Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 377 / Oktober 2015

Zweieinhalb Monate ohne Dach

In der Zossener StraІe 4 zieht die Hälfte der Mieter/innen aus – ein üblicher Fall von Umwandlung in Eigentumswohnungen

Von Jutta Blume    

"Dein Zuhause“ nennt die Maklerfirma Ziegert die in Eigentum umgewandelten Wohnungen in der Zossener StraІe 4. Die Imagebroschüre wirbt vor allem mit Parks, Läden und gastronomischem Angebot der Umgebung. Die Wohnungen in dem Altbau, für die Quadratmeterpreise zwischen 2.725 und 3.350 Euro fällig werden, werden im "Ist-Zustand“ verkauft. Zusätzlich gibt es neue Balkone und einen Aufzug. Das Dachgeschoss soll ausgebaut werden. Für die derzeitigen Mieter/innen ist ihr Zuhause im letzten Jahr hingegen mehr als ungemütlich geworden.    

 

Im Juni 2014 wurde das Mietshaus Zossener Straße 4 an die Firma Gekko Real Estate GmbH verkauft. Die mit der Hausverwaltung beauftragte Werz Goldstein & Werz Hausverwaltungs GmbH schickte eine Vollmacht des Eigentümers. Es wurde angekündigt, dass eine Vermittlungsagentur – die AMB Agentur für Mieter und Bauherren GmbH – die Kommunikation zwischen Vermieter und Mieter/innen übernehmen werde. Die AMB lud die Mieter/innen zu persönlichen Gesprächen in ihre Büroräume ein.                         

Auf dieses Angebot reagierten die Mieter/innen unterschiedlich. Einige nahmen den persönlichen Termin wahr, andere nicht. Eine Mieterin berichtet, ihr sei in dem sogenannten Vermittlungsgespräch die Wohnung zum Kauf angeboten sowie ein Auflösungsvertrag zu ihrem Mietvertrag vorgelegt worden. Innerhalb von zwei Wochen sollte sie sich entscheiden, wurde ihr bei dem Gespräch nahe gelegt, anschließend würden die Wohnungen in den Vertrieb gehen. Nach Aussagen der Mieter/innen dauerten die Versuche der AMB, Auflösungsverträge zu erreichen, drei bis vier Monate. Die gebotenen Abfindungssummen bewegten sich in der Größenordnung von 10.000 Euro, außerdem konnten Zusatzvereinbarungen wie etwa ein bestimmter Zeitraum mietfreien Wohnens bis zum Auszug ausgehandelt werden. Über genauere Details wurde Stillschweigen vereinbart.                       

Während die Gespräche mit AMB liefen, verschickte die Hausverwaltung formlose Ankündigungen der Baumaßnahmen im Haus, verbunden mit der Aussage, dass die Mieten in drei Monaten um 5,90 Euro/qm steigen würden. Gegenüber Sozialleistungsbeziehenden wurde in den Schreiben behauptet, dass die Transferleistungen „aufgrund der erhöhten Miete verweigert werden könnten und die Miete dann nicht mehr übernommen wird“, also das Jobcenter und das Sozialamt nicht mehr zahlen würden. Obwohl mehrere Anwält/innen die Ankündigungen für haltlos erklärten, hätten einige Mieter/innen zunächst erschrocken reagiert.     

 

Wasserschaden durch ungedecktes Dach        

Im Oktober 2014 begannen Bauarbeiten im Hof und den leer stehenden Wohnungen. Im Januar 2015 wurde das Haus eingerüstet und im März mit der Fassadendämmung begonnen. Nach Aussagen der Mieter/innen wurden die jeweiligen Arbeiten in der Regel nicht angekündigt. Auf einen Einspruch habe der Eigentümer mit der Aussage reagiert, dass die Maßnahmen nicht auf die Miete umgelegt würden, wollte dies aber nie in rechtskräftiger Form fixieren.                    

Am 22. April begann eine Dachdeckerfirma, große Teile des Dachs zu entfernen und ersetzte die Dachdeckung notdürftig durch Planen. Nach wenigen Tagen fuhr die Firma wieder ab und das Dach blieb in den folgenden zweieinhalb Monaten unverschlossen. Die Planen konnten Regen und Feuchtigkeit nicht abhalten. Das Wasser hätte teilweise in den Wohnungen gestanden, berichten Mieter/innen. Nach einem Starkregen rief eine Mietpartei die Feuerwehr. 1.500 Liter Wasser mussten nach ihrer Aussage vom Dachboden gepumpt werden. Der Strom wurde teilweise abgestellt, da die Leitungskanäle nass waren. Die Hausverwaltung sei zwei Tage nicht zu erreichen gewesen, auch nicht unter der angegebenen Notrufnummer. Bis heute sind nicht alle Folgen des Wasserschadens beseitigt. Auch für die den Mieter/innen entstandenen Kosten ist die Hausverwaltung bislang nicht aufgekommen. Weder die Schäden an den Möbeln noch die Kosten für zeitweise bezogenen Ersatzwohnungen wurden erstattet, obwohl dies explizit zugesagt worden sei.    Die beauftragte Dachbaufirma Schmellenkamp weist die Verantwortung für die Wasserschäden von sich. Der Statiker habe eine Berechnung auf der Grundlage von alten Plänen geliefert, die aber mit der Realität nicht übereinstimmte. Um exakte Messungen vorzunehmen, mussten erst Teile des Dachs und Mauern auf dem Dachgeschoss entfernt werden. Die Firma habe dann unverzüglich eine neue Statik berechnet und das neue Dach gefertigt. Der Wasserschaden sei Folge von sehr starkem Wind und einem heftigen Sommerregen gewesen – ein Fall, den die Versicherung des Bauherrn abdecken müsse.              

 

Keine Fenster im Winter und Heizungsausfall        

Neben dem abgerissenen Dach wurden die Mieter/innen der Zossener Straße 4 im Laufe der Zeit mit weiteren Unannehmlichkeiten konfrontiert. Aus den leer stehenden Wohnungen und im Treppenhaus seien im Winter die Fenster ausgebaut worden. Zudem sei es zu mehreren Heizungsausfällen gekommen, über Ostern hätten in manchen Wohnungen Temperaturen um 11 Grad geherrscht. Den Mieter/innen zufolge fiel die Heizung aus, weil schlichtweg das Heizöl ausgegangen sei. Sie hätten dem Vermieter bereits vor Ostern auf den niedrigen Ölstand hingewiesen und gebeten, Öl zu bestellen. Reagiert habe er erst zehn Tage später, auf die von einer Mieterin erwirkte einstweilige Verfügung.                        

Auch nach ihrem Auszug streiten sich einige Mieter/innen noch mit dem Eigentümer. Die vereinbarten Abfindungen seien zum Teil nicht vollständig ausgezahlt worden, berichten die verbleibenden Nachbar/innen. Neun von 18 Mietparteien wollen ihre Wohnungen nicht aufgeben, zwei Wohnungen standen bereits vor dem Verkauf leer. Diese neun Wohnungen sollen nun alle an die im März 2015 gegründete JWC GmbH verkauft werden, die Kaufverträge sind den Mieter/innen bereits zugesendet worden. Der Zweck dieses Verkaufs lässt sich nur erahnen.      

 

Die Offenbacher Firma Gekko Real Estate GmbH war früher in Berlin kaum in Erscheinung getreten. In letzter Zeit erwarb sie aber einige Mehrfamilienhäuser. An der Kündigung des letzten inhabergeführten Gemüseladens in der Wrangelstraße Bizim Bakkal entzündete sich der Protest eines ganzen Kiezes. Die Kündigung wurde zurückgezogen. Die Mieter/innen in den von der Offenbacher Firma erworbenen HКusern bleiben aber von VerdrКngung betroffen. Sowohl in der Zossener StraІe 4 in Kreuzberg als auch in der TellstraІe 10 in Neukölln arbeitet das Offenbacher Unternehmen mit einem bereits bekannten Akteur auf dem Berliner Immobilienmarkt zusammen: Der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting GmbH. Ziegert übernimmt in beiden Projekten den Vertrieb der in Eigentum umgewandelten Wohnungen und bietet potenziellen Käufer/innen gleichzeitig eine Finanzierungsberatung an.
Ein Eigentümerwechsel ist oft der Beginn für einschneidende Veränderungen im Haus. Oft folgen Modernisierungen und/oder die Umwandlung in Eigentumswohnungen. Was auf Mieter/innen in diesem Zusammenhang zukommen kann und was sie beachten sollten, behandeln unsere Rechtsberater/innen Fransziska Dams und Hans Peter Scholz in der Rubrik Fragen und Antworten“ .

MieterEcho 377 / Oktober 2015

Schlüsselbegriffe: Maklerfirma Ziegert, Zossener Straße 4, Gekko Real Estate GmbH, Werz Goldstein & Werz Hausverwaltungs GmbH, AMB Agentur für Mieter und Bauherren GmbH, Abfindungen, Baumaßnahmen, Transferleistungen, Heizungsausfälle

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