Nachverdichtung und Umnutzung
Studie zeigt innerstädtische Potenziale für Wohnungsbau
Von Katrin Schmidberger
Berlin wächst und wächst. Im vergangenen Jahr um 46.000 Einwohner/innen und bis 2030 könnte eine Stadt in der Größe von Münster (260.000 Einwohner/innen) hinzukommen. Berlin hat aber einen Luxus, über den nur wenige Metropolen verfügen: Auch wenn in den letzten Jahren schon unzählige Brachen bebaut und viele Filetgrundstücke verkauft wurden, gibt es noch reichlich Flächen für die dringend notwendigen Wohnungen.
Es muss gebaut werden, aber dazu gehört die Überlegung, wo neuer Wohnraum geschaffen wird und wo Freiräume erhalten bleiben. Zu fragen ist: Welche Grünflächen sind dauerhaft zu sichern, damit die Berliner/innen sich auch vor der Haustür erholen können und sich die Stadt im Hochsommer nicht zu sehr aufheizt? Der Senat macht es sich bisher zu einfach und konzentriert sich vor allem auf die großen Flächen. Der Stadtentwicklungsplan Wohnen (StEP) aus dem Jahr 2014 setzte auf Masse statt Klasse und lässt die kleinen Grundstücke und Ergänzungsmöglichkeiten außer Betracht. Nur Flächen mit einer Größe von einem Hektar wurden berücksichtigt. Das reicht nicht aus, denn gerade im Kleinen liegen enorme Chancen, um eine behutsame Verdichtung zu erreichen. Diese zu nutzen ist zwar aufwendig, aber Berlin könnte sich damit viel Freiraum und Lebensqualität erhalten.
Höhere Flächenausnutzung
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gab bei Open Berlin eine Studie in Auftrag, um Verdichtungspotenziale aufzuzeigen. Diese ergab, dass allein durch Ausbau von Dachgeschossen und durch Aufstockungen und Umnutzungen von vorhandenem Gewerbe und Infrastruktureinrichtungen 32.000 Wohnungen in der Innenstadt und 55.000 Wohnungen in den Außenbezirken geschaffen werden könnten. Eine beachtliche Zahl, wenn man bedenkt, dass der gesamte StEP Wohnen Bauflächen für 215.000 Wohnungen erfasst. Eine Studie aus Friedrichshain-Kreuzberg bestätigt diese Größenordnung. Allein durch den Ausbau von Dachgeschossen und die Ergänzung von Großwohnsiedlungen könnten dort 8.000 neue Wohnungen geschaffen werden. Hinzu kommen in Berlin zehntausende Flachdächer, beispielsweise in den Siedlungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Auf diesen könnten in kurzer Zeit kleine kostengünstige Wohnwürfel aus Holzmodulen für Studierende, Geflüchtete oder andere Berliner/innen mit kleinem Portemonnaie erstellt werden. Da die hohen Grundstückskosten entfallen, ist Aufstocken meist nicht teurer als ein Neubau – wenn auch baulich aufwendig. Auch die Überbauung bereits versiegelter Flächen wie der von Parkplätzen könnte viel stärker vorangetrieben werden.
Nach dem Vorbild von Hamburg sollten Investoren und landeseigene Unternehmen aufgefordert werden, Möglichkeiten für Umnutzungen und Aufstockungen zu melden. Fachleute könnten die Ergebnisse auswerten und innovative, kleinteiligere Ansätze entwickeln. Auf diese Weise ließen sich kurz- und mittelfristig geeignete Orte für die Umsetzung zusammentragen und entsprechende Baumaßnahmen realisieren. Nur wenn alle diese Baupotenziale aufgelistet werden, ergibt sich ein Spielraum, um Schwerpunkte zu setzen. Bevorzugt sollte dort gebaut werden, wo es eine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gibt, genügend Schulen und Kitas vorhanden sind und möglichst wenig neue Fläche zubetoniert werden muss. Und es muss so gebaut werden, dass alle einen Vorteil davon haben: damit jede Familie einen Schul- und Kitaplatz in der Nähe findet, fußläufige Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sind und das Picknick im Park am Wochenende möglich ist.
Katrin Schmidberger ist Sprecherin für Mieten und Soziale Stadt sowie für Clubkultur der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus.
Download der Studie:
www.gruene-fraktion-berlin.de/sites/default/files/Wohnungsbaupotentialanalyse_doppelseitig.web_.pdf
MieterEcho 381 / Juni 2016
Schlüsselbegriffe: Nachverdichtung, Umnutzung, innerstädtischer Wohnungsbau, Stadtentwicklungsplan Wohnen, StEP, Brachen, Aufstocken, Investoren, landeseigene Unternehmen, neue Wohnungen