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MieterEcho 375 / Juli 2015

Und er gilt doch

Angriffe von Vermietern auf den Berliner Mietspiegel

Von Rainer Balcerowiak                                    

 

Das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg zum Berliner Mietspiegel (AZ: 235 C 133/13) sorgt weiterhin für Aufregung. Die Richterin hatte am 11. Mai 2015 in einem Einzelverfahren entschieden, dass die Berechnung der Mietspiegelwerte „nicht nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erfolgt“ .                               

Die Grundlage der Erstellung von Mietspiegeln ist § 558 Absatz 2 BGB. Dort heißt es: „Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder (...) geändert worden sind.“ Als Voraussetzung für die Bindungswirkung von Mietspiegeln wird neben wissenschaftlicher Methodik seine Akzeptanz durch Mieter- und Vermieterverbände und durch die Gemeinde benannt.    Entscheidend für das Urteil war ein Gutachten, dessen Tenor sich die Richterin zu eigen machte. Das Gericht bemängelte vor allem, dass die Bereinigung von Extremwerten, gemeint sind zum Beispiel Wucher- und Gefälligkeitsmieten, fehlerhaft erfolgt sei. Insofern seien Mietdaten, die an sich zu berücksichtigen wären, nicht in die Erstellung des Mietspiegels eingeflossen und das Ergebnis damit verzerrt. Auch die Einordnung der Wohnlagen in die Kategorien einfach, mittel und gut entspreche nicht anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen. Die Kategorien vereinten zu unterschiedliche Wohnungen und seien damit zu undifferenziert. Das entspricht der Forderungen einiger Immobilienverbände, eine vierte, vermeintlich sehr gute Wohnlage einzuführen, um dort höhere Mietwerte ausweisen zu können.    Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und Berufung ist eingelegt. Da andere Abteilungen des Amtsgerichts Charlottenburg in der Vergangenheit Klagen gegen die Wirksamkeit des Mietspiegels abgewiesen hatten, sah der Berliner Senat keine unmittelbare Präzedenzwirkung der Entscheidung.                                         

 

Hausbesitzer gegen Mietpreisbremse            

Wasser auf die Mühlen war die Entscheidung vor allem für Hausbesitzervereinigungen, die Morgenluft in ihrem Widerstand gegen die vom Bundestag vor einigen Monaten beschlossene „Mietpreisbremse“ wittern. Durch dieses Gesetz, das in Berlin als erstem Bundesland seit dem 1. Juni angewendet wird, werden Erhöhungen bei Neuvermietungen auf 10% oberhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt. Allerdings sind Neubauten und umfassend modernisierte Wohnungen ausgenommen. Auch müssen deutlich überhöhte Bestandsmieten nicht abgesenkt werden. Dennoch ist die Mietpreisbremse für die Lobbyverbände ein rotes Tuch, und so forderte der Verband Haus & Grund nach dem Berliner Urteil eine sofortige Aussetzung des Gesetzes bis zur endgültigen Klärung der Anforderungen an Mietspiegel. „Die Mietpreisbremse darf nicht eingeführt werden, weil bundesweit vergleichbare Urteile zu erwarten sind. Mieter und Vermieter sind jetzt erst recht nicht mehr in der Lage, die ortsübliche Vergleichsmiete rechtssicher zu bestimmen“, kommentierte Kai Warnecke, Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund. Nun räche es sich, „dass Mietspiegel oftmals politisch beeinflusst werden und damit den Mietmarkt nicht mehr korrekt abbilden“. Es müsse daher dafür gesorgt werden, „dass die Mietspiegel zukünftig auf einer repräsentativen und nicht manipulierten Basis beruhen“. Eine recht merkwürdige Einschätzung, denn in der Tat entstehen die Mietspiegelwerte auf einer willkürlichen Basis, allerdings anders, als Haus & Grund das beschreibt. Da bei der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete lediglich veränderte Mieten der vergangenen vier Jahre berücksichtigt werden und die in der Regel niedrigeren durchschnittlichen Bestandsmieten – entgegen den Forderungen von Mieterorganisationen – keine Rolle spielen, wirkt der Mietspiegel in der Regel preistreibend. Doch viele Hausbesitzer hätten es gern noch deutlich „liberaler“ und so könnte das Berliner Urteil und das ihm zugrunde liegende Gutachten durchaus eine Initialzündung für weitere Prozesse dieser Art sein.       

 

 


MieterEcho 375 / Juli 2015

Schlüsselbegriffe: Berliner Mietspiegel, Urteil Amtsgericht Charlottenburg, Berechnung der Mietspiegelwerte, § 558 Absatz 2 BGB, ortsübliche Vergleichsmiete, Präzedenzwirkung, Immobilienverbände, Mietpreisbremse