigte Forderungen geltend zu machen, kommt einem flächendeckenden Betrugsversuch an der Mieterschaft gleich.

Der Mieterladen existiert noch heute. In dem Zeitraum von nunmehr 28 Jahren ist er zu einem festen Bestandteil im Bezirk und zu einem wichtigen Knotenpunkt verschiedener Netzwerke geworden. Er steht den Menschen im Kiez bei Problemlagen zur Seite und versteht sich als Vermittler und Multiplikator, der den Austausch zwischen Gruppen, Vereinen und Initiativen fördert. Von zeitlich begrenzten Einzelprojekten abgesehen, erhält der Mieterladen keine öffentliche Förderung. Die Arbeit dort wird auch heute noch vollständig ehrenamtlich geleistet und die Sachmittel sind durch Spenden finanziert.

 

 


MieterEcho 392 / Dezember 2017

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10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
Fax: 030 - 216 85 15

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