Wahlkampf mithilfe der Polizei
In Teilen Friedrichshains herrscht monatelanger
Ausnahmezustand – die Leidtragenden sind die Anwohner/innen
Von der Bezirksgruppe Friedrichshain
Friedrichshain gehört seit Jahren zu den Bezirken, die von den höchsten Mietsteigerungen betroffen sind, die am meisten zu leiden haben unter dem ausufernden Tourismus und die von den sinnlosen energetischen Sanierungen und den Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen mehr als nur ein Lied singen können. Es gäbe wahrlich genug zu tun in diesem Bezirk. Doch weder die Landes- noch die Bezirkspolitik machen ernsthafte Anstalten, die drängenden Probleme anzupacken und in den Griff zu bekommen.
Während den privaten Investoren freie Hand gelassen wird, lässt ein wirksamer Schutz der Mieter/innen vor den Aufwertungsfolgen auf sich warten. Ein nachhaltiges wohnungspolitisches Konzept ist nirgends in Sicht. Und selbst ein konsequentes Vorgehen gegen die Vermieter der zahllosen illegalen Ferienwohnungen scheitert am Personalmangel des Bezirks-amts. Während kriminellen Vermietern rechtsfreie Räume gewährt werden, hat sich der Berliner Innensenator Frank Henkel auf die letzten Reste der linken Subkultur als Feindbild eingeschossen. Die Bearbeitung eines eigens inszenierten Kleinkriegs zwischen Autonomen und der Polizei wird zur Chefsache erhoben. Mit Rückendeckung nicht nur seiner eigenen Partei eröffnet Henkel im Friedrichshainer Nordkiez den Wahlkampf – auf Kosten der Anwohner/innen, ihrer Gäste und der Steuerzahler/innen. Dazu wurde kurzerhand ein ganzes Viertel zum Kriminalitätsschwerpunkt erklärt. Seit Monaten schon herrscht der Ausnahmezustand in der Gegend rund um die Rigaer Straße. Insbesondere an Wochenenden fahren die Polizeiwannen minütlich durch die Straßen, sodass die BVG angesichts der Taktfolge vor Neid nur erblassen könnte. An manchen Straßenkreuzungen verkeilen sich die Polizeifahrzeuge förmlich ineinander, weshalb die Insassen wohl schon allein deshalb gezwungen sind, in ihren Einsatzfahrzeugen bis zum Einbruch der Morgendämmerung auszuharren.
Wahllose Polizeikontrollen
Die Leidtragenden dieses außergewöhnlichen Spektakels sind die Anwohner/innen Friedrichshains. In fadenscheinig begründeten und rechtsstaatlich fragwürdigen „Gefahrengebieten“ – wegen vermeintlichen Anstiegs der „linksextremistischen Gewalt“ – werden Bürgerrechte ausgehebelt und ganze Nachbarschaften durch die Polizei in Angst und Schrecken versetzt. Ob auf dem Weg zum Supermarkt, zur Arbeit oder zur Kneipe – Anwohner/innen und ihre Gäste werden wahllos von der Polizei kontrolliert, teils mehrfach am Tage. Häufig dürfen sie sich nicht ohne polizeiliche Begleitung frei in ihrem eigenen Viertel bewegen. Hausprojekte und Mietshäuser wurden wiederholt ohne richterlichen Beschluss durchsucht und teilweise sogar Wohnungen von der Polizei aufgebrochen. Dabei wurden Leergut, Feuerlöscher und sogar Kohlenbriketts entwendet, mit der Begründung, es handele sich um „gefährliche Gegenstände“, mit denen die Polizei angegriffen werden könne. Selbst alte Satellitenschüsseln wurden präventiv von den Dächern entfernt. Das alles hört sich an wie ein schlechter Witz. Wie wenig lustig der Alltag im Gefahrengebiet ist, mussten dagegen die Eltern und Mitarbeiter/innen eines Kinderladens feststellen, als sie nach einem Elternabend vor der Einrichtung von der Polizei festgesetzt und penibel durchsucht wurden. Tage zuvor sei sogar ein Kollege vor den Augen der Kinder kontrolliert worden. „Als Kinderladen in der Rigaer Straße sind wir gezwungenermaßen Zeug/innen einer Politik, die sich mit Lügen und Hetze im Wahlkampf profilieren möchte“, heißt es in einer Pressemitteilung der Einrichtung. Viele Anwohner/innen sind mit ihrer Geduld gegenüber diesem Wahlkampfterror gescheiterter Politiker inzwischen am Ende. In offenen Briefen und auf Stadteilversammlungen fordern sie ein Ende des Ausnahmezustands. Anfang März gingen rund 120 Mieter/innen auf die Straße. Das ist erfreulich, denn klar ist: Die Polizeiexzesse im Friedrichshainer Nordkiez lenken von den wirklichen Problemen unseres Bezirks und unserer Stadt ab!
MieterEcho 380 / April 2016
Schlüsselbegriffe: Genossenschaft „Wohnungsbau Verein Neukölln", Heidelberger Straße 15-18, moderne Neubauten, Abriss, Wohnungsmangel, FuldaWeichsel, preiswerter Wohnraum, Energieeffizienz-Standard