Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 380 / April 2016

Mieter/innen fragen – wir antworten

Fragen und Antworten zum Thema Lärm

Von Rechtsanwältin Ronska Verena Grimm    

                            

Seit nebenan neue Mieter/innen eingezogen sind, ist es mit der Ruhe vorbei. Ständig höre ich nachts laute Musik. Kann ich irgendetwas dagegen tun?     


Grundsätzlich gilt, dass man sich gegen unzulässigen Lärm wehren darf. Ungestörtes Wohnen gehört zur vertragsgemäßen Nutzung der Wohnung. Die Frage ist demnach, ab wann Lärm unzulässig ist. Im zweiten Schritt ist dann zu prüfen, wie man gegen diesen im Einzelfall vorgehen kann. Für Musik gilt, dass diese, egal ob tagsüber oder nachts, grundsätzlich in Zimmerlautstärke gestattet ist. Das heißt, dass sie außerhalb der Wohnung nicht oder kaum zu hören sein darf. Dringt dennoch Musik aus der Nachbarwohnung, ist zu prüfen, ob dies an der Lautstärke der Musik oder am fehlenden Schallschutz der Wohnung liegt. Ist die Musik zu laut und verstoßen Ihre Nachbar/innen damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme, sollten Sie zunächst ein klärendes Gespräch mit ihnen suchen. Wenn Diplomatie nichts nützt und es wiederholt zu erheblichen Beeinträchtigungen kommt, sollten Sie Ihren Vermieter auffordern, für Abhilfe zu sorgen. Das gilt insbesondere, wenn es wiederholt nachts zu Ruhestörungen kommt – beispielsweise durch Partys. Gemäß § 3 Landesimmissionsschutzgesetz Berlin dürfen während der Ruhezeiten von 22 bis 6 Uhr keine Störungen verursacht werden. Verstöße gelten als Ordnungswidrigkeit und können mit Bußgeld geahndet werden. Auch eine Unterlassungsklage gegen die Mietpartei können Sie in Betracht ziehen. Dieser Schritt ist jedoch mit einem hohen Kostenrisiko verbunden. Klüger ist es daher, sich an den Vermieter zu wenden und von diesem ein Einschreiten zu fordern und gegebenenfalls die Miete zu mindern.     


Das Ehepaar nebenan streitet mehrmals pro Woche so laut, dass meine Kinder davon aufwachen. Wie ist da die Rechtslage?    


Gerichte beurteilen einen sich „hin und wieder ereignenden Ehekrach“ als „sozialadäquat“. Einen solchen müssen Sie daher hinnehmen. Kommt es aber insbesondere nachts regelmäßig wiederkehrend zu lauten Streitereien, kann eine erhebliche Belästigung vorliegen, gegen die Sie sich ebenso wie gegen zu laute Musik wehren können. Gerichte haben bereits Streitereien, die länger als eine halbe Stunde andauern, als ordnungswidrig anerkannt. Bei häuslicher Gewalt sollten Sie selbstverständlich sofort die Polizei verständigen.                                    


Die Mieter über mir hatten zunächst einen Teppich, haben nun aber Laminat verlegt. Seither höre ich jeden Schritt. Muss ich das dulden?             

 

Bei trampelnden Nachbarn kann eine Mietminderung durchaus gerechtfertigt sein. Eine Mietminderung setzt immer voraus, dass die Beeinträchtigung einen Mangel der Mietsache darstellt. Ein Mangel liegt vor, wenn Wohngeräusche die normale Zimmerlautstärke übersteigen und eine erhebliche Belästigung darstellen. Ob bei Trittgeräuschen von oben eine erhebliche Belästigung vorliegt, hängt zunächst von der Vereinbarung im Mietvertrag ab. Ist im Mietvertrag hierzu nichts geregelt, gelten derzeit die Mindestanforderungen der DIN 4109 vom November 1989 zum Schallschutz im Hochbau. Da Gebäude jedoch immer nur den zum Zeitpunkt ihrer Errichtung geltenden Anforderungen entsprechen müssen, weisen Altbauten in ihrer üblichen Beschaffenheit meistens einen schlechteren Schallschutz als Neubauten auf. Die übliche Beschaffenheit ist bei einer Neubauwohnung also anders zu beurteilen als bei einer Altbauwohnung. Daher kann unzureichender Schallschutz in einem Fall einen Mangel darstellen, im anderen Fall der gleiche Zustand aber der üblichen Beschaffenheit entsprechen. Der BGH entschied (AZ: VIII ZR 131/08), dass dies auch bei einem Wechsel des Bodenbelags gilt. Wird in der Nachbarwohnung der Teppich entfernt und erhöht sich dadurch der Lärmpegel, liegt kein Mangel vor, wenn der Trittschallschutz noch die bei Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Vorschriften einhält. Einen Anspruch auf Erhalt eines einmal gesetzten höheren Standards haben Mieter/innen nicht, soweit keine anderen Vereinbarungen hierzu getroffen wurden. Etwas anderes gilt nur, wenn das Gebäude selbst in so erheblichem Umfang modernisiert wird, dass es mit einem Neubau vergleichbar ist. Übersteigt der Trittschall jedoch die zulässigen Werte, kann man den Vermieter verpflichten, den Schallschutz zu verstärken. Lassen Sie sich in jedem Fall zunächst in einer unserer Beratungsstellen beraten.                                     

 

Gegenüber meiner Wohnung steht eine Kirche. Diese läutet nicht nur zur vollen Stunde, sondern auch am Wochenende morgens zum Gottesdienst. Selbst bei geschlossenen Fenstern werde ich davon wach. Kann ich durchsetzen, dass das aufhört?                    


Sakrales Läuten ist laut Rechtsprechung von Mieter/innen hinzunehmen, insbesondere dann, wenn es unterhalb der Schwelle der Technischen Aufzeichnung zum Schutz vor Lärm (TA Lärm) verbleibt. Der Grund hierfür ist vor allem das grundgesetzlich geschützte Recht der Freiheit der Religionsausübung sowie das Selbstbestimmungsrecht der Kirche. Das Recht der Mieter/innen, nicht mit der Religionsausübung anderer konfrontiert zu werden, tritt dahinter zurück. Ein Unterlassungsanspruch besteht in seltenen Fällen lediglich dann, wenn das Läuten die Grenze des Bundesimmissionsschutzgesetzes überschreitet. Der Stundenschlag hingegen ist nicht durch die Religionsfreiheit geschützt. Gegen diesen kann man vorgehen, wenn er die immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen nicht einhält, wobei jedoch kurzzeitige Überschreitungen der Richtwerte gestattet sind.                                    


Ich wohne schon seit über zehn Jahren in meiner Wohnung. Früher war alles ruhig. Vor Kurzem wurde nun ein Kinderspielplatz auf dem Nachbargrundstück errichtet. Kann ich wegen des Lärms die Miete mindern?        


Seit 2011 ist in § 22 Absatz 1a Bundesimmissionsschutzgesetz geregelt, dass Lärm von Spielplätzen nicht als schädliche Umwelteinwirkung gilt und daher auch die sonst üblichen Grenzwerte nicht gelten. Der BGH entschied, dass Kinderlärm selbst dann privilegiert ist, wenn in unmittelbarer Nachbarschaft ein neuer Bolzplatz gebaut wird und die Mietparteien keine Beschaffenheitsvereinbarung im Mietvertrag getroffen haben (AZ: VIII ZR 197/14). In diesem Fall müssen Mieter/innen Veränderungen der Geräuschimmissionen hinnehmen, wenn diese der Vermieter selbst entschädigungslos hinzunehmen hat. Hat der Vermieter selbst keine Entschädigungs- und Abwehransprüche, kann die Miete nicht gemindert werden. Etwas anderes gilt jedoch, wenn Jugendliche nachts auf dem Spielplatz Partys feiern. Dies stellt eine ordnungswidrige Nutzung dar, gegen die man grundsätzlich vorgehen kann.        


Bei uns soll im Zuge einer Modernisierung das Dachgeschoss ausgebaut werden. Was sollte ich wissen?        


Kommt es während der Bauarbeiten zu Beeinträchtigungen, die den Wohnwert erheblich beeinträchtigen, können Sie die Miete mindern. Wird der Wohnwert vollständig aufgehoben, ist eine Mietminderung um 100% möglich, wenn man sich nicht mit dem Vermieter auf die Bereitstellung einer Ersatzwohnung einigt. Wichtig zu wissen ist aber, dass bei energetischen Modernisierungen das Minderungsrecht für die ersten drei Monate der Bauarbeiten ausgeschlossen ist.             

Gut zu wissen ist auch, dass man einen Anspruch auf ordnungsgemäße Ausführung der Bauarbeiten hat. Andernfalls kann man die Bauaufsicht verständigen. Sollte nach dem Ausbau des Dachgeschosses die Trittschalldämmung unzureichend sein, kann die Miete gemindert werden. Gerichte haben in diesen Fällen bereits ein Minderungsrecht in Höhe von 20% anerkannt. Der BGH entschied, dass für den Trittschallschutz der neuen Wohnung die DIN-Vorschriften zum Zeitpunkt der Aufstockung gelten (AZ: VIII ZR 355/03).                             


Unsere Heizung ist sehr laut. Ständig ist ein Gluckern zu hören. Ist das ein Mangel?                 


Geräusche, die durch haustechnische Anlagen erzeugt werden, zählen wie auch Verkehrslärm zu typischen Umweltgeräu-schen. Dem Amtsgericht Hannover zufolge gehören Geräusche wie Strömungsgeräusche des Heizwassers in Heizkörpern, Schaltgeräusche der Heizungsanlage, Betriebsgeräusche von Gasbrennern oder Be-tätigungsgeräusche bei Wasserentnahmen aus dem Hausleitungsnetz zum normalen Alltag, solange sie wiederum unterhalb der Höchstwerte der DIN 4109 liegen (AZ: 412 C 8478/13). Ein subjektives Störungsempfinden bleibt außer Betracht.          

 

Auf dem Nachbargrundstück wurde letzte Woche mit einer Baustelle begonnen. Von morgens bis abends ist der Presslufthammer zu hören. Was kann ich tun?                    


Bei Baulärm, der von außerhalb des Gebäudes kommt, können Sie selbst dann die Miete mindern, wenn den Vermieter selbst kein Verschulden trifft. Der Vermieter schuldet eine mangelfreie Wohnung. Erheblicher Baulärm stellt einen Mangel dar, sodass der Zustand der Wohnung nicht mehr vertragsgemäß ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vermieter sich den Schaden durch geminderte Mieten vom Verursacher zurückholen kann. Die Voraussetzung ist natürlich, dass Sie die Beeinträchtigung belegen können. Hilfreich ist hier ein Lärmprotokoll. Da bei Baustellen in der Nachbarschaft in der Regel alle Parteien eines Hauses betroffen sind, empfiehlt es sich, mit unserer Unterstützung eine Hausversammlung durchzuführen. Schließen sich alle Mieter/innen zusammen und wechseln sich beispielsweise ab, das Lärmprotokoll zu schreiben, ist der Aufwand für alle erträglicher und gemeinsam sind  Ansprüche häufig leichter durchzusetzen. Beachten Sie aber, dass der Minderungsanspruch ausgeschlossen ist, wenn Sie bei Einzug Kenntnis von der (zukünftigen) Baustelle hatten.                 

Ist das Risiko von Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück bei Vertragsschluss für die Mieter/innen erkennbar, kommt eine Minderung wegen der späteren Beeinträchtigungen nicht in Betracht. Erkennbare Baulücken in der Nachbarschaft bei Einzug können daher einen Minderungsanspruch ausschließen (LG Berlin, AZ: 29 O 493/02).                                 


Seit die Straße verbreitert wurde, ist der Verkehrslärm im Vergleich zum Zustand bei Abschluss des Mietvertrags drastisch gestiegen. Kann ich die Miete mindern?                


Berliner Gerichte haben schon mehrfach entschieden, dass zunehmender Straßenverkehrslärm nicht zur Minderung berechtigt. So stellte das Amtsgericht Köpenick im Jahr 2013 fest, dass bei einer Wohnung, die im innerstädtischen Bereich gelegen ist, in der Regel mit Veränderungen der Verkehrswege und dem damit einhergehenden Lärm gerechnet werden muss. Einen Anspruch auf Mietminderung haben Mieter/innen daher nicht. Anderes kann nur in Ausnahmefällen gelten, nämlich dann, wenn eine ruhige Wohnlage bei Vertragsschluss zugesichert wurde, also eine Beschaffenheitsvereinbarung vorliegt.     

Relevant wird der Verkehrslärm jedoch bei Mieterhöhungen nach dem Mietspiegel, denn bei der ortsüblichen Vergleichsmiete kommt es auf die bei der konkreten Wohnung vorliegenden wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmale an. Starker Verkehrslärm stellt ein wohnwertminderndes Merkmal dar, welches die ortsübliche Vergleichsmiete reduziert. Für Berlin gibt es ein Straßenverzeichnis, welches nicht nur die Wohnlage beschreibt, sondern auch mit Sternchen die Straßen kennzeichnet, die von einer hohen Verkehrslärmbelastung betroffen sind. Lassen Sie sich hierzu beraten.                                     


Ein Bausachverständiger hat festgestellt, dass die Schalldämmung im Haus mangelhaft ist. Kann ich nun die Miete mindern?    


Zunächst müssen Sie den Mangel beim Vermieter anzeigen. Teilen Sie dem Vermieter gleichzeitig mit, dass Sie von Ihrem Minderungsrecht Gebrauch machen und die Miete ab sofort nur noch unter Vorbehalt zahlen. Das Minderungsrecht ist ein gesetzliches Recht, zu dessen Ausübung Sie den Vermieter nicht um Erlaubnis bitten müssen. Möglich ist, den Minderungsbetrag direkt von der Miete abzuziehen und nur die geminderte Miete zu zahlen. Hier ist aber vor allem dann Vorsicht geboten, wenn Ihr Vermieter die Minderung für unberechtigt hält. Denn erreichen Sie mit dem Minderungsbetrag die Summe von zwei Monatsmieten, droht die fristlose Kündigung. Deshalb empfehle ich Ihnen, die überzahlte Miete nach Beseitigung des Mangels von Vermieter zurückzufordern. Zahlt der Vermieter nicht freiwillig und kommt es zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, müssen Sie beweisen, dass die Nutzung der Wohnung tatsächlich beeinträchtigt war. Zur Anforderung an die Beweislast stellte der BGH klar, dass es bei wiederkehrendem Lärm als Beweis ausreicht, die Art und Weise der Beeinträchtigung (wie Partylärm, Musik, Putzkolonne) zu beschreiben (AZ: VIII ZR 155/11). Es reicht die ungefähre zeitliche Dauer, die Tageszeit sowie die Frequenz, also wie häufig und in welcher Intensität der Lärm in etwa auftritt. Ein ausführliches Protokoll jeder einzelnen Beeinträchtigung ist nicht erforderlich. Dem Urteil lag ein Streit über Lärm aus einer Ferienwohnung zugrunde. Bei Beeinträchtigungen, deren Intensität starken Schwankungen unterliegt, wie beispielsweise Baulärm, sollten Sie ein möglichst genaues Lärmprotokoll führen. Die Höhe der Minderung kann nicht pauschal festgelegt werden, sondern bemisst sich nach dem Einzelfall. Keinesfalls sollten Sie sich nach den verschiedenen Mietminderungs-tabellen richten. Diese enthalten immer Festlegungen zu einem bestimmten Einzelfall, jedoch beurteilen verschiedene Gerichte gleichartige Mängel hinsichtlich des Minderungsanspruchs unterschiedlich. Bevor Sie die Miete mindern, sollten Sie sich daher unbedingt beraten lassen.

Rechtsanwältin Ronska Verena Grimm berät in den Beratungsstellen Kreuzberg/ Adalbertstraße und Prenzlauer Berg/ Esmarchstraße.

 

 


MieterEcho 380 / April 2016

Schlüsselbegriffe: TA Lärm, Musik, Zimmerlautstärke, Landesimmissionsschutzgesetz, Wohngeräusche, Trittschallschutz, Bauarbeiten, Umweltgeräusche, Verkehrslärm, Beschaffenheitsvereinbarung, Mietminderung

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