Berliner Mietspiegel 2017
Auch wenn die Abschaffung der Sondermerkmale ein Erfolg ist, zeigen die gestiegenen Werte das Versagen von Markt und Politik
Kommentar von Rechtsanwalt Marek Schauer
In den Mietspiegel sind überhöhte Mieten eingeflossen und die Verbesserungen für die Mieter/innen können die zum Teil dramatischen Werte nicht aufwiegen. Um der Entwicklung der Mieten entgegenzutreten, sollten Mieter/innen ihre Miete prüfen lassen und sich gegen überzogene Mietforderungen und unberechtigte Mieterhöhungen wehren.
Bei Beginn der Arbeit zum Mietspiegel 2017 stand die Arbeitsgruppe (AG) Mietspiegel im Jahr 2015 vor mehreren Problemen. Auf den damals auslaufenden Mietspiegel 2013 hatten Vermieter juristische Angriffe gestartet. Auch wenn diese am Ende durch die Richterschaft – spätestens durch die Landgerichtskammern – entschärft wurden, bestand große mediale Aufmerksamkeit für ein Urteil einer Richterin vom Amtsgericht Charlottenburg, welche dem Mietspiegel 2013 die wissenschaftliche Qualifiziertheit absprach. Und das genau zum Zeitpunkt der Präsentation des Mietspiegels 2015. Hinzu kam ein völlig überraschendes Verhalten zweier Vermieterverbände innerhalb der AG. Diese trugen – obgleich sie die Arbeitsschritte zuvor inhaltlich gestützt hatten – am Ende den Mietspiegel 2015 als qualifizierten Mietspiegel nicht mit. Der Grund lag außerhalb der AG Mietspiegel. Weil der „Kommunist“ (O-Ton eines Vermieterlobbyisten) Heiko Maas – Bundesjustizminister (SPD) – das Gesetz zur Mietpreisbremse in Kraft treten ließ und die Werte qualifizierter Mietspiegel zur Berechnung von Neuvermietungsmieten genutzt werden sollten, stellten diese Vermieterverbände die Qualifiziertheit des Mietspiegels ebenfalls in Frage. Diese sachfremde Herangehensweise wurde von den Vermieterverbänden nicht einmal sonderlich verheimlicht. Das Vertrauensverhältnis war daher innerhalb der AG beeinträchtigt. Nach intensiver und teils hitziger Debatte saßen wieder alle am Tisch und berieten, wie eine Verbesserung des Mietspiegels 2017 erreicht werden könne. Schließlich sollte ein qualifizierter Mietspiegel die Anerkennung nicht nur der Mieter/innen und des Landes Berlin, sondern nach Möglichkeit eben auch der Vermieter – also aller in der AG an der Erarbeitung Beteiligter – finden. So wurde zunächst in kritischer Distanz weitergearbeitet.
Gutachter bestätigt Kritik der Mieterverbände
Einig wurden sich alle, sich zunächst externe Überlegungen und Verbesserungsvorschläge anzuhören. Eingeladen wurde ein Gutachter, der auch vor Gericht bereits Mietspiegel bewertet hatte. Dieser hielt einen am Ende richtungsweisenden Vortrag. Er bestätigte die Kritik der Mieterverbände an den betragsmäßig ausgewiesenen Sondermerkmalen (modernes Bad, moderne Küche, Aufzug, hochwertiger Bodenbelag, Isolierglasfenster etc.). Diese würden im Mietspiegel praktisch doppelt gewichtet – zum Nachteil der Mieter/innen. Denn erstens waren die – durch Modernisierung umgelegten oder in Neuvermietung mitberechneten – Sondermerkmale bereits in den erhobenen Mietwerten enthalten und zweitens werden die gleichen Merkmale noch einmal als Extra-Betrag auf den nach der Tabelle ermittelten Mietwert draufgeschlagen. Diesen Effekt hatten wir als Vertreter/innen der Mieterseite immer als Schneeballsystem kritisiert. Jetzt bekamen wir es schwarz auf weiß.
Das erste beachtliches Resultat war daher verhandelt: Die betragsmäßig ausgewiesenen Sondermerkmale sind abgeschafft. Zwar gibt es diese Ausstattungsmerkmale noch im Rahmen der Orientierungshilfe zur Ermittlung der Miete innerhalb der Spanne des Tabellenfelds, aber eben nicht mehr als extra ausgewiesenen Betrag. Damit sind diese Merkmale nun relativierungsfähig. Ein Beispiel: Ein hochwertiger Bodenbelag verliert seine Bedeutung für den Mietwert, wenn kein Balkon vorhanden ist und auch im Übrigen keine wohnwerterhöhenden Merkmale in der Gruppe „Wohnung“ existieren. Oder: Ein modernes Bad wirkt in der Merkmalgruppe „Bad“ zwar wohnwerterhöhend, wird aber durch eine wohnwertmindernde Lärmbelästigung in der Merkmalgruppe „Wohnumfeld“ neutralisiert. Die früheren Sondermerkmale konnten nicht mit Merkmalen aus der Orientierungshilfe aufgewogen werden – sie waren gesetzt.
Die Vermieter haderten mit diesem Punkt bis zum Schluss. Sie wollten im Gegenzug die Spanne in den Tabellenfeldern erweitern. Die Spanne gibt an, welche der erhobenen Mietwerte am Ende in das Tabellenfeld einfließen. Es werden nämlich nicht alle Mietwerte abgebildet, sondern „oben und unten etwas abgeschnitten“. Bisher lag die abgebildete Spanne variabel zwischen zwei Dritteln und drei Vierteln der Mietwerte, je nach Verteilung. Auch diese Variabilität der Spanne war Gegenstand der Kritik des geladenen Sachverständigen.
Die Mieterseite kam den Vermietern insofern entgegen, indem eine einheitliche Spanne von drei Vierteln der Mietwerte vorgeschlagen wurde. Die Vermieter lehnten rigoros ab. Von einer 100%-Spanne über eine Neun-Zehntel- bis Vier-Fünftel-Spanne sowie einer Drei-Viertel-Spanne mit der Möglichkeit einer Überschreitung der Oberwerte durch Zuschläge für „besondere Ausstattung“ kam alles auf den Tisch, was das Interesse nach deftigen Mieterhöhungen so hergibt. Doch die Mieterseite blieb hart. Auch die letzten Versuche, einen Kompromiss zu erzielen, wurden unsererseits abgelehnt. Bereits die Tatsache, dass die erhobenen Mieten zu einem nicht unerheblichen Teil nach dem Gesetz zur Mietpreisbremse „illegal“ sein dürften und der Mietspiegel auch jene überhöhten Mieten berücksichtigt, war für uns Grund genug nicht nachzugeben. Unterstützung gab es am Ende tatsächlich von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. Diese hatte zwar noch versucht, die Kontrahenten zu einem Kompromiss zu bringen, jedoch ohne Erfolg. Am Ende konnten sich die Argumente der Mieterseite durchsetzen und so favorisierte auch die Senatsverwaltung eine Drei-Viertel-Spanne. Die Vermieterseite sprang im Quadrat. Die gleichen Vermieterverbände, die schon beim letzten Mietspiegel wegen der Mietpreisbremse ausstiegen, unterzeichneten wieder nicht. Es wurden weitere Angriffe angedroht. Nur ein Vermieterverband ging zähneknirschend mit.
Der Mietentreiberei entgegentreten
Tatsächlich muss angesichts der ermittelten Mietwerte kein Vermieter anfangen zu weinen. Viele Haushalte dürften demnächst eine Mieterhöhung bis zur Kappungsgrenze von 15% erhalten. Wie bereits erwähnt: Das fußt auch auf überhöhten Mieten, welche in den Mietspiegel einflossen. Denn es wurden veränderte Mieten aus den letzten vier Jahren erhoben, mithin auch Neuvermietungen vor Inkrafttreten der Mietpreisbremse. Wir empfehlen Mitgliedern daher dringend, ihre Miete in einer unserer Beratungsstellen überprüfen zu lassen. Absenkungen von überteuerten Mieten konnten bereits gerichtlich durchgesetzt werden. Dies hilft gegen Mietentreiberei, sowohl im eigenen Fall als auch bei allen von Mietererhöhung nach dem Mietspiegel betroffenen Mieter/innen, weil dann eben die zulässigen und nicht die überhöhten Mieten in den Mietspiegel einfließen.
Vermieter tun genug, um die Mieten hochzutreiben. Immerhin konnte die Mieterseite in der AG Mietspiegel das große Kassieren verhindern. Nicht nur durch die Härte in der Verhandlung um die Spanne, auch bei der Orientierungshilfe konnten kleine Verbesserungen für die Mieterseite erreicht werden. So sind beispielsweise der rückkanalfähige Breitbandkabelanschluss und die Einhebelmischbatterien keine wohnwerterhöhenden Merkmale mehr.
Daher lohnt es, trotz der neuen erheblichen Steigerungen der Mietspiegelwerte, Mieterhöhungen in unseren Beratungsstellen prüfen zu lassen. Durch die Abschaffung der Sondermerkmale und die Modifikationen in der Orientierungshilfe haben die Vermieter Hürden, die sie erst mal überwinden müssen, um ihre hohe Wunschmiete zu erhalten. Mieter/innen sollten das nutzen.
Rechtsanwalt Marek Schauer berät in den Beratungsstellen Prenzlauer Berg/ Oderberger Straße und Neukölln/ Sonnenallee.
Die Arbeitsgruppe Mietspiegel setzt sich zusammen aus Mitarbeiter/innen der Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen, Vertreter/innen der (jeweils drei großen) Vermieterverbände und Mieterorganisationen, darunter die Berliner MieterGemeinschaft.
MieterEcho 388 / Mai 2017
Schlüsselbegriffe: Berliner Mietspiegel 2017, Abschaffung Sondermerkmale, Mieterhöhungen, Mietpreisbremse, Mieterverbände, wohnwerterhöhende Merkmale, Kappungsgrenze, Orientierungshilfe, Spanneneinordnung