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MieterEcho 376 / September 2015

Sozial(un)verträgliche Modernisierung

Mieter/innen der Zeughofstraße 20 trotz Milieuschutz von Verdrängung bedroht

Von Rainer Balcerowiak            

Abgeklemmte Gasleitungen, ein teilweise abgedecktes Dach, eine Plane vor den Fenstern, eine riesige Baugrube im Hof: Die Mieter/innen in der Zeughofstraße 20 brauchen derzeit starke Nerven. Doch sie wollen ihren Kampf gegen die Modernisierung fortsetzen. Zwar zeigt der Vermieter, ein Münchener Rechtsanwalt, nach wie vor keine Bereitschaft, von seinen Plänen Abstand zu nehmen, doch die Bewohner/innen wollen alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, um ihre Verdrängung aus dem begehrten Kreuzberger Kiez rund um den Lausitzer Platz zu verhindern.      

 

In den vergangenen Jahren wurde das Gründerzeithaus mehrmals verkauft. Der jetzige Eigentümer versprach den Mieter/innen anfangs in persönlichen Gesprächen eine „sozialverträgliche Modernisierung“, die sich auf neue Fenster und eine Zentralheizung konzentrieren sollte. Doch davon kann keine Rede mehr sein. Die vom Eigentümer beauftragte Hausverwaltung „Berlin Residential“ versucht mit allen Mitteln, die angestammten Mieter/innen zu vertreiben. Diese erhielten im Dezember 2014 Modernisierungsankündigungen, die für viele eine Verdreifachung der Miete auf rund 12 Euro/qm nettokalt bedeuten würde. Unter anderem soll ein Aufzug angebaut werden, auch Grundriss-änderungen sind geplant. Fast alle Mietparteien verweigerten die Zustimmung. Derzeit sind vier Klagen auf Duldung der Modernisierung anhängig. Die Hausverwaltung fährt derweil die harte Linie. Während des Umbaus der Gewerberäume im Hinterhof, wo teure Lofts entstehen sollen, wurden auch Gasleitungen im Vorderhaus gekappt. Mehrere Mieter/innen können seitdem weder heizen noch kochen und haben kein warmes Wasser. Es sollen neue Steigleitungen verlegt und Elektroherde installiert werden, was keinerlei Verbesserung der Wohnqualität bedeutet. Nur durch einstweilige Verfügungen (Seite 24) wurden keine weiteren Mieter/innen von der Gasversorgung abgeschnitten. Und nur durch die herbeigerufene Polizei wurde verhindert, dass trotz eines gerichtlichen Verbots Teile des Dachs abgerissen werden.

„Hausbesitzer immer dreister“        

Beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg sieht man kaum Handlungsmöglichkeiten, obwohl sich das Haus in einem Milieuschutzgebiet befindet. In der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) vor der Sommerpause wurde lediglich zugesichert, den Vorwürfen nachzugehen und Verstöße gegen die Milieuschutzsatzung zu ahnden. Es erweise sich immer wieder, dass Milieuschutz in seiner jetzigen Form „ein stumpfes Schwert ist“, so der Bezirksverordnete Julian Schwarze (B90/Grüne) gegenüber dem MieterEcho. Bundesrecht und Rechtsprechung würden den Begriff der „Herstellung des allgemein üblichen Standards“ bei Modernisierungen sehr vermieterfreundlich auslegen. Zudem fehle dem Bezirk Personal, um Verstößen gegen Milieuschutzsatzungen in der gebotenen Schnelligkeit nachgehen zu können, und die Hausbesitzer „werden nicht nur in der Zeughofstraße immer dreister“. Ein im Juli geplantes Treffen mit den Mieter/innen sagte der Vermieter kurzfristig ab. In Telefonaten habe er „Entgegenkommen“ bei der Miete nach der Modernisierung signalisiert, berichtet ein Mieter. Möglich sei demnach eine Art Staffelmiete, beginnend mit 8 Euro/qm nettokalt. Doch das ist für die Hausbewohner/innen inakzeptabel.Unterstützung gibt es von einem prominenten Nachbarn. Seit über 30 Jahren befindet sich das Eiszeit-Kino im Hinterhof der Zeughofstraße 20. Zwar konnten sich die mit einem langfristigen Mietvertrag ausgestatteten Kinobetreiber mit dem Vermieter auf den umfassenden Umbau des Kinos und einen neuen Eingangsbereich im Vorderhaus einigen, doch die gewachsene Hausgemeinschaft will man dennoch verteidigen. In einer öffentlichen Erklärung des Kinos heißt es: „Die Art und Weise, wie in den letzten Wochen der Druck auf die Hausbewohner erhöht wurde, empfinden wir als unerträglich und nicht hinnehmbar. Wir haben den Eigentümer des Hauses wiederholt aufgefordert, den Dialog mit den Mietern wieder persönlich zu führen und den Weg der Konfrontation zu verlassen. Wir wiederholen hiermit diese Aufforderung.“        


MieterEcho 376 / September 2015

Schlüsselbegriffe: Modernisierung, Zeughofstraße 20, Milieuschutz, Verdrängung, Milieuschutzgebiet, Milieuschutzsatzung, Hausgemeinschaft, Stadtentwicklungsausschuss, Bezirksverordnetenversammlung