Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 389 / Juli 2017

Melkkuh für Aktionäre

Vonovia – ein profitabler börsennotierter Wohnungskonzern und
größter privater Vermieter Deutschlands

Von Sebastian Müller

 

Die Vonovia SE mit Sitz in Düsseldorf und Bochum ist mit Abstand der größte Eigentümer von Mietwohnungen in Deutschland. Sie hat in ihrem Portfolio, wie es in der Sprache der Immobilienwirtschaft heißt, weit über 350.000 Wohnungen. Waren es 2015 noch 357.117, so dürften ihr inzwischen nach der kürzlich erfolgten Übernahme des österreichischen Immobilienkonzerns Conwert ca. 25.000 Wohnungen mehr gehören.                                           

 

Angesichts der insgesamt 24 Millionen Mietwohnungen, die es in Deutschland gibt, scheinen 300.000 oder 400.000 Wohnungen nicht besonders viel zu sein. Aber die Wohnungen der börsennotierten Wohnungskonzerne sind räumlich stark konzentriert auf große Städte und das verschafft ihnen erheblichen Einfluss, der sich auf den regionalen Wohnungsmärkten und in der regionalen Wohnungspolitik bemerkbar macht. Auf dem Berliner Wohnungsmarkt ist die Deutsche Wohnen AG mit 107.000 Wohnungen der größte Anbieter von Mietwohnungen. Dann kommt als zweitgrößter Anbieter die Vonovia mit über 38.000 Wohnungen. Die Vonovia hat ansonsten schwerpunktmäßig den größten Anteil ihrer Wohnungen in Nordrhein-Westfalen.

Katalysatoren für marktgetriebene Immobilienwirtschaft                    

Politisch hatte sich in Deutschland um die Jahrtausendwende einiges getan, was einer marktgetriebenen Immobilienwirtschaft Auftrieb gab. Die deutsche Wohnungsgemeinnützigkeit war bereits 1990 durch eine Verfassungsänderung aufgekündigt worden, was eine epochale Chance schuf, den traditionellen deutschen Massenmietwohnungsbau, der vorher 50 oder sogar 70 Jahre lang in großen Stückzahlen gemeinnützig gefördert und entwickelt worden war, zu privatisieren. Nun konnte man ihn, von seinen sozial- und finanzpolitischen Regulationen befreit, auf den Immobilienmärkten handeln. Das hieß selbstverständlich, ihn zu höheren Preisen als den bisher üblichen zu verkaufen. Dazu war auch noch die Steuerfreiheit bei der Veräußerung von inländischen Kapitalgesellschaften gekommen, die eine nicht unwesentliche Hürde für die Privatisierung gemeinnütziger Wohnungen von Unternehmen und öffentlichen Körperschaften beiseite räumte. Auch hatte es sich bald in der Branche herumgesprochen, dass die deutschen Landesregierungen unter bestimmten Umständen Befreiung von der Grunderwerbsteuer gewährten. Dazu muss bei immobilienhaltenden Gesellschaften nur der Verkauf als Share Deal, bei dem weniger als 95% der Anteile an die Käufer übergehen, organisiert werden. Die Gemeinden und der Bund drückten den Ländern die mit Share Deals verbundenen Steuerausfälle aufs Auge, die Länder nahmen sie in Kauf, um große Wohnungsunternehmen im Land zu erhalten. Der Neoliberalismus war sowieso mittlerweile Staatsraison geworden.                                    

 

Privatisierungswelle 1990 bis 2016            

Die Bundesregierung und das Land Berlin waren unter den Vorreitern bei der Privatisierung von Wohnungsbeständen. Im Jahr 1998 wurde die Berliner Gehag teilprivatisiert. 1999 verkaufte die Hoechst Chemie ihre 9.099 Werkswohnungen an die Deutsche Wohnen AG. Im Jahr 2000 privatisierte der Bund die bis dahin gemeinnützige Gesellschaft für die Wohnungsbestände der Bahn mit bemerkenswerten 35.922 Wohnungen in einem Share Deal. Ein angelsächsischer Fonds für Geldanlagen bekam den Zuschlag, der unter dem Namen Deutsche Annington ein Portfolio für Anlagen in deutschen Wohnungsimmobilienfirmen aufzubauen begonnen hatte. Diese Deals fand damals kaum jemand so richtig spannend.
In schnellem Takt kam es in den folgenden 16 Jahren in großem Umfang zu Privatisierungen von ehemals öffentlichem und gemeinnützigem Wohnungsbesitz. Einige Kommunen und die Bundesländer Hessen, Bremen, Schleswig Holstein, Niedersachsen, Sachsen und Berlin privatisierten ganz oder teilweise ihr Wohnungseigentum auf dem internationalen Finanzmarkt an Private-Equity-Fonds wie Promontoria Holding, Akelius Residential (Seite 16), Grand City Properties und andere. Bei umfangreichen Verkäufen bildeten sich Bieterkonsortien. Ein Bieterkonsortium von Morgan Stanley und der Corpus Gruppe kaufte die Wohnungen der Thyssen AG, ein Bieterkonsortium von Whitehall Funds der amerikanischen Investmentbank Goldmann Sachs und Cerberus kaufte 2004 die Berliner GSW. Die Wohnungsgesellschaft des Landes NRW wurde 2008 durch eine CDU-Landesregierung ebenfalls an den Whitehall Funds veräußert. Im Zeitraum zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2005 vergrößerte sich der Sektor der vom internationalen Finanzmarkt gesteuerten Wohnungen in Deutschland von 26.000 auf 893.000 Wohneinheiten. Während der Anteil der angelsächsischen Private-Equity-Unternehmen bei den großen Wohnungsverkäufen (über 5.000 Wohnungen) in den Anfangsjahren der Privatisierungswelle von 1999 bis 2003 bei 18% lag, stieg ihr Anteil im Zeitraum von 2004 bis 2007 auf 69%.
Es ist also noch nicht einmal 20 Jahre her, dass es unter Börsianern in Mode kam, Geld in deutschen Wohnimmobiliengesellschaften anzulegen. Im Jahr 2005 war der Handel auf den deutschen Wohnungsmärkten bereits in vollem Gang (Mieter-
Echo Nr. 310/ Juni 2005: „Monopoly – Vom öffentlichen Wohnungsbestand zum Immobilienfonds“). Der deutsche Wohnungsmarkt galt nun als ein aussichtsreiches Anlagenfeld und schaffte es locker in den Fokus ausländischer Finanzinvestoren, die angesichts einer weltweiten Hauspreisinflation auf einen Nachholeffekt am deutschen Wohnimmobilienmarkt spekulierten.                                                    

 

Wohnungskonzern Vonovia entsteht aus dem Finanzmarkt                

Im Jahr 2006 hatte die Deutsche Annington 137.000 Wohnungen des Energieriesen E.on für 7,1 Milliarden Euro aufgekauft und wurde damit zur größten privatwirtschaftlichen Wohnungsgesellschaft in Deutschland. Wie Bund und Länder ging auch E.on den Private-Equity-Weg in das internationale Finanzkapital. Das Finanzmanagement von E.on suchte und fand die angelsächsischen Fonds der Terra Firma dafür, die das erforderliche Kreditvolumen für diesen Wohnungskauf zusammen brachten, verbrieften und zahlten. Das Geschäftsmodell, nach dem die E.on-Annington-Connection Kredit im Finanzmarkt aufnahm, um Wohnungen in Deutschland zu kaufen, blieb seitdem im Großen und Ganzen unverändert. Hausbanken gründeten dafür Gesellschaften, nicht selten in Steueroasen und meistens im internationalen Außerbanken-Sektor, die Kapitalanleger suchten und fanden, die gegen ordentliche Zinsen Kapital für den Kauf auszuleihen bereit waren und in sogenannten Private-Equity-Fonds zusammen agierten. Erst mit den Übergängen in deutsche Aktiengesellschaften änderten sich die Geschäftsmodelle etwas.
Die Deutsche Annington hatte ihre elfjährige Vorgeschichte als private-equity-kontrolliertes Unternehmen hinter sich, als 2013 ihr Börsengang gelang. Sie hatte elf Jahre Erfahrung im Umgang mit internationalen Finanzmärkten sowie mit dem außerbanklichen Handel von Krediten und den Kreditverbriefungen, die die finanzielle Basis ihrer Existenz als Private-Equity-Unternehmen geliefert hatten. In engem Zusammenhang mit dem Börsengang gelang der Deutsche Annington eine Kapitalerhöhung von 400 Millionen Euro und kurz danach die Ablösung aller ihrer früheren Verbriefungen durch ungesicherte Anleiheemissionen in den USA und Europa im Umfang von 1,24 Milliarden Euro. Das war viel Geld. Mit diesem Geld finanzierte sie 2014/2015 eigene große Einkäufe, sogenannte Übernahmen wie die der Gagfah- oder Conwert-Wohnungen und Beteiligungen in der Höhe von 3,01 Milliarden Euro. Diese Milliarden steckte die Deutsche Annington/Vonovia in die Finanzierung ihres Kapitalstocks und die Dividenden ihrer Aktionäre und nicht in Bestandsinvestitionen, die sicher für die Mieter/innen dringend gewesen wären. Ein halbes Jahr nach der im März 2015 erfolgten Übernahme der Gagfah benannte sich die Deutsche Annington zu Vonovia Immobilien SE um, um das mit der Firma Deutsche Annington verbundene Negativimage abzulegen.
Zur Geschichte der Vonovia gehört auch, dass sie das Unternehmen und ihre Wohnungsverwaltung nach Erfolgskriterien und Kennziffern der Finanzmarktbranche umorganisierte und den Wert des Unternehmens seit 2014 nach internationalen Rechnungslegungsvorschriften (International Financial Reporting Standards – IFRS) und mit Fair-Value-Konzept bilanziert. Stille Reserven werden nach IFRS weitgehend vermieden. Diese Bilanzierung führt bislang zu unglaublich hohen jährlichen Buchgewinnen, die als Dividenden an die Aktionäre auf die Aktien ausgeschüttet werden konnten, was eben auch Zweck der Fair-Value-Bewertung war. 2015 betrugen die Buchgewinne 1,3 Milliarden Euro, im Jahr 2016 waren es bereits 3,3 Milliarden Euro. So etwas will erst einmal erwirtschaftet sein.    

 

Mieterhöhungen, Vernachlässigung, Kündigungen – Preuswald ist überall                

Als 2007 die Deutsche Annington von der Newton International Estate die Wohnungen im Aachener Stadtteil Preuswald kaufte, stand es schon nicht so prächtig um die früher vorbildliche Mischung von Eigenheimen und 625 Mietwohnungen in Hochhäusern. Die Deutsche Annington tat aber auch nichts daran und das Ergebnis waren die geerbten und üblichen Vernachlässigungen in einer 1960er-Jahre-Siedlung. Wo früher Spielplätze waren, gab es Gestrüpp und Müll in Massen, Fassaden waren grün bemoost, Gärten vernachlässigt und die Energiekosten unerträglich hoch. Die Mieten stiegen trotzdem bei jedem Mieterwechsel. Den früheren Hausmeistern wurde auch in Preuswald gekündigt. Sie hatten mieter- und ortsnah für die Bewohner/innen gearbeitet und waren direkt per Telefon erreichbar gewesen, um kleine alltägliche Reparaturen durchzuführen wie den Austausch von nicht mehr funktionsfähigen Glühbirnen in Treppenhäusern oder das Reparieren von Tür- oder Fensterschlössern. Nun wurde stattdessen das zentrale Call-Center der Vonovia eingerichtet, bei dem die gesamte Kommunikation mit der Mieterschaft anlandete, das Aufträge von Mieter/innen entgegennahm oder auch nicht. So genau wusste man das nie. Vielleicht kam dann jemand, den Vonovia einen Objektbetreuer nannte, der Mängelanzeigen nach To-Do-Listen der Vonovia aufnahm und diese weitergab an mobile Service-Teams, die für mehrere Immobilien zuständig waren und ihre Arbeit nach dem Arbeitsanfall für das gesamte Serviceteam einteilten. Das führte regelmäßig zu Verzögerungen und Verspätungen und – nicht zu vergessen – zu Kostenexplosionen bei den Betriebskostenabrechnungen, die weder für die Mieterschaft noch für die Mietervereine nachvollziehbar waren. Dazu kamen noch regelmäßige Erhöhungen der Mieten auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete. Wer die Erhöhung nicht zahlen wollte oder konnte, musste mit einem Prozess rechnen. Vonovia-Geschäftsführer Klaus Freiberg verkündigte 2013 für Preuswald Besserung. Aber zunächst tat sich nichts. Das Ladenzentrum blieb verödet und in den Kellerabgängen verrottete Laub. Auf politischen Druck des Oberbürgermeisters tat sich dann ein wenig, später mithilfe des Landes NRW etwas mehr. Heute strahlen die Fassaden der Hochhäuser wieder glänzend weiß. Der Müll ist von den öffentlichen Flächen weg. Die 2008 gegründete Initiative Preuswald kümmert sich um vieles. Das alte Schwimmbad in einem der Hochhäuser, für die vielen Senior/innen und Kinder im Viertel eine große Wohltat, konnte nach einer Sanierung 2014 wieder eröffnet werden. Aber Ende 2016 musste es wieder schließen. Und selbstverständlich sind die Mieten gestiegen. Dagegen lässt sich wenig machen. Die Mietpreisbremse zieht nicht, nicht in Aachen, nirgendwo.
So wie Preuswald ergeht es mehr oder weniger allen Wohnungsbeständen der Vonovia. Ist das nicht wie ein Krieg für den Profit der Aktionäre und gegen die ärmeren Schichten der Bevölkerung, die die Wohnungen der Vonovia mieten? Wer ist es denn, der in den einfacheren Beständen und kleineren Grundrissen ehemaliger Werkswohnungen oder früher öffentlich geförderter Wohnungen wohnte und wohnt? Es sind vor allem die Mieter/innen mit eher unterdurchschnittlichen Einkommen. In Dortmund lebten in den Wohnungsbeständen von internationalen Investoren im Jahr 2006 zwischen 21% und 64% Transferleistungsbeziehende. Die Sorgen und Proteste dieser Mieter/innen haben die Wohnungsfrage zurück auf die politische Tagesordnung gebracht.                   

 

 

Deutsche Annington/ Vonovia


2001    

Deutsche Annington wird erstmals tätig und erwirbt 11 (von 18) Eisenbahnerwohnungsbaugesellschaften des Bundes mit rund 65.000 Wohnungen

2005     

Durch die Übernahme der Viterra AG von E.on mit 137.000 Wohnungen wird die Deutsche Annington zum größten Wohnungsunternehmen Deutschlands


2013     

Börsengang

2014     

Terra Firma Capital Partners zieht sich als Großanteilseigner zurück

2015     

Übernahme der im Jahr 2004 an Fortress privatisierten Gagfah mit 144.000 Wohnungen,  anschließend Umbenennung in Vonovia

 

 

 


MieterEcho 389 / Juli 2017

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