Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 378 / Dezember 2015

Die Städte für die Menschen, nicht für Profit

Bericht vom osteuropäischen Treffen der Aktionskoalition für das Recht auf Wohnen

Von Grischa Dallmer und Matthias Coers   

In der zwischen Berlin und Warschau gelegenen aufstrebenden Großstadt Poznan fand vom 6. bis 9. November 2015 eine internationale Konferenz zum Thema Wohnen statt. Eingeladen hatte die im Jahr 2013 in Wuppertal gegründete Europäische Aktionskoalition für das Recht auf Wohnen. An der Konferenz nahmen Vertreter/innen von Organisationen und Initiativen aus 17 Ländern teil.                             


Gastgeber war das soziale Zentrum Roz-brat und die Mieterassoziation WSL. Aus Frankreich kamen Aktivist/innen von DAL, einem Bündnis, das sich seit 20 Jahren für sozialen Wohnraum engagiert. Aus Spanien reisten Sprecher/innen des Verbunds der PAHs an, der kürzlich eine Gesetzesinitiative durchsetzte, um Zwangsräumungen zu stoppen. Zudem waren Gruppen aus anderen Teilen Polens sowie aus Belgien, England, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Portugal, Rumänien, Serbien, Tschechien, Ungarn, den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland anwesend. Für das MieterEcho sowie als Vertreter der Veranstaltungsreihe „Wohnen in der Krise“ und für eine Filmaufführung war das Team der Mietrebellen dabei.        

                        

Poznan – Berlin            

Obwohl es in Polen üblich ist, im Eigentum zu wohnen, organisieren sich in der 550.000 Einwohner/innen zählenden Stadt Poznan zunehmend Mieter/innen. Dabei setzen sie sich sowohl mit sogenannten Säuberer-Firmen, die für höhere Renditen Wohnungen leer ziehen, auseinander als auch mit Investoren, die nach der 1989 angestoßenen Reprivatisierung des Wohnraums nun mit Rückübertragungsrechten spekulieren. Das Ausgrenzen von Mieter/innen in Containerstädte
Die Konferenz wurde eröffnet mit Kurzfilmen und dem Berliner Dokumentarfilm Mietrebellen. In der anschließenden Diskussion wurde anhand der Mieterstadt Berlin die Situation in Deutschland debattiert. Hier berichteten auch Vertreter/innen des Bündnisses Zwangsräumungen verhindern.             
                                

Rumänien – Serbien –     Tschechien     – Ungarn    

Schwerpunkte der Konferenz waren einerseits die Wohnraumversorgung in Rumänien, Serbien, Tschechien und Ungarn, andererseits der Austausch zwischen den osteuropäischen Mieterorganisationen, die in dieser Breite zuvor noch nicht zusammengekommen waren.     
In Rumänien wurde nach 1989 das Bauen von bezahlbaren Wohnungen aufgegeben und der kommunale Bestand verkauft. Für den größten Teil der Bevölkerung ist Wohnen mit immensen Problemen verbunden. Ähnlich in Serbien, wo der Verkauf der landeseigenen Wohnungen hauptsächlich Militärausgaben finanzierte. Viele sind dort von Zwangsräumungen bedroht, die Obdachlosigkeit liegt bei 10%, Roma werden zwangsumgesiedelt in Container. In Ungarn zog sich der Staat bereits 1980 aus dem Wohnungsbau zurück. Die Menschen sollen Eigentümer/innen ihrer Wohnungen sein. Ein Mietmarkt ist nur marginal vorhanden, Kleineigentümer/innen und Mieter/innen sind permanent mit Wohnungsverlust konfrontiert. Tschechien gilt seit 1989 als Vorreiter im Übernehmen der Marktmechanismen der neoliberalen Stadt, die Wohnungsversorgung der einkommensschwachen Bevölkerungsschichten bleibt dabei auf der Strecke.    

Wohnungspolitik von unten         

In Workshops wurden die bisherigen Aktivitäten der Europäischen Aktionskoalition reflektiert, darunter die dezentralen Aktionstage in den Jahren 2013 und 2015, die Proteste bei der Mipim-Immobilienmesse in Cannes und London sowie Recherchen zu Finanzialisierung und Zwangsräumungen. Aktuell geplant wird die Verbreitung eines Positionspapiers der Mailänder Delegation mit dem Titel „Stop war not people!“, das sich gegen das Ausspielen Geflüchteter gegen andere ökonomisch benachteiligte Gruppen auf dem Wohnungsmarkt wendet. Im März wird es in Frankreich Proteste gegen die internationale Immobilienmesse geben. Die Kontakte zwischen den Gruppen sollen intensiviert werden, um effektivere Solidaritätsaktionen und gemeinsame Kampagnen durchzuführen. Das nächste größere Treffen der Aktionskoalition wird im Mai 2016 in Mailand stattfinden.                 

 

 

WSL: Wielkopolskie Stowarzyszenie Lokatorów (MieterEcho Nr. 360/Mai 2013)

 

DAL: Droit au Logement (MieterEcho Nr. 365/ Februar 2014)

 

PAH: Plataforma de los Afectados por la Hipoteca (MieterEcho Nr. 361/Juli 2013 und Nr. 376/September 2015)



Weitere Informationen:

www.housingnotprofit.org

www.youtube.com/WohneninderKrise

www.bmgev.de/politik/wohnen-in-der-krise.html


MieterEcho 378 / Dezember 2015

Schlüsselbegriffe: Osteuropäisches Treffen der Aktionskoalition für das Recht auf Wohnen, Zwangsräumungen, Gesetzesinitiative, „Wohnen in der Krise“, Rückübertragungsrechte, Reprivatisierung, Rendite, Wohnungspolitik, Mipim-Immobilienmesse

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10963 Berlin

Tel.: 030 - 21 00 25 84
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