Wenig Wohnraum mit Sozialbindung
Planung für Wohnungsbau in der Lehrter Straße vorgestellt
Von Rainer Balcerowiak
Die Planungsphase des Neubauprojekts der Groth-Gruppe in der Lehrter Straße in Moabit nähert sich dem Ende. Mitte August wurde der Bebauungsplan ausgelegt, mit dem Baubeginn wird für das erste Quartal 2016 und mit der Fertigstellung drei Jahre später gerechnet.
Bei einer Informationsveranstaltung des Bezirksamts Mitte am 14. Juli, an der auch Vertreter der Groth-Gruppe teilnahmen, wurden die Pläne vorgestellt. Auf insgesamt 37.275 qm Grundstücksfläche sollen 158 geförderte und 344 frei finanzierte Mietwohnungen sowie 295 Studentenapartments, 255 Eigentumswohnungen und ein Stadtplatz nebst Einzelhandel zur Deckung des täglichen Bedarfs und „verträglichem Gewerbe“ entstehen. Für das Wohnumfeld wird ein „Freiraumkonzept mit großzügigen und hochwertigen Grün- und Erschließungsflächen“ angekündigt. Zu den Verpflichtungen der Gruppe gehören ferner der Bau einer Kindertagesstätte im gegenüber liegenden Fritz-Schloss-Park mit 80 Plätzen sowie die Finanzierung von 82 zusätzlichen Grundschulplätzen in Moabit. Ohne die Studentenapartments, die nicht als Wohnungsbau in eigentlichen Sinne gelten, beträgt der Anteil geförderter Wohnungen lediglich knapp 21%. Diese sollen nach ihrer Fertigstellung von einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft – voraussichtlich der Degewo – übernommen und zu Durchschnittsmieten von 6,50 Euro/qm nettokalt an Mieter/innen mit Wohnberechtigungsschein vergeben werden. Die frei finanzierten Mietwohnungen werden laut Groth-Gruppe ab 9 Euro/qm nettokalt angeboten. Die endgültige Preisgestaltung obliege jedoch dem Investor, denn auch diese Wohnungen sollen nach ihrer Fertigstellung komplett verkauft werden, möglicherweise an die börsennotierte „Deutsche Wohnen“-Gruppe. Auch für die Studentenapartments wird ein Investor gesucht.
Betroffenenrat enttäuscht
Für den Betroffenenrat Lehrter Straße, der die gesamte Planung für das Areal seit 2009 intensiv begleitet hat, ist der Entwurf eine herbe Enttäuschung. Bis zuletzt hatte man bei der für die Wohnungsbauförderung zuständigen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf einen deutlich höheren Anteil geförderter Wohnungen insistiert. Nicht einmal die im April 2015 vom Senat beschlossene Mindestquote von 25% Wohnungen mit Sozialbindung werde erreicht, hieß es in einem Brief an die Senatsverwaltung. Der enorme Verdrängungsdruck im begehrten Stadtteil Moabit und der hohe Anteil an Geringverdienenden und Transferleistungsbeziehenden im Bezirk würden zudem einen deutlich höheren Anteil von Wohnungen im unteren Preissegment erfordern.
In der Behörde zuckt man allerdings nur bedauernd mit den Schultern. Zum einen würden Quoten von 50% geförderten Wohnraums, wie sie der Betroffenenrat Lehrter Straße fordert, bei derartigen Projekten „in der Regel nicht vereinbart“, hieß es in einem Antwortschreiben Anfang Juli. Im Übrigen sei „das Verfahren zum Projekt in der Lehrter Straße mittlerweile so weit fortgeschritten, dass sich der Investor bei neuerlichen Forderungen gegenüber dem Land Berlin auf den Vertrauensschutz berufen könnte“. Man sei aufgrund „des rasanten Bevölkerungszuwachses auch darauf angewiesen, dass die Neubauvorhaben in unserer Stadt zügig realisiert werden“. Bei der Groth-Gruppe verweist man auf Nachfrage darauf, dass man sich bereits im Frühstadium der Planung freiwillig zu einem Anteil von mindestens 20% Sozialwohnungen verpflichtet habe, was deutlich über den seinerzeit geltenden Richtwerten des Senats von 10 bis 15% gelegen hätte. Eine höhere Quote sei nun bereits deswegen nicht realisierbar, weil die entsprechenden Töpfe des Senats bislang auf die Förderung von 1.000 Wohnungen pro Jahr limitiert seien – für ganz Berlin. Man kann es also drehen und wenden wie mal will: Es obliegt in erster Linie der politischen Entscheidung des Senats, wie viele Wohnungen im unteren Preissegment gebaut werden. Und man darf gespannt sein, ob Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) seinen blumigen Ankündigungen, deutlich höhere Förderquoten auf den Weg zu bringen, auch wirklich Taten folgen lässt.
MieterEcho 376 / September 2015
Schlüsselbegriffe: Wohnungsbau, Lehrter Straße, Moabit, Wohnraum mit Sozialbindung, Neubauprojekt, Groth-Gruppe, Geringverdienende, Transferleistungsbeziehende, Verdrängungsdruck, Betroffenenrat Lehrter Straße