Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 372 / Februar 2015

Editorial MieterEcho

Editorial MieterEcho Februar 2015

Liebe Leserinnen und Leser,

während des ersten Weltkriegs hatte der kanadische Ingenieur Peter Norman Nissen eine Idee. Er entwarf Hütten, die aus vorgefertigten Wellblechteilen in kurzer Zeit zusammengesetzt werden konnten. Mit ihren rund 40 qm Grundfläche dienten sie mannigfachen Zwecken, der häufigste war die Behausung von Soldaten. Eine komfortable Unterbringung, verglichen mit dem Kampieren in Schützengräben. Aber ein lausiges Quartier, gemessen an den bescheidensten Ansprüchen an normale Wohnungen für die Zivilbevölkerung, der sie in den Zeiten der äußersten Wohnungsnot nach den Zerstörungen durch die Weltkriege als Ersatz dienen mussten. Nissenhütten wurden zur Signatur für das Elend nach den Kriegen.

Die Erfolge der anschließenden Wohnungspolitik konnten an der Dauer dieser provisorischen Einrichtungen gemessen werden. Irgendwann waren sie schließlich überall verschwunden.

Die vergangenen dreißig Jahre neoliberaler Marktradikalität bringen nun ganz ohne Kriege ähnliche Erscheinungen hervor. Die Wohnungsknappheit entwickelt sich zur Wohnungsnot und die Nissenhütten sind auch wieder da. Allerdings nicht mehr halbrund und nicht mehr aus Wellblech. Heute sind es ausgediente Frachtcontainer, die zu Unterbringungen recycelt werden. In Berlin sind sie schon seit Längerem bekannt. In der Motardstraße in Siemensstadt finden sie seit Jahren als Flüchtlingsunterkünfte Verwendung. Eine weitere Siedlung ist jetzt in Köpenick entstanden. Einen Brückenkopf auf dem Wohnungsmarkt haben sich diese Behausungen inzwischen als Unterkünfte für Studierende in Treptow erobert. Hier beweisen sie, dass Wohnungsnot außerordentlich lukrativ sein kann. Die Quadratmeterpreise in dem metallischen Ambiente sind deutlich höher als für normale Neubauwohnungen, aber ihre Errichtungskosten betragen nur ein Bruchteil.

Wollte man eine historische Logik erkennen, wäre es spätestens jetzt Zeit für eine nachhaltige Wohnungspolitik, die solchem Spuk den Garaus macht. Doch vom Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel und seiner Partei ist eher zu erwarten, dass Containerunterbringungen auch für andere Teile der Bevölkerung zur Normalität werden.

Ihr MieterEcho


MieterEcho 372 / Februar 2015

Schlüsselbegriffe: Wohnungsnot, Peter Norman Nissen, Frachtcontainer, Motardstraße, Siemensstadt, Flüchtlingsunterkünfte, Köpenick, Wohnungsmarkt, Studierende, Treptow, Containerunterbringungen

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