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MieterEcho 381 / Juni 2016

Investoren geben sich nachbarschaftlich

PR und Partizipation von oben

Von Elisabeth Voß                                    

 

Die Groth-Gruppe baut in Berlin und versucht, sich von einer PR-Agentur ein freundliches Gesicht verpassen zu lassen. Texte und Strategien für diese Agentur entwickelt ausgerechnet der linke Künstler und Autor Markus Liske.                                    


Das Edelquartier der Groth-Gruppe „Flottwell Living“ im Gleisdreieckpark ist fertig, weitere überwiegend hochpreisige Bauprojekte sind in Vorbereitung, unter anderem der Kunstcampus am Kanal in Moabit, die Bebauung im Mauerpark, die Forckenbeckstraße in Wilmersdorf – dafür muss die Hälfte der Kleingärtner/innen der Kolonie Oeynhausen weichen – und das Quartier „Mittenmang“ an der Lehrter Straße, nicht weit vom Hauptbahnhof. Dort begann die Vorbereitung des Baugrundstücks und seit Mai werden die Wohnungen verkauft. Klaus Groth ist nicht irgendwer, sondern seit Jahrzehnten in den Berliner Baufilz verwickelt. Er pflegt engste Kontakte in die Politik und verursachte Millionenschäden für die öffentliche Hand, wie der SFB im Jahr 2001 im Film „Der Baulöwe, die Stadt und der Filz: Klaus Groth – eine Berliner Karriere“ dokumentierte.                

Im April erschien die dritte Ausgabe des Magazins Mittenmang, bunt aufgemacht mit netten Geschichten aus dem Kiez. Herausgeber Groth gibt den freundlichen Investor, dem das Wohl der Nachbarschaft am Herzen liegt. So wird zum Beispiel ein Workshop mit Künstler/innen angekündigt, denn „es ist uns ein Anliegen, die Menschen im Kiez mit einzubeziehen“. Für das Mauerpark-Projekt betreibt Groth das Portal „Zuhause im Brunnenviertel“, das dem Dialog mit der Nachbarschaft dient. Kritische Nachfragen werden rhetorisch geschickt beantwortet, der Investor zeigt sich gesprächsbereit und verantwortungsvoll.                                       

Die Mitmachfalle            

Diese Dialogstrategie beschrieb Thomas Wagner in seinem Buch „Die Mitmachfalle – Bürgerbeteiligung als Herrschaftsinstrument“ bereits 2013 (MieterEcho Nr. 362/ September 2013): „Neue Beteiligungsformen gelten nicht mehr als eine Gefahr für den sogenannten Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern als die einzige Möglichkeit, Großprojekte künftig überhaupt noch mit kalkulierbarem Kostenaufwand durchzusetzen.“ Für das Mauerpark-Projekt hat die Groth-Gruppe die PR-Agentur „Stöbe.Kommunikation“ beauftragt. In einer Präsentation für das Business Location Center des Berliner Senats beschreibt die Firma Stöbe im Jahr 2014 diesen Auftrag als erfolgreiches Beispiel für Krisen-PR: „Beispielhaft ist hier das Mauerpark-Projekt der Groth-Gruppe zu nennen. Ziel unserer Arbeit war es, hier mit multimedialen PR-Maßnahmen (Flyern, Dialogseite, Social Media) den Rückhalt der Bebauungsgegner sowohl in der Presse als auch bei den Anwohnern zu schwächen, und so in der Öffentlichkeit die Grundlage dafür zu schaffen, dass trotz erfolgreichen Bürgerbegehrens gebaut werden kann, ohne dass es zu weiteren Störmanövern kommt.“            

Der Leiter der Abteilung Text und Strategie der Firma Stöbe, Markus Liske, erläutert in der Ausgabe 8/2015 der Zeitschrift Immobilienmanager, dass „Partizipation den Menschen die Möglichkeit (bietet), ihre Wünsche und Ideen auf eine für Bauherren und Politik nicht verpflichtende Weise in die Planung einzubringen“. Er empfiehlt, frühzeitig „ein ernsthaft betriebenes Forum zum Bauvorhaben einzurichten“ und damit „Aufmerksamkeit von den Webpräsenzen der grundsätzlichen Bebauungsgegner ab(zu)lenken“. Investoren könnten auch den Anwohner/innen mit kleinen Projekten entgegen kommen: „Entsprechende Wünsche der Bürger aufzugreifen wird die Rendite kaum schmälern, aber mit Sicherheit dazu beitragen, das Projekt fristgerecht und ohne langwierige Blockaden umsetzen zu können.“ Solche entdemokratisierenden Investorenstrategien sind das eine, deren politische Duldung oder gar Unterstützung das andere. So richtete der Spitzenkandidat der Partei Die Linke für die Abgeordnetenhauswahl, Klaus Lederer, am 8. April 2016 eine Anfrage an den Senat. Er wollte unter anderem wissen, ob dem Senat bekannt ist, dass Groth einen solchen Auftrag an Stöbe erteilt hat. Er fragte auch, ob landeseigene Wohnungsunternehmen ebenfalls solche Aufträge vergeben haben und ob der Senat selbst auch mit dieser Agentur Stöbe zusammenarbeitet. In der Liste der Auftraggeber auf ihrer Website nennt Stöbe die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz als Kunde bis 2011 und seitdem die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land, deren Magazin die PR-Agentur erstellt. Die Firmeninhaberin Dorothee Wetzler-Stöbe ist Mitglied im Beirat des Business Location Centers und moderierte im März 2016 auf der internationalen Immobilienmesse Mipim in Cannes die Veranstaltung „Boomtown Berlin“, auf der Investoren mit Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel und Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (beide SPD) diskutierten.        

 

Wes Brot ich ess …             

Die Aufgaben von Liske beschreibt Stöbe in der Präsentation von 2014 folgendermaßen: „Bei Stöbe.Kommunikation zeichnet er für die Redaktion der Kundenmagazine, strategische Erarbeitung von Konzepten im Rahmen der Partizipations- und Krisen-PR sowie journalistische Presseartikel verantwortlich.“ Gleichzeitig ist Markus Liske ein relativ bekannter Künstler und Autor. Unter anderem tourt er mit der Gruppe „Singender Tresen“ durch die Lande, liest Texte des Anarchisten Erich Mühsam und schreibt für verschiedene linke Zeitungen. Gemeinsam mit seiner Partnerin, der Künstlerin Manja Präkels, gab er 2015 im Verbrecher Verlag das Buch „Vorsicht Volk! Oder: Bewegungen im Wahn“ heraus. Darin rechnen namhafte Autor/innen mit Pegida, Montagsmahnwachen und Reichsbürgern ab. Diese wichtige Kritik bekommt einen merkwürdigen Nachgeschmack, wenn Liske in seinem Beitrag im Immobilienmanager schreibt: „Immer neue Netzwerke schüren im Internet die Furcht vor ‚raffgierigen Investoren‘ und ‚korrupten Politikern‘, und Bürgerinitiativen verzögern Bauprojekte.“ In linken Zusammenhängen kritisiert er Volksgemeinschaftsideologien, im Immobilienmanager ignoriert er selbst mögliche Interessengegensätze und behauptet: „Dennoch bedeutet gelungene Partizipation letztlich einen Gewinn für alle.“ Markus Liske ist auch Mitglied der Partei Die Linke – genauer gesagt bei der Emanzipatorischen Linken Berlin. Diese präsentiert sich auf ihrer Website als „Plattform libertärer Opportunisten“ – mit prominenter Werbung für die Bücher von Liske.                    

In einem Interview auf Telepolis zum Buch „Vorsicht Volk!“ beschreibt Liske am 15. Oktober 2015 sich selbst „und viele der Autoren des Bandes“ als „prekäre Schreiberexistenzen“. Auf Nachfrage beteuert er, nie bei der Agentur Stöbe angestellt gewesen zu sein – als sei der sozialversicherungsrechtliche Status entscheidend. Nachdem diese Personalie auf verschiedenen Mailinglisten und Blogs publik wurde, verschwand sein Foto von der Website der Firma Stöbe. Das Business Location Center hat Stöbes Firmenpräsentation aus dem Netz genommen. Auf der Facebook-Seite von Stöbe strahlt Markus Liske am 9. Februar 2015 im Kreis seiner Kolleg/innen beim „Kick-off Jour fixe 2015“. Der Eintrag verspricht: „Mit viel positiver Energie, neuen Ideen und voller Tatendrang kann es weiter gehen!“ Zum Beispiel mit Groths Mittenmang-Magazin, dessen Impressum die Firma Stöbe als Redaktion ausweist, mit M. Liske als Textverantwortlichem.    

 

Mitspielen oder mitentscheiden?    

Statt sich von Investoren-PR und deren Partizipationsstrategien einwickeln zu lassen, sprach sich ein Bündnis von etwa 100 Organisationen und politischen Initiativen Anfang 2016 gegen eine Verschärfung des Gesetzes über Volksentscheide in Berlin aus. Mit dem Aufruf „Hände weg vom Volksentscheid“ konnte immerhin die geplante schikanöse Unterschriftenprüfung, die dazu geführt hätte, dass viele Unterschriften nicht anerkannt worden wären, entschärft werden. Jedoch genehmigte das Abgeordnetenhaus am 3. März 2016 – in namentlicher Abstimmung, gegen die Stimmen der Opposition – sowohl sich selbst als auch dem Senat „angemessene öffentliche Mittel“, um die eigene Haltung in einem Volksgesetzgebungsverfahren öffentlich deutlich zu machen. Das klingt nach potenziellen Aufträgen für Stöbe und ähnliche PR-Agenturen.              

 

 

Weitere Informationen:

www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/markus-liske.html

 

 


MieterEcho 381 / Juni 2016

Schlüsselbegriffe: Investoren, PR, Groth-Gruppe, „Flottwell Living, Magazins Mittenmang, Thomas Wagner, Die Mitmachfalle, Bürgerbeteiligung, Markus Liske, Investorenstrategien, Volksentscheide, PR-Agenturen