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MieterEcho 366 / März 2014

Störfaktor Mieter

Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gewobag verklagt Mieter/innen auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen

Von Benedict Ugarte Chacón                                

In der letzten Ausgabe hatte das MieterEcho über Klagen gegen Mieter/innen und Zwangsräumungen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften berichtet (MieterEcho 365/ Februar 2014). So kam es seit 2009 zu rund 3.000 Klagen pro Jahr und insgesamt zu 4.600 Zwangsräumungen. Die Gewobag klagte in den Jahren von 2009 bis 2012 804 Mal gegen ihre Mieter/innen, wie aus der Antwort des Senats auf eine parlamentarische Anfrage der Piratenfraktion hervorging. Ähnlich wie bei privaten Vermieter/innen geht es bei vielen Klagen um die Duldung von Modernisierungen, die für manche Mieter/innen erhebliche Mietsteigerungen zur Folge haben. Einer der derart betroffenen Mieter/innen ist Julian Gerwig*.                                    


Die Gewobag ist wie die anderen fünf landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften (Gesobau, Howoge, Stadt und Land, WBM und Degewo) Mitglied im „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“, welches im September 2012 vom Senat mit den Wohnungsbaugesellschaften geschlossen wurde. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) sagte damals, dass mit dem Mietenbündnis „ein Instrument der sozialen Wohnungspolitik erarbeitet und umgesetzt“ worden sei, mit dem „positiv auf die Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt“ eingewirkt werden könne. Die Gewobag selbst gibt sich überdies gerne einen verantwortungsvollen Anstrich und verweist auf ihrer Website zum Beispiel darauf, dass sie sich für eine „aktive soziale Quartiersentwicklung“ einsetze, was auf eine „nachhaltige, langfristige Mieterbindung und Stabilität in den Wohnvierteln“ hinziele. Das Haus, in dem Julian Gerwig wohnt, liegt in der Bötzowstraße in Prenzlauer Berg. Dabei handelt es sich um ein teilsaniertes Gebäude aus den 1950er Jahren. Gerwig bewohnt hier seit 2002 eine 1-Zimmer-Wohnung mit rund 39 qm. Viele Mieter/innen im Gebäude haben laut Gerwig nur wenig Geld zur Verfügung. Er berichtet, dass die Gewobag seit Jahren nicht mehr in das Haus investiert hätte. Erst als sich im vorletzten Jahr Gäste eines Cafés im Haus nebenan über herunterbröckelnde Fassadenteile beschwert hätten, seien das Dach neu gedeckt und die Außenfensterbänke erneuert worden.                  

 

Mietenbündnis: Kein Rechtsanspruch für Mieter/innen        

Im April 2013 kündigte das Unternehmen schließlich eine Modernisierung an. Im Schreiben heißt es unter anderem: „Aufgrund gestiegener Anforderungen an Ausstattung und Komfort des von Ihnen bewohnten Gebäudes wird eine zentrale Heizungsanlage eingebaut.“ Da die Wohnungsbaugesellschaft Mitglied im Mietenbündnis ist, kündigte sie an, lediglich 9% statt der rechtlich möglichen 11% der Modernisierungskosten auf die Mieter/innen umlegen zu wollen. Allerdings heißt es im Ankündigungsschreiben: „Das Bündnis gilt zunächst für vier Jahre. Es begründet keine Rechtsansprüche der Mieterin/des Mieters.“ Die geplante Modernisierung beinhaltet die Demontage noch vorhandener Kohleöfen, Gaseinzelraumheizungen, Nachtspeicheröfen sowie Gasetagenheizungen und deren Ersetzung durch eine zentrale Heizungsanlage. In den einzelnen Wohnungen sollen Röhren- und Plattenheizkörper sowie diverse Leitungen eingebaut werden. Vorsorglich weist die Gewobag darauf hin, dass sie „aus technischen Gründen“ keine Rücksicht auf „Sonderwünsche“ ihrer Mieter/innen nehmen könne. Am Ende des Schreibens heißt es verständnisvoll: „Modernisierung und Instandsetzung sind nicht alltäglich, sondern rufen sicher auch bei Ihnen viele Fragen und vielleicht auch Ängste hervor. Natürlich werden wir Sie intensiv informieren, Ihnen notwendige Hilfestellungen anbieten und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.“                            

 

Duldungsklage statt „Rat und Tat“    

Gegen die Modernisierung und die damit verbundene Ersetzung seines Kohleofens durch einen Anschluss an eine Zentralheizung hat Gerwig grundsätzlich nichts einzuwenden. Allerdings sind ihm die von der Gewobag angekündigten Kosten zu hoch. Auch wenn das Unternehmen wie angekündigt nur 9% statt 11% der Modernisierungskosten auf die Mieter/innen umlegen würde, hätte dies für ihn eine Steigerung der Grundmiete von rund 70 Euro pro Monat zur Folge. Hinzu kämen die Vorauszahlungen für die Heizkosten, sodass die Gesamtmiete um rund 100 Euro pro Monat steigen würde. Dies ist ihm zu teuer. Beim Senat hieß es in einer Erklärung zum Mietenbündnis, dass in dessen Regelungen vorgesehen sei, in strittigen Fällen eine Schiedsstelle vermitteln zu lassen. Die Gewobag verzichtete scheinbar auf diese Möglichkeit. Jedenfalls drohte sie bereits Ende Juni 2013 mit der Einleitung von Modernisierungsklagen. Gleichzeitig aber teilte sie den Mieter/innen mit, dass sie nach wie vor an einer gütlichen Klärung interessiert sei, bei der eine Klage schließlich vermieden werden könne. Gegen Gerwig, der einer Modernisierung aus finanziellen Gründen nicht zustimmte, reichte das Unternehmen im August Klage beim Amtsgericht Mitte ein. „Ich hätte nicht gedacht, dass eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft derart mies mit ihren langjährigen Mietern umgeht“, sagt Gerwig, immer noch fassungslos. Bei der Gewobag heißt es, von den insgesamt 21 Mietparteien im Haus hätten nur acht der Modernisierung zugestimmt. Elf seien auf Duldung der Modernisierungsmaßnahmen verklagt worden. Von den Verfahren seien bereits drei zugunsten des Unternehmens entschieden worden. Dass die Wohnungsbaugesellschaft so rigide vorgeht, ist verwunderlich. Denn immerhin heißt es in der Senatserklärung zum Mietenbündnis von 2012, dass bei Modernisierungsprozessen die Mieter/innen „umfassend“ einbezogen werden sollen. Mit dieser Zielsetzung scheint man es aber bei der Gewobag nicht allzu ernst zu nehmen. Gerwig und weitere Mieter/innen hatten sich durchaus kompromissbereit gezeigt und versucht, sich in den Modernisierungsprozess einzubringen. Hierzu wandten sie sich im Juni 2013 mit einem Schreiben an die Gewobag-Geschäftsstelle in Prenzlauer Berg. Darin stellten sie klar, dass auch ihnen an einer Lösung für ihr Haus gelegen sei, die zum einen das Einsparen von Energie ermögliche und zum anderen den Komfort für die Mieter/innen mit Kohleöfen oder Gaseinzelheizungen erhöhe. Im von der Gewobag beabsichtigten Einbau einer Zentralheizung sehen sie diese Lösung allerdings nicht. Denn ihrer Ansicht nach müsste erst einmal dafür gesorgt werden, dass es in ihrem Haus nicht zu unnötigen Wärmeverlusten komme. Deshalb sei es an der Wohnungsbaugesellschaft, die „vielen undichten Fenster abzudichten und für eine Abdichtung des Treppenhauses, in dem im Winter nahezu Außentemperaturen herrschen, gegen Zugluft zu sorgen.“               

 

Mehr Profit durch Auszüge        

Um die Kosten der Modernisierung zu senken, schlugen die Mieter/innen den Einbau von Gasetagenheizungen für die Wohnungen mit Kohleöfen vor. Dies würde für die Wohnungsbaugesellschaft finanziell weitaus günstiger als die geplante Modernisierung ausfallen. „Es erscheint uns in beiderseitigem Interesse zu liegen, unnötige Kosten zu vermeiden und wirtschaftlich zu handeln. So könnte auch der Mietfrieden gewahrt werden und eine große Anzahl unnötiger Klageverfahren vermieden werden“, heißt es abschließend im Brief der Mieter/innen. Auf eine Antwort warten die Bewohner/innen allerdings bis heute. Warum die Gewobag nicht auf das Engagement der Mieter/innen reagierte, konnte die Pressestelle des Unternehmens auch auf mehrfache Nachfrage nicht beantworten. Auch war die Sachbearbeiterin der Geschäftsstelle in Prenzlauer Berg, an die die Mieter/innen ihr Schreiben adressierten, telefonisch nicht erreichbar. Gerwig berichtet, dass bereits einige Mieter/innen das Weite gesucht hätten und die Gewobag mehrere Wohnungen im Haus leer stehen lasse. Dabei soll es sich vor allem um Wohnungen mit Kohleöfen handeln, die ebenso wie seine modernisiert werden sollen. Dem widerspricht die Gewobag. Nach ihren Kenntnissen gebe es im Haus lediglich eine leer stehende Wohnung. Von mehreren leeren Wohnungen sei nichts bekannt. Gerwig geht davon aus, dass dem Unternehmen eigentlich daran gelegen sei, ihn und möglichst viele andere Mieter/innen des Hauses schnell loszuwerden: „Ich habe den Eindruck, dass es der Gewobag nur noch um Profit und Rendite geht. Denn sie kann bei Neuvermietung teilweise die doppelte Miete verlangen, weil die Mietpreise im Bötzowkiez in den letzten Jahren so stark gestiegen sind. Je mehr Mieter aufgrund der Modernisierungen ausziehen, desto mehr Profit kann die Gewobag später machen.“         

 

 * Name von der Redaktion geändert.


MieterEcho 366 / März 2014

Schlüsselbegriffe: landeseigene Wohnungsbaugesellschaft, Gewobag, Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten, Stadtentwicklungssenator Michael Müller, Bötzowstraße, Prenzlauer Berg, Modernisierungskosten, Duldungsklage, Bötzowkiez