Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 381 / Juni 2016

Gute Wohnungen für alle – eine Alternative für Berlin

Der Wohnungsmangel, der Wahlkampf und die Krise der Flüchtlingsunterbringung

Kommentar von Sebastian Gerhardt, Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau (INKW)  

 

Im Wahlkampf zum Abgeordnetenhaus wird es drei Positionen zur Unterbringung der Geflüchteten in Berlin geben. Die einen – nicht nur aus den Reihen der Alternative für Deutschland – vertreten, dass es gar kein Problem gibt. Da die meisten gar nicht bleiben sollen, muss man sich über ihre Bleibe auch keine besonderen Gedanken machen.             


Die offizielle Politik von Bundes- und Landesregierung dagegen setzt auf eine kontrollierte Einwanderung. Hier wirken die Interessen der deutschen Wirtschaft an einer Zuwanderung künftiger Arbeitskräfte. Bisher gibt es keine offene Das-Boot-ist-voll-Propaganda wie in den 90er Jahren. Aber nicht alle sollen integriert werden. Dem entspricht die Praxis der Behörden, die die Geflüchteten nach ihrer verordneten „Bleibeperspektive“ sortieren. Menschen aus Afghanistan oder dem Iran wird eine bessere Unterkunft verwehrt, weil sie nicht bleiben sollen. Für die anderen will der Senat die Notunterkünfte schrittweise auflösen – aber sie durch Wohnheime, nicht durch Wohnungen ersetzen. Damit droht die Gefahr, dass mit den zukünftigen Flüchtlingsunterkünften eine neue, kostengünstige Norm geschaffen wird, die für Arme dauerhaft „Wohnen“ durch „Unterkunft“ ersetzt.            

Schließlich gibt es jene, die sich aus verschiedenen Gründen solidarisieren. „Die Geflüchteten machen die sozialen Ungerechtigkeiten, die in den vergangenen Jahren politisch erzeugt wurden, wie unter einem Brennglas deutlich“, so die Professorin Mechthild Schrooten von der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik Ende April in Berlin. Die Probleme der Berliner Mieter/innen sind nicht erst im letzten Herbst mit Bussen und Zügen nach Berlin eingereist. Die Leser/innen des MieterEchos kennen neoliberalen Wohnungsmangel als Machtverschiebung zugunsten der Vermieter. Aber wie sieht eine praktikable Antwort aus?                

Da mehr Menschen mehr Wohnungen brauchen, muss neu gebaut werden. Der Markt wird nur so bauen, dass es sich lohnt: Gute Wohnungen für Bessergestellte, Heimplätze für die Armen. Letzteres natürlich nur, wenn der Staat die Bezahlung garantiert. Eine Förderung privater Bauherren zu Milderung sozialer Härten wird das Problem nicht lösen. Eine nachhaltige Lösung heißt: Öffentlich bauen statt Private fördern.                            

Als Ausgangspunkt gibt es die sechs – mit der Berlinovo sieben – öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin. Gutes Wohnen für viele ist, wenn überhaupt, immer nur mit politischen Mitteln möglich geworden. Ein Erbe solcher Politik sind die Berliner Wohnungsbaugesellschaften. Heute haben sie 300.000 Wohnungen – das sind weniger als 20% aller Mietwohnungen und weniger als 16% aller Wohnungen in Berlin. Der Senat plant für die nächsten Jahre eine Erweiterung „vor allem durch Neubau“ auf über 400.000. Das wird nicht reichen, um den Markt in soziale Schranken zu weisen. Der Vergleich mit anderen europäischen Großstädten zeigt, dass dazu ein öffentlicher Wohnungsbestand von mindestens einem Drittel nötig ist. Das wären mehr als 600.000 Wohnungen – verglichen mit heute eine Verdopplung des öffentlichen Wohnungsbestands. Selbstverständlich wird das Geld, viel Geld kosten. Deshalb hält sich die parlamentarische Opposition in Berlin auch höflich zurück. Doch Wohnungen bauen kostet immer viel Geld. Die Frage ist nicht, ob, sondern wofür die Finanzen des Landes eingesetzt werden. Für die Förderung privater Bauherren und einen großen Flughafen – oder für den Ausbau einer sozialen Infrastruktur für alle. Und mehr ist nötig. Die Geschäftspolitik der Wohnungsbaugesellschaften wurde in den letzten Jahren auf betriebswirtschaftlichen Erfolg getrimmt. Da wird es etwas brauchen, auf einen integralen Wohnungsbau umzustellen, der „als Schritt zur Bekämpfung der Armut die Isolation der Armen“ verhindern könnte, wie es die INKW fordert. Dazu gehören Standortentscheidungen für neuen Geschosswohnungsbau, der bezahlbare Mieten nicht nur „jwd“ ermöglicht. Dazu gehört, dass Wohnungen statt Heimplätze errichtet werden. Dazu gehört eine Architektur, die den Bedürfnissen der Bewohner/innen gerecht wird. Das öffentliche Eigentum an den Wohnungsbaugesellschaften ermöglicht politischen Einfluss auf deren Geschäftspolitik. Diese Möglichkeit muss aber auch wahrgenommen werden. Im letzten Jahr haben uns SPD und das Mietenvolksbegehren ein „Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung“ beschert. Doch die rein ideelle „Anstalt öffentlichen Rechts“ und die einsamen Mietervertreter in den Aufsichtsräten (Seite 23) werden die Geschäftspolitik der Wohnungsbaugesellschaften nicht ändern. Sollen sie auch nicht. Das Gesetz war der Versuch der Landesregierung, die Wohnungsfrage im Wahljahr zu entpolitisieren. Wenn das gelingt, haben die Berliner Mieter/innen verloren, die Geflüchteten sowieso. Sage keiner, dass es nicht anders geht. Aber es geht nur anders, wenn der politische Druck organisiert wird – wenn wir politischen Druck organisieren.

 

 


MieterEcho 381 / Juni 2016

Schlüsselbegriffe: Wohnungsmangel, Wahlkampf, Flüchtlingsunterbringung, Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau, Berliner Notunterkünfte, Geflüchtete, kommunale Wohnungsbaugesellschaften, öffentlicher Wohnungsbestand, Mietenvolksbegehren

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