Zu wenig und zu langsam, aber ein Anfang ist gemacht
Bestandsaufnahme bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften
Von Philipp Möller
Nach den Wünschen des rot-schwarzen Senats sollen die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen wieder in den Wohnungsbau einsteigen und bis zum Ende des Jahres 2025 rund 22.000 neue Wohnungen bauen. Davon soll ca. ein Drittel sozialer Wohnungsbau nach den Richtlinien des neu aufgesetzten Wohnraumförderfonds sein.
Nach dem fatalen Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbestände im letzten Jahrzehnt und dem Ausstieg aus der Anschlussförderung für rund 28.000 Wohnungen im Jahr 2003, bedeuten die Ankündigungen des Berliner Senats einen politischen Kurswechsel. Angesichts der sich immer weiter verschärfenden Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt scheint beim Senat langsam die Einsicht zu reifen, dass den Problemen nur mit Neubau nachhaltig zu begegnen ist, und daher legt er einen Wohnungsbauförderfonds auf. Derzeit verfügen die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen über einen Bestand von rund 294.000 Wohnungen, 14% davon sind sozialer Wohnungsbau. Nach den Plänen von Berlins Baustaatssekretär Engelbert Lüdke Daldrup (SPD) sollen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften bis 2025 ihren Bestand über Zukauf und Neubau um mehr als 100.000 Wohnungen aufstocken. Bis Ende des nächsten Jahres sollen 3.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden und mit dem Bau von über 7.000 neuen Wohnungen begonnen werden. Nach 2016 ist der Neubau von rund 8.000 weiteren Wohnungen geplant.
Wohnungsneubau nur gering
Die Bilanz der bisherigen Anstrengungen seitens der landeseigenen Wohnungsunternehmen fällt jedoch ernüchternd aus. Der Wiedereinstieg in den Neubau verläuft nur schleppend und bis Ende dieses Jahres sind lediglich rund 1.500 Fertigstellungen von neuen Wohnungen zu erwarten.
Da der Berliner Senat von rund 80.000 neu zugezogenen Berliner/innen in diesem Jahr ausgeht, wie Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) im September dem Abgeordnetenhaus verkündete, sind die wenigen Neubauwohnungen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Gründe für das zähe Anlaufen des Wohnungsneubaus liegen in der verfehlten Politik der letzten zehn Jahre. Trotz der Eskalation auf dem Wohnungsmarkt vernachlässigte der Senat den Neubau von Wohnraum konsequent. In den kommunalen Unternehmen müssen daher zunächst wieder eigene Bauabteilungen aufgebaut und fachkundiges Personal eingestellt werden. Zudem scheint die Notwendigkeit von Neubau noch immer nicht in ihrer vollständigen Tragweite erkannt worden zu sein. Der vom Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten von Senat und den sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften im Jahr 2012 angestrebte Bestandszuwachs für die seinerzeit vorhandenen 277.000 öffentlichen Wohneinheiten auf 300.000 Ende 2015 beruht zum Großteil auf Zukauf. Seit Beginn der Legislaturperiode des rot-schwarzen Senats vor vier Jahren wurden rund 25.000 Wohnungen durch die Gesellschaften gekauft. Zunehmend wird es jedoch angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt schwieriger, günstige Bestände aufzukaufen.
Mietpreisdämpfende Wirkung
Hinsichtlich der Miethöhe dokumentiert der im Oktober vorgestellte zweite Jahresbericht des Mietenbündnisses eine leicht dämpfende Wirkung der landeseigenen Wohnungsunternehmen auf die Berliner Mietpreise. Die durchschnittlichen Kaltmieten bei den städtischen Gesellschaften beliefen sich im letzten Jahr auf 5,50 Euro/qm und lagen damit 2,4% höher als im Vorjahr. Gleichzeitig waren sie niedriger als der Berliner Durchschnitt, der sich laut Mietspiegel bei 5,84 Euro/qm ansiedelt. Die durchschnittliche Neuvertragsmiete 2014 betrug 6,11 Euro/qm, während auf dem freien Wohnungsmarkt die durchschnittliche Angebotsmiete mit 8,50 Euro/qm einen neuen Höchstwert erreichte. Ein Vergleich der Preisentwicklung zeigt gleichwohl, dass die Mieten bei den städtischen Gesellschaften im Zeitraum von 2012 bis 2014 genauso stark stiegen wie im Berliner Durchschnitt. Die kommunalen Wohnungsunternehmen erhöhten die Miete während dieser Zeit um 29 Cent/qm, während die Mieten laut Mietspiegel im gleichen Zeitraum um 30 Cent/qm hinaufkletterten.
Ein Blick auf die bisher geplanten Bauprojekte zeigt, dass die neuen Wohneinheiten nicht immer auf der grünen Wiese entstehen sollen. Teilweise werden bestehende Häuser mit Dachgeschossen aufgestockt, Baulücken nachverdichtet oder Gewerbeflächen zu Wohnungen umgebaut. Um die angepeilten Miethöhen von durchschnittlich 6,50 Euro/qm im sozialen Wohnungsbau zu erzielen, setzen einige Wohnungsbaugesellschaften auf Einsparungen in der Ausstattung. Die Degewo beispielsweise verzichtet in den Sozialwohnungen auf Kellerräume und Balkone und versucht, an Fluren und großflächigen Eingangsbereichen zu sparen. Die Gesobau möchte die Gesamtbaukosten durch die Bebauung eigener Grundstücksflächen gering halten. Viele der Neubauprojekte befinden sich im Ostteil der Stadt und nur wenige innerhalb des S-Bahn-Rings. Die Hauptentwicklungsgebiete sind bei den einzelnen Gesellschaften unterschiedlich. Sie befinden sich in Gropiusstadt (Degewo), Pankow (Gesobau), Prenzlauer Berg (Gewobag), Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf (Howoge), Treptow-Köpenick (Stadt und Land) und Mitte (WBM).
Wohnraumförderfonds eingerichtet
Ein Fünftel bis ein Drittel der Neubauwohnungen in den größeren Neubauprojekten ab 50 Wohneinheiten sollen durch die Unterstützung des Wohnraumförderfonds mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 6,50 Euro/qm vermietet werden. Bei kleineren Projekten kann ein höherer Anteil der Wohnungen gefördert werden. In konkreten Zahlen sind das 1.000 geförderte Wohnungen in diesem Jahr, rund 2.500 im nächsten Jahr und über 3.000 im Jahr 2017. Durch den Fonds versucht der Senat, den Bau von sozial geförderten Wohnungen anzukurbeln und hat entsprechend die Förderbedingungen verbessert. Private Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und städtische Gesellschaften haben nun mehr finanzielle Anreize für die Errichtung von gefördertem Wohnungsneubau. Ihnen stehen zwei Förderalternativen zur Verfügung. Ein Modell beruht auf der Förderung mit zinslosen öffentlichen Baudarlehen bis maximal 1.200 Euro/qm Wohnfläche und 64.000 Euro pro Wohnung. Zusätzlich wird auf den ausgezahlten Betrag des öffentlichen Baudarlehens ein Tilgungszuschuss in Höhe von 25% gewährt, sodass nur 75% des geliehenen Gelds zurückgezahlt werden müssen. Die Nettokaltmieten in diesem Modell sind bei 6,00 bis 7,50 Euro/qm angesiedelt. Eine zweite Fördermöglichkeit beruht ebenfalls auf zinslosen öffentlichen Baukrediten bis maximal 1.000 Euro/qm Wohnfläche und 50.000 Euro pro Wohnung, die mit einkommensorientierten Zuschüssen flankiert werden. Durch diese Zuschüsse kann die Nettokaltmiete auf bis zu 6 Euro/qm monatlich verringert werden. Der Förderzeitraum beträgt bei beiden Varianten 20 Jahre und es besteht die Möglichkeit einer Nachbindung für weitere zehn Jahre. Die Mietsteigerungsrate beträgt 20 Cent/qm alle zwei Jahre. Darüber hinaus greift bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen die Schutzvorschrift aus dem Mietenbündnis, die bei Mieterhöhungen eine an das Haushaltseinkommen gekoppelte Kappungsgrenze vorsieht.
Kappung der Mieten befristet
Im Vergleich zur fehlerhaften Konstruktion der früheren Förderung des sozialen Wohnungsbaus wurden einige kosmetische Veränderungen vorgenommen. „Die Struktur der Förderung ist als zinsloses Darlehen mit zwanzigjähriger Laufzeit mit den früheren Systemen, die zum Beispiel mit diversen Aufwendungsdarlehen und Zuschüssen verbunden waren, keinesfalls vergleichbar. Wichtigster Nebeneffekt der neuen Förderformen ist auch, dass die Fördermittelrückzahlungen in einen revolvierenden Fonds fließen und damit unmittelbar für immer neue Förderprojekte zur Verfügung stehen“, meint Dr. David Eberhart vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Hinsichtlich der Nachhaltigkeit des Programms muss jedoch konstatiert werden, dass es sich bei dem Programm, wie bereits Rainer Balcerowiak im MieterEcho Nr. 377/ Oktober 2015 kritisierte, um eine zeitlich begrenzte Kappung der Mieten durch die öffentliche Subventionierungen handelt und nicht um die Schaffung von dauerhaft preisgünstigem Wohnraum in kommunaler Trägerschaft. Auch bei der aktuellen Förderung fließen öffentliche Mittel aus Steuergeldern in die Hände privatwirtschaftlicher Immobilienunternehmen, ohne dass die geförderten Wohnungen dauerhaft gebunden werden. Nachhaltiger wäre, der Wohnraumkrise durch Wohnungsbau in kommunaler Hand zu begegnen.
MieterEcho 378 / Dezember 2015
Schlüsselbegriffe: städtische Wohnungsbaugesellschaften, Wohnraumförderfonds, Wohnungsneubau, kommunale Wohnungsbestände, Berliner Wohnungsmarkt, Mietenbündniss, Neuvertragsmietem, Kappungsgrenze