Darf‘s etwas mehr sein?
Senat legt Haushaltsplan für die nächsten beiden Jahre vor
Von Benedict Ugarte Chacón
Als Anfang September der Entwurf für den Doppelhaushalt 2016/2017 vorgelegt wurde, erging sich die Senatsverwaltung für Finanzen mächtig in Eigenlob. So sei der Haushaltsentwurf getragen von Transparenz und finanzieller Solidität, die die Berliner Finanzpolitik mittlerweile auszeichne, hieß es in einer Mitteilung. Immerhin, so sagte Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) am 10. September vor dem Abgeordnetenhaus, lege der Senat mit dem aktuellen Doppelhaushalt den zweiten in Folge vor, der ohne Neuverschuldung auskomme. Künftig sei sogar von leichten Überschüssen auszugehen. Laut dem zum Entwurf gehörenden Haushaltsgesetz geht es für das Jahr 2016 um rund 25 Milliarden Euro und für 2017 um rund 26 Milliarden Euro. Insgesamt ergibt sich eine Erhöhung der Ausgaben um 1,3 Milliarden Euro – was die Opposition aus Linke, Piraten und Grünen als Vorgeschmack auf den Wahlkampf 2016 wertet.
Der im September dem Abgeordnetenhaus zur ersten Lesung vorgelegte Haushaltsentwurf hat einen Umfang von fast 4.000 Seiten. Bis Oktober werden die jeweiligen Einzelpläne des Entwurfs in den Fachausschüssen in zwei Lesungen beraten. Hier haben die für die einzelnen Bereiche jeweils zuständigen Senatoren den Abgeordneten Rede und Antwort zu stehen. Der federführende Hauptausschuss berät den gesamten Entwurf anschließend wiederum in zwei Lesungen und gibt eine Beschlussempfehlung ab. Am 10. Dezember soll das Parlament schließlich in zweiter Lesung den Haushalt beschließen. Theoretisch handelt es sich bei den Beratungen zum Landeshaushalt um eine der wichtigsten Disziplinen des Parlaments, da hier eine sehr konkrete Kontrollfunktion über den Senat ausgeübt werden kann. In der Praxis ist jedoch davon auszugehen, dass die Koalitionsmehrheit die Vorschläge des Senats – wie bei anderen Verfahren auch – höchstens in wenigen Details verändert, den Großteil aber mehr oder weniger unhinterfragt durchwinken wird.
Von der Realität überholt
Mindestens in einem Bereich wurde der Entwurf des Senats bereits von der Realität überholt. Laut Kollatz-Ahnen habe das Land als „Reaktion auf die dramatischen Entwicklungen der letzten Monate“ die Ansätze für Leistungen an Flüchtlinge erhöht. So seien 383 Millionen Euro für das Jahr 2016 vorgesehen und 445 Millionen Euro für 2017. Allerdings basieren diese Zahlen auf der seinerzeitigen Einschätzung der Lage. Berlin verlangt zudem vom Bund, dass dieser einen „kräftigen Teil“ der Kosten für Flüchtlinge übernimmt. Die von Kollatz-Ahnen genannten Zahlen könnten sich bald als zu niedrig erweisen. Der Berliner Morgenpost zufolge überlegt die Senatsverwaltung für Finanzen, die Ausgaben für Flüchtlinge zu erhöhen. Genaue Zahlen würden noch nicht genannt, in „Koalitionskreisen“ spreche man aber von jährlichen Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe. Noch in diesem Jahr sollen die Ausgaben um einen zweistelligen Millionenbetrag erhöht werden. Das macht den Haushaltsentwurf zumindest in diesem Punkt zu Makulatur.
Bei künftigen Investitionen setzt der Senat laut Kollatz-Ahnen seine Schwerpunkte in den Bereichen Gesundheit, Schulen, Kitas, öffentlichem Personennahverkehr und bei den Bezirken. So soll es künftig zu Personalerhöhungen bei Schulen und Kitas kommen. Auch das sogenannte Schulanlagensanierungsprogramm soll „trotz der angespannten Finanzlage“ weitergeführt werden, heißt es im Haushaltsentwurf. Die Bezirke seien nicht mehr in der Lage, aus eigenen Mitteln die schulischen Gebäude und Anlagen instand zu halten. Mit der Fortführung des Programms sollen ein Verfall der Anlagen verhindert und „volkswirtschaftlich nicht zu vertretende Folgeschäden“ vermieden werden. Allein für die Sanierung sanitärer Anlagen werden 2016 und 2017 jeweils 12 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Was der Senat hier als Investitionsbereitschaft verkauft, ist allerdings nichts anderes als die Beseitigung der Folgen jahrelanger Vernachlässigung der Schulgebäude. Es ist kein Geheimnis, dass viele Schulen in Berlin in einem erbärmlichen Zustand sind. Schon im August letzten Jahres meldeten die Bezirke einen Gesamtbedarf zum baulichen Unterhalt und für Erweiterungs- und Umbaumaßnahmen von zwei Milliarden Euro.
Ein Punkt, den die Senatsverwaltung für Finanzen beim Doppelhaushalt 2016/2017 besonders herauskehrt, ist der Wohnungsneubau. So soll nach Kollatz-Ahnen das Wohnungsbauprogramm auf 2.500 Wohneinheiten im Jahr 2016 und 3.000 im Jahr 2017 erweitert werden. Zusammen mit den geplanten Neubauten für Studierende werden sich künftig 4.000 neue Wohneinheiten pro Jahr ergeben. Für die Förderung des Wohnungsneubaus sind im Haushaltsentwurf 54 Millionen Euro für 2016 vorgesehen und 91 Millionen Euro für 2017. Um die Mieten im sozialen Wohnungsbau zu begrenzen, plant der Senat für 2016 Ausgaben von 25 Millionen Euro. Im Jahr 2017 sollen es 30 Millionen Euro sein. Allerdings dürfte noch offen sein, wie sich die Einigung bezüglich des Mietenvolksentscheids auf diese Posten auswirken wird. Es kann also durchaus sein, dass ähnlich wie bei den Kosten für Flüchtlinge umgeplant werden muss.
Millionenschwere Großprojekte
Der Finanzsenator verwies in seiner Plenarrede Anfang September auch darauf, dass neue Großprojekte wie die Sanierung des Internationalen Congress Centrums (ICC) und der Umbau des Flughafens Tegel nur insoweit in Angriff genommen werden könnten, wie laufende Projekte wie der Bau des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) oder die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden beendet würden. Immerhin deutet diese Aussage auf einen kleinen Lerneffekt beim Senat und schließt sich der Anfang des Jahres von Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) geäußerten Erkenntnis an, dass es wohl besser wäre, künftig darauf zu achten, dass Bauvorhaben erst begonnen werden, wenn ihre Planungen abgeschlossen sind. Nichtsdestotrotz sollen für Sanierungsmaßnahmen des ICC 500.000 Euro für 2016 und 2,5 Millionen Euro für 2017 in den Haushalt eingestellt werden. Das Land werde, so heißt es im Haushaltsentwurf, die „Kosten für die Schadstoffbeseitigung und die Herrichtung einer Teilfläche von rund 10.000 qm für Kongresszwecke“ bis zu einer Höhe von insgesamt 200 Millionen Euro finanzieren. Zusätzlich sollen private Investoren mit ins Boot geholt werden. Richtig losgehen soll es mit der Sanierung aber erst im Jahr 2018 – also unter dem nächsten Senat. Ein Großprojekt bleibt dem Land zumindest für die nächsten beiden Jahre noch erspart: Der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek (ZLB) auf dem Tempelhofer Feld. Die Baumaßnahme verschiebe sich aufgrund des Ergebnisses des Volksentscheids im letzten Jahr, der sich gegen eine Bebauung des Geländes wandte. Nun müsse erst einmal ein neuer Standort gesucht werden. Optimistischer gibt sich der Senat, was die angestrebte Nachnutzung des Flughafens Tegel angeht. Die derzeitigen Berechnungen gehen von einer endgültigen Stilllegung des Flughafens im ersten Halbjahr 2018 aus, sechs Monate nach der Inbetriebnahme des Flughafens BER, die im Herbst 2017 erfolgen soll. Allerdings geriet diese Terminplanung in den letzten Wochen wieder einmal erheblich ins Wanken. Fünf Millionen Euro sollen 2016 für „Maßnahmen zur Sicherung der Nachnutzung“ von Tegel ausgegeben werden, 2017 sind es sieben Millionen Euro. Hiermit sollen „Strategien, Konzepte und konkrete Maßnahmen“ erarbeitet werden. Rund die Hälfte der Gelder fließt dabei an die Tegel Projekt GmbH, die seit 2011 damit beauftragt ist, das Flughafengelände zu einem Forschungs- und Industriepark zu entwickeln. Für die Sanierung der Staatsoper Unter den Linden, die ursprünglich schon 2013 beendet sein sollte, wird das Land im nächsten Jahr 55 Millionen Euro aufbringen müssen. Im Jahr 2017 werden es 45 Millionen Euro sein. Bleibt es dabei, wird die Sanierung am Ende 400 Millionen Euro gekostet haben – geplant waren einst 239 Millionen Euro. Ein Posten, der Innensenator Frank Henkel (CDU) besonders am Herzen gelegen haben dürfte, ist die Schaffung von 45 neuen Stellen beim Berliner Verfassungsschutz. Wie sinnvoll diese künftigen Ausgaben bei einer Behörde sind, die in den letzten Jahren beim NSU-Komplex grandios versagte und mit ihren „Analysen“ zu Autobrandstiftungen kolossal daneben lag, sei dahingestellt. Bei einer vernünftigen Evaluierung ihrer Leistung und der Ausarbeitung von Reformen wäre das Geld wohl besser aufgehoben.
MieterEcho 377 / Oktober 2015
Schlüsselbegriffe: Berliner Senat, Haushaltsplan 2016/2017, Berliner Finanzpolitik, Neuverschuldung, Überschüsse, Landeshaushalt, Kollatz-Ahnen, Flüchtlinge, Schulanlagensanierung, Personalerhöhung, Wohnungsbauprogramm