Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 365 / Februar 2014

Schlechte Planung, wenig Hilfe

Ohne Wohnungslosenstatistik bleibt die Unterstützung für Betroffene weiter unzureichend

Von Martin Beck                                        

 

Auch in diesem Winter zeigt sich, dass die Kapazitäten der Berliner Kältehilfe nicht ausreichen, um die vielen Wohnungslosen zu versorgen. Zudem ist aktuell mit einem Anstieg der Wohnungslosigkeit zu rechnen. Wie viele Menschen bereits heute betroffen sind, ist völlig unbekannt, denn bislang fehlen die Datengrundlagen.                                 


Um mehr Klarheit zu schaffen, stellte die Fraktion von Bündnis 90/ Die Grünen bereits im vergangenen Sommer im Abgeordnetenhaus einen Antrag zur Einführung einer Wohnungslosenstatistik. Diese soll eine Planungsgrundlage sowohl für die Entwicklung der Beratungs-, Hilfs- und Unterbringungsmöglichkeiten als auch für die Erstellung von Leitlinien für die Wohnungslosenpolitik sein. Solche Leitlinien hat der Senat entgegen anderslautenden Versprechungen bis heute nicht vorgelegt. Zwar werden bereits jetzt verschiedene Statistiken geführt, etwa von den Bezirken für die Unterbringung nach dem Allgemeine Sicherheits- und Ordnungsgesetz (ASOG) sowie von den Jobcentern und von den verschiedenen Trägern und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Dass diese Daten jedoch nicht einmal der Senatsverwaltung zur Verfügung zu stehen scheinen, zeigten verschiedene Kleine Anfragen im Abgeordnetenhaus. Auch wenn eine Datenerhebung aufwendig ist, belegte kürzlich eine Machbarkeitsstudie der Bundesregierung, dass eine solche Statistik nicht nur sinnvoll, sondern auch durchführbar ist. Den Praxisbeweis liefert Nordrhein-Westfalen, wo 2012 bereits zum zweiten Mal eine solche Statistik erstellt wurde, an der verschiedene Institutionen mitwirkten. Die Grundlage bildete ein von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe entwickeltes Dokumentationssystem. Die Statistik ermöglicht, den von Armut betroffenen jungen Menschen gezielter zu helfen und neue Präventionsprojekte sowie sozialpädagogische Betreuungsangebote zu entwickeln.                                

 

Keine Übersicht vorhanden        

Wie in Nordrhein-Westfalen ließe sich in Berlin eine solide Grundlage für sozialpolitisches Handeln schaffen. Stattdessen werden aufgrund schwammiger Schätzungen kleinteilige Nachbesserungen vorgenommen. Dass dies weder erfolgreich noch effizient ist, zeigt die starke Überbelegung und Überlastung der Einrichtungen. So stehen beispielsweise bei der Kältehilfe den über 1.000 Betroffenen nur 433 Schlafplätze zur Verfügung. Außerdem fehlen Lösungen für den Übergang aus der Wohnungslosigkeit – wobei noch nicht einmal klar ist, wie viele Wohnungen zur Verselbständigung von Wohnungslosen überhaupt vorhanden sind. Die finanzielle Ausstattung für betreutes Wohnen ist zu gering und auch die Beratungskapazitäten für die von Wohnungslosigkeit bedrohten und betroffenen Menschen sind dringend auszubauen. Viele Instrumente können überhaupt nicht genutzt werden, weil unklar ist, in welchem Umfang Hilfen nötig sind. Auch müssten die vielfältigen Problemlagen der Betroffenen erfasst werden, um die speziellen Bedürfnisse bestimmter Gruppen adäquat berücksichtigen zu können. So war in den vergangenen Jahren ein Anstieg der Wohnungslosigkeit bei Frauen zu beobachten und auch zugereiste Menschen aus anderen Staaten sind stark betroffen. Selbst psychische Krankheiten konnten bisher kaum in die Hilfsangebote einbezogen werden, weil Daten hierzu fehlten. Diese Mängel verursachen unnötige Kosten und verbauen den Weg für ein wirksames Hilfesystem.        

Angesichts dieser desolaten Situation ist es völlig unverständlich, wieso die Fraktionen der CDU, SPD und Linken dem Antrag nicht zugestimmt haben. Verweise darauf, dass die Daten doch bereits vorlägen, widerlegt die Senatsverwaltung bei jeder Anfrage, indem sie keine verwertbaren Zahlen vorlegen kann. Und die Position der CDU, der Aufwand für eine solche Erhebung sei viel zu hoch, ist nicht nur aus moralischen Gründen fragwürdig, sondern auch völlig unzutreffend, wie die Erfahrung aus Nordrhein-Westfalen zeigt. Nur mit einer soliden Planungsgrundlage ist eine zielgerichtete und erfolgreiche Unterstützung der von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen möglich.  

 

Martin Beck ist Sprecher für Soziales, bürgerschaftliches Engagement und Sportpolitik der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen im Abgeordnetenhaus.

MieterEcho 365 / Februar 2014

Schlüsselbegriffe: Wohnungslosenstatistik, Berliner Kältehilfe, Wohnungslosigkeit, Wohnungslosenpolitik, Wohnungslosenhilfe, Armut, Schlafplätze, Überbelegung, Überlastung, Präventionsprojekte

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