Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 373 / März 2015

Linker Abschied vom öffentlichen Wohnungsbau?

Wohnungsneubau ist der Berliner Fraktion Die Linke zu teuer,
sie will ihn Privatinvestoren überlassen

Von Sebastian Gerhardt                                    

Am 15. Januar dieses Jahres stand im Berliner Abgeordnetenhaus die Wohnungspolitik gleich zweimal auf der Tagesordnung. Zuerst musste sich der zuständige Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel (SPD) für vorlaute Bemerkungen zur Mietenentwicklung verteidigen. Er hatte verkündet, der neue Mietspiegel werde eine durchschnittliche Nettokaltmiete von über 6 Euro/qm ausweisen. Da der Mietspiegel auch als Grundlage zur Beurteilung von Mieterhöhungen dient, wäre ein solches Ergebnis den Vermietern der Stadt sicher nicht unlieb. Nach heftiger Kritik ruderte der Senator zurück. Er habe „keine Daten aus der Mietspiegelentwicklung bekannt gegeben“ , sondern „eine persönliche Einschätzung zur Mietentwicklung in der Stadt getroffen“.                                     

Im weiteren Verlauf der Sitzung stellte Katrin Lompscher für die Berliner Fraktion Die Linke ein „Konzept für eine soziale Wohnungswirtschaft in Berlin“ vor. Das Konzept ist das Ergebnis einer dreijährigen Diskussion in der Partei. Und am Ende ist die Berliner Linke wieder da, wo sie 2011 abgewählt wurde: bereit, als Juniorpartner die SPD zu begleiten, auch in der Wohnungspolitik.                                         

Sanierungen des Bestands        

Die Begründung zu dieser Selbstbeschränkung findet sich in einer Broschüre, die von der Fraktion im Abgeordnetenhaus unter dem Titel „Kommunaler Wohnungsbau – sozial und wirtschaftlich“ veröffentlicht wurde. Die Broschüre basiert auf einem Gutachten des Ökonomen Matthias Schindler. Darin wird der Vorschlag der Linken untermauert, die sechs städtischen Wohnungsgesellschaften durch die Zuführung von jährlich 100 Millionen Euro Eigenkapital zu stärken. Und es wird ausführlich begründet, wofür dieses Geld eingesetzt werden soll, nämlich vorrangig für die Instandsetzung und Modernisierung des Bestands, nicht aber für Neubau. Denn Neubau sei zu teuer. Selbst bei Sanierungen im Bestand der öffentlichen Wohnungsgesellschaften geht das Gutachten von kräftigen Mietsteigerungen aus.     Die dabei zugrunde gelegten Berechnungen zur kostendeckenden Nettokaltmiete für neue Wohnungen sind keine höhere Mathematik. Über manche Punkte gibt es auch nicht viel zu streiten. Die veranschlagten 2.000 Euro/qm Errichtungskosten, die Verwaltungs- und Instandhaltungspauschalen basieren im Groben auf sachlich begründeten Annahmen. Eine Annahme allerdings dominiert das Ergebnis: die Rendite auf das eingesetzte Kapital bei der Eigenkapitalverzinsung und bei den Fremdkapitalzinsen. Entscheidend sind dabei die Fremdkapitalzinsen, denn diese machen leicht über 50% der laufenden Kosten aus. Bei der Höhe des Fremdkapitalzinses geht es nur um das bürgerliche Eigentum und seinen Anspruch auf Verwertung. Ein Gutachten für eine sich „links“ nennende Partei hätte einen Moment an dieser Stelle verweilen können. Doch die unbestrittene Grundlage aller Überlegungen der Berliner Linken ist die Anerkennung des vermeintlichen Rechts von privaten Investoren, dass ihre Anlagen etwa 4 bis 5% abwerfen. Und das bei einem Investment, das durch den Träger – eine landeseigene Wohnungsgesellschaft – nur dem Inflationsrisiko ausgesetzt ist.                            

Wohnungsfrage unbeantwortet        

Die Berliner Politik war nicht vorbereitet, als Proteste und Demonstrationen 2011 die Wohnungsfrage wieder auf die politische Tagesordnung setzten. Der Senat brauchte über zwei Jahre, um einen „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ vorzulegen. Dieser Plan präsentiert profitablen Neubau von Wohnungen zu entsprechend hohen Mieten als Lösung des Problems, wenn nur einige kleinere sozialpolitische Verzierungen hinzugefügt werden. Mit einigem Abstand hat sich die Linke in diesem zentralen Punkt der Senatspolitik angeschlossen: Bauen sollen die Privaten. Aus der Diskussion um den Wohnungsneubau in Berlin hat sich Die Linke offiziell verabschiedet. Was ein rein privater Wohnungsneubau für die Berliner Mieter/innen bedeutet, sagt die Partei nicht. Ihr Konzept wurde am 15. Januar einvernehmlich in die Ausschüsse verwiesen.   

 

 

Weitere Informationen:

www.inkw-berlin.de/texte.html

 

 


MieterEcho 373 / März 2015

Schlüsselbegriffe: öffentlicher Wohnungsbau, Privatinvestoren, Berliner Fraktion Die Linke, Wohnungsneubau, Mietspiegel, Mietenentwicklung, Mietsteigerungen, Modernisierung, Stadtentwicklungsplan Wohnen

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