Rund 6.000 Ferienwohnungen gemeldet
Bezirksämter haben bislang kaum Kapazitäten, nicht gemeldete Ferienvermietungen zu verfolgen
Von Jutta Blume
Bis zum 31. Juli 2014, dem gesetzlich festgelegten Stichtag, wurden in Berlin rund 6.000 Ferienwohnungen gemeldet. Verschiedene Schätzungen gehen von mindestens der doppelten Zahl aus. Die Berliner MieterGemeinschaft hält etwa 18.000 Ferienwohnungen für realistisch. Die rechtzeitig gemeldeten Ferienwohnungen haben nun in der Regel Bestandsschutz bis zum 30. April 2016.
Wenig überraschend ist, dass sich der größte Teil der gemeldeten Ferienwohnungen auf die Innenstadtbezirke konzentriert. Mit 1.728 Selbstanzeigen führt dabei der Bezirk Mitte. Die Bezirksämter erhielten zudem zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung auf die Vermietung von Ferienwohnungen, denen sie aber nach eigenen Angaben bisher nur in begrenztem Maß nachgehen konnten. Hinweise von Bewohner/innen werden von einigen Bezirksämtern zwar überprüft, jedoch können die Behörden aus Datenschutzgründen keine Auskunft über den Stand der Ermittlungen geben. „Interessierte können nur über das Informationsfreiheitsgesetz Auskunft vom Bezirk verlangen, sofern sie ein nachvollziehbares Interesse nachweisen können“, erklärt der Stadtrat für Soziales und Bürgerdienste vom Bezirk Mitte Stephan von Dassel (B90/ Grüne). Auch als Zeug/innen könnten die Hinweisgeber/innen später geladen werden, heißt es aus Tempelhof-Schöneberg. Ob die Bezirke die Hinweise wirklich berücksichtigen, können betroffene Nachbar/innen daher kaum feststellen, wie auch die Initiativen „Wem gehört Moabit?“ und „Wem gehört Kreuzberg?“ beklagen. Letztere hatte vorwiegend Kontakt zu den Milieuschutzbeauftragten des Bezirks, da viele Ferienwohnungen oder leer stehende Wohnungen, die ebenfalls unter das Zweckentfremdungsverbot fallen, in Milieuschutzgebieten liegen. In Milieuschutzgebieten können die Bezirksämter die Zweckentfremdung sofort unterbinden. Doch nun fürchten Mieter/innen der Mittenwalder Straße 6, durch ihre Hinweise ihr eigenes Mietverhältnis zu gefährden. In dem Mietshaus, das vermutlich in Eigentumswohnungen umgewandelt werden soll, werden derzeit viele Wohnungen an Feriengäste vermietet. Rund 30 Betten sind im Angebot, schätzt die Initiative „Wem gehört Kreuzberg?“. Des Öfteren wurde beobachtet, dass in der Galerie unten im Haus Schlüssel abgegeben oder in Empfang genommen wurden. Im September 2013 gab es daher gemeinsam mit den Kreuzberger Piraten eine Besetzungsaktion in der Galerie. Seit die Wohnungen dem Milieuschutz gemeldet wurden, sind zumindest die Inserate auf dem Ferienwohnungsportal Airbnb verschwunden, allerdings vermuten die Mieter/innen, dass das Geschäft weiterhin läuft. Inzwischen haben sie erfahren, dass die Hauseigentümerin vom Bezirksamt die Namen derjenigen erfahren wollte, die die mutmaßlichen Ferienwohnungen im Haus gemeldet haben. „Wie können Bürger/innen zukünftig noch mit dem Bezirksamt zusammenarbeiten, um solche Missstände aufzudecken, wenn sie befürchten müssen, dass die Vertraulichkeit nicht gewahrt bleibt?“, schrieb die Initiative daher kürzlich ans Bezirksamt. Ein Teil der Bezirksämter ist noch gar nicht dazu gekommen, Hinweisen aus der Nachbarschaft nachzugehen. „Ein Abgleich konnte aufgrund der vorhandenen Personalressourcen noch nicht vorgenommen werden. Zuerst werden die 920 Anzeigen überprüft und ggf. Nachforderungen gestellt, um die Rechtmäßigkeit der Anzeige feststellen zu können“, erklärt der Pankower Bezirksstadtrat für Verbraucherschutz, Kultur, Umwelt und Bürgerservice Torsten Kühne (CDU).
Bisher kaum Internetrecherchen
Unter das Zweckentfremdungsverbot fällt die mehr als einmalige Vermietung als Ferienwohnung für einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen. Im Einzelfall muss der Nachweis erfolgen, dass es sich nicht nur um eine Vermietung während eines Urlaubs handelt, sondern dass die Vermietung gewerblich erfolgt. Denn oft geben Wohnungseigentümer die Übernachtungsgäste als „Freunde“ aus (MieterEcho Nr. 368/ Juli 2014). „Nach Maßgabe der vorhandenen personellen Kapazitäten wird in Zeitungen, im Internet und an Hinweisschildern an Häusern bzw. am Klingeltableau recherchiert. Danach wird bei einem Verdacht der Eigentümer ermittelt und zum Sachverhalt angehört. Sollte die zweckentfremdete Nutzung anschließend vom Bezirksamt untersagt werden, muss der Eigentümer mit Ausgleichszahlungen und/oder Bußgeld rechnen“, erklärt das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf zur Durchsetzung des Verbots. Die Vermietungsplattform Airbnb ist eine wahre Fundgrube für Ferienwohnungsangebote. Im Jahr 2014 waren nach eigenen Angaben 9.500 „ganze Wohnungen“, also nicht nur einzelne Zimmer oder Gäste-sofas, inseriert. Das übertrifft die Zahl der offiziell gemeldeten Ferienwohnungen bei Weitem. 90% der Berliner Anbieter hätten nur eine Wohnung oder ein Zimmer, so Airbnb gegenüber dem Fernsehmagazin Monitor. Demgegenüber stehen allerdings andere Anbieter, die über eine Vielzahl von Wohnungen verfügen, und zu deren Umsatz Airbnb keine Angaben macht – wie beispielsweise Berlin Aspire mit 32 Inseraten. Die Immobilienfirma Berlin Aspire macht sich nicht einmal die Mühe, sich als privater Vermieter zu tarnen (MieterEcho Nr. 371/Dezember 2014). Die Bezirksämter fühlen sich bislang überfordert, Tausende von Angeboten zu überprüfen. Sucht man auf dem Internetportal „ganze Wohnungen“ in den Bezirken Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Neukölln, werden jeweils über 1.000 Inserate angezeigt. Allerdings werden Wohnungen teilweise falsch lokalisiert, eine Suche in Neukölln liefert zum Beispiel auch Ergebnisse im angrenzenden Kreuzberg. Die Preise liegen im Schnitt zwischen 30 und 100 Euro pro Nacht, wobei auch einige Luxusunterkünfte für bis zu 500 Euro pro Nacht zu finden sind. Verwunderlich ist da die Aussage des Neuköllner Stadtrats für Bauen, Natur und Bürgerdienste, Thomas Blesing (SPD), Ferienwohnungen wären in Neukölln „nicht das große Thema“. Allerdings räumt Blesing ein, dass das für Ferienwohnungen zuständige Personal erst Anfang Oktober seine Arbeit aufnahm. „Für Internetrecherchen und Ähnliches haben wir im Augenblick gar keine Zeit“, erklärte Blesing Ende November. Zudem kamen Zweifel auf, ob den Bezirksamtsmitarbeiter/innen die Internetrecherche überhaupt rechtlich erlaubt ist. Am 31. Oktober 2014 berichtete der Tagesspiegel über eine Gesetzeslücke, aufgrund derer die Ämter nicht im Internet nach Ferienwohnungen fahnden dürften. Als Informationsquellen für die Bezirksämter waren im Gesetzestext nur Bürgerämter, Handelsregister und Grundbuchamt benannt worden. Wenige Tage später ließ die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verlautbaren, dass die Internetrecherche unter Berufung auf das Ordnungswidrigkeitengesetz sehr wohl möglich sei.
Ausnahmegenehmigungen nicht geplant
Wie der Umgang mit der Zweckentfremdung von Wohnungen über die Schonfrist von zwei Jahren hinaus aussehen wird, können die meisten Bezirke noch nicht beurteilen. Ausnahmegenehmigungen für die Zweckentfremdung sind theoretisch möglich, aber eigentlich nur, wenn der Wohnraum von einer Sozialeinrichtung genutzt wird, beispielsweise als Kindergarten oder Pflegeeinrichtung oder für die vorübergehende Unterbringung von Asylsuchenden. Wohnungsunternehmen, Universitäten und andere Institutionen dürfen weiterhin Gästewohnungen betreiben. Genehmigungen können auch erteilt werden, wenn ein „schutzwürdiges privates Interesse“ besteht. „Überwiegende schutzwürdige private Interessen sind insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz oder bei nicht mehr erhaltungswürdigem Wohnraum gegeben“, heißt es dazu im Gesetzestext. In Charlottenburg-Wilmersdorf und Tempelhof-Schöneberg geht man davon aus, dass es grundsätzlich keine Ausnahmen für Ferienwohnungen geben wird, andere Bezirke sind schlichtweg noch mit der Bearbeitung der bisherigen Meldungen beschäftigt. Insgesamt 34 Stellen hat der Senat für die Umsetzung des Zweckentfremdungsverbots bewilligt. Die neuen Mitarbeiter/innen mussten erst gesucht und eingearbeitet werden. Ergebnisse, die über die gemeldeten Wohnungen hinausgehen, sind daher erst im Laufe des Jahres zu erwarten.
MieterEcho 372 / Februar 2015
Schlüsselbegriffe: Ferienwohnungen, Bezirksämter, Bestandsschutz, Innenstadtbezirke, Selbstanzeigen, Milieuschutzgebiete, Zweckentfremdungsverbot, Airbnb, Mittenwalder Straße 6