Mieter/innen fragen – wir antworten
Fragen und Antworten zu Hartz IV, BAföG und Wohngeld
Von Rechtsanwalt Marek Schauer
Ich habe meinen Arbeitsplatz nicht mehr und bekomme nun leider nur geringes Arbeitslosengeld I von der Agentur für Arbeit. Als ich noch Lohn hatte, war meine Miete bereits ziemlich hoch und kaum zu bezahlen. Was mache ich, wenn ich mit dem Arbeitslosengeld noch weniger in der Tasche habe?
Hier gibt es praktisch zwei Möglichkeiten, mehr Geld zu bekommen. Entweder können Sie Wohngeld beim Bezirksamt oder aufstockendes Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beim Jobcenter beantragen. Beides hat Vor- und Nachteile. Das Wohngeld ist ein Mietzuschuss grundsätzlich für alle, bei denen das Einkommen nicht für die Miete reicht. Womöglich hätten Sie es schon zu Zeiten des Lohnerhalts beantragen können. Vorhandenes Vermögen wird hier selten angerechnet, es sei denn, Sie haben mehr als 60.000 Euro. Außerdem sind die anerkannten Mieten meist etwas höher als beim Jobcenter. Wer sich einmal durch den Antragsdschungel durchgekämpft hat und Wohngeld erhält, wird vom Bezirksamt auch nicht weiter belästigt. Der Nachteil ist, dass der Heizkostenzuschuss weggefallen ist und man für die Heizung selbst aufkommen muss.
Das Jobcenter dagegen berücksichtigt grundsätzlich die Bruttowarmmiete als Basis der Berechnung des Zuschusses bei Hartz IV. Allerdings sind die vom Jobcenter anerkannten Mieten deutlich jenseits der Berliner Realität. Außerdem muss Vermögen, das den gesetzlichen Freibetrag (die Höhe des Freibetrags ist abhängig vom Lebensalter) übersteigt, aufgebraucht werden, bevor man Hartz IV bekommt. Da können eine langjährig geführte Lebensversicherung oder ein Sparbuch, deren Gelder für etwas anderes geplant waren, schnell fällig werden. Zudem rutscht man bei der Arbeitsvermittlung von der meist besser organisierten Arbeitsförderung der Bundesagentur für Arbeit in das chaotischere und manchmal schikanös anmutende Jobcenter. Das soll keine pauschale Bewertung der Arbeit der Jobcenter sein, ist aber leider die praktische Erfahrung. Vorteilhafter dürfte in vielen Fällen die Beantragung von Wohngeld sein. Das ist manchmal nur gar nicht so leicht, denn Wohngeld erhält nur, wer seinen Lebensunterhalt ausreichend finanzieren kann. Das heißt, Sie müssen über rund 80% des gesetzlichen Existenzminimums verfügen, sonst bekommen Sie in der Regel kein Wohngeld. Dann bleibt Ihnen nur der Gang zum Jobcenter mit den oben genannten Konsequenzen.
Tipp: Mit einem Minijob (unter 15 Stunden pro Woche) können Sie etwas zum Arbeitslosengeld I dazuverdienen. Sie haben hier einen Freibetrag von monatlich 165 Euro. So können Sie vielleicht einen Betrag erreichen, der für das Wohngeldamt reicht.
Ich erhalte „Schüler-BAföG“/ Berufsausbildungsbeihilfe. Wenn ich mir meinen Bescheid ansehe, weiß ich wirklich nicht, wie ich davon meine Miete zahlen soll. Was kann ich tun?
Sie können leider kein Wohngeld beantragen, haben jedoch die Möglichkeit, einen Mietzuschuss beim Jobcenter für Auszubildende nach § 27 SGB II zu beantragen. Der Nachteil ist, dass Sie zunächst vorhandenes Vermögen bis zum gesetzlichen Freibetrag (die Höhe des Freibetrags ist abhängig vom Lebensalter) verbrauchen müssen. Ich rate daher, den Mietzuschuss beim Jobcenter zu beantragen, um die ungedeckten Mietkosten durch Zahlung des Zuschusses aufzufangen.
Tipp: Da die Jobcenter sich mit dem Mietzuschuss erfahrungsgemäß nur sehr mäßig auskennen, sollten Sie eine unserer Sozialberatungen aufsuchen, wenn Sie mit Ihrem Bescheid unzufrieden sind. Die Beratungsstellen finden Sie im Mieter-Echo auf der Serviceseite.
Als Student erhalte ich vom Studentenwerk BAföG. Die Höhe ist wirklich ein schlechter Scherz. Wie soll ich davon die volle Miete bezahlen? Kann ich einen Mietzuschuss vom Jobcenter wie die Auszubildenden bekommen oder vielleicht Wohngeld?
Sie haben völlig recht. Mit 224 Euro Mietanteil im BAföG für Studierende, die nicht bei ihren Eltern wohnen, ist in Berlin allenfalls der Mietanteil innerhalb einer Wohngemeinschaft für eine einfache Wohnung zu bezahlen. Einen Mietzuschuss vom Jobcenter erhalten Sie im Unterschied zu den Beziehenden von „Schüler-BAföG“ jedoch nicht. Fragen Sie bitte nicht, warum. Es ist gesetzlich so geregelt. Helfen kann hier nur ein Job, um das Einkommen aufzubessern. Aber dieser erschwert und verlängert gegebenenfalls das Studium. Helfen könnten auch wohlhabende Großeltern, denn wären Ihre Eltern reich, würden Sie ja kein BAföG erhalten. Wohngeld bekommen Sie als BAföG-Empfänger nicht. Eine Ausnahme ist, wenn Sie BAföG als volles Darlehen erhalten. Dies ist zum Beispiel bei einem Studienabschlusskredit der Fall. In der Regel erhalten Sie hingegen 50% als Zuschuss und 50% als Darlehen, dann bekommen Sie kein Wohngeld. Eine weitere Ausnahme, bei denen Studierende Wohngeld erhalten können, entsteht, wenn der Bezug von BAföG endet, weil die Ausbildung zu oft oder zu spät gewechselt wurde oder zu lange dauert. Der Gesetzgeber sagt dann, dass BAföG „dem Grunde nach“ nicht mehr zusteht. Bei den zwei genannten Fällen können Sie auch als Student Wohngeld erhalten. Dann stehen Sie aber vor dem Problem, dass Sie erst einmal rund 80% des gesetzlichen Existenzminimums selbst erwirtschaften müssen. Wer reiche Eltern, hohes Vermögen oder zu großes Einkommen hat und deswegen kein BAföG erhält, bekommt ebenfalls kein Wohngeld.
Ich beziehe seit Kurzem Hartz IV und das Jobcenter übernimmt die gesamte Miete. Im Vorjahr hatte ich noch Arbeit und habe meine Miete selbst bezahlt. Jetzt bekomme ich ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung, die für das vergangene Jahr erstellt wurde. Das wird mir als Einkommen angerechnet, was ich als einen Skandal empfinde. Schließlich habe doch ich die Miete bezahlt und nicht das Amt. Darf das Jobcenter das?
Die ärgerliche Antwort: Ja. Das Bundessozialgericht hat in diesen Fällen mehrfach entschieden, dass es nicht darauf ankommt, ob man die Betriebskostenvorschüsse selbst gezahlt hat oder ob es das Jobcenter war. Das Guthaben gilt als Einkommen und ist in dem Monat, der auf den Monat folgt, in dem Sie das Geld erhalten haben, auf das ALG II anzurechnen. Anders wäre der Fall, wenn das Jobcenter nur einen Teil der Miete anerkennt, weil es diese als „unangemessen“ einstuft. In dem Fall müssen Sie ja einen Teil der Miete aus eigener Tasche bezahlen. Hier gibt es Urteile, die das Guthaben jedenfalls teilweise dem Mieter belassen wollen und eine volle Anrechnung des Guthabens durch das Jobcenter verbieten. Das ist noch nicht abschließend geklärt. Trifft der Fall auf Sie zu, sollten Sie Widerspruch einlegen, wenn eine volle Anrechnung erfolgt.
Tipp 1: Wenn Sie in dem Monat, in dem das Guthaben angerechnet wird, nicht mehr Hartz IV beziehen, ist keine Anrechnung mehr möglich.
Tipp 2: Auch wenn ein Betriebskostenguthaben vom Jobcenter angerechnet wird, lohnt es sich, die Abrechnung in einer unserer Beratungsstellen prüfen zu lassen. Es kann ja sein, dass ein viel größeres Guthaben herauskommt und Sie dieses weitere Guthaben vom Vermieter erst nach einem Rechtsstreit ausgezahlt bekommen, wenn Sie nicht mehr Hartz IV erhalten. Dann können Sie es behalten.
Was ist, wenn ich ein Betriebskostenguthaben gar nicht ausgezahlt bekomme, weil der Vermieter es mit Mietschulden verrechnet? Darf das Jobcenter das Guthaben dann auch anrechnen?
Nein. Es kommt darauf an, dass Sie über das Guthaben auch verfügen können. Wenn der Vermieter das Guthaben nicht auszahlt, ist es nicht verfügbar. Ganz klar. Allerdings verlangen die Jobcenter und die Gerichte zumeist einen Nachweis, dass Sie sich um die Auszahlung des Guthabens bemüht haben. Eine Bestätigung des Vermieters, dass er bei Mietschulden stets verrechnet und nichts auskehrt, also auszahlt, dürfte als Nachweis ausreichen.
Ich erhalte Hartz IV und muss Betriebskosten nachzahlen. Das Jobcenter muss die Nachzahlung übernehmen, nicht wahr?
Das stimmt zunächst. Zu den Unterkunftskosten zählen auch die Betriebskostenvorschüsse und daher auch mögliche Nachzahlungen. Aber Vorsicht: Wenn Ihre Miete dem Jobcenter sowieso bereits zu teuer ist und hohe Betriebskostennachzahlungen entstehen, kann das Jobcenter auf die Idee kommen, die Nachzahlung abzulehnen oder die vom Vermieter erhöhten Vorschüsse nicht zu zahlen.
Tipp: Es lohnt sich, die Betriebskostenabrechnung in einer unserer Beratungsstellen prüfen zu lassen und, wenn möglich, eine Nachzahlung zu verringern oder sogar ganz abzuwehren. So können Sie auch den Maßnahmen zur Mietsenkung der Jobcenter entgegenwirken.
Als Mitglied der Berliner MieterGemeinschaft weiß ich, dass ich Betriebskostenabrechnungen in einer der Beratungsstellen prüfen lassen kann. Das mache ich schon aus eigenem Interesse. Jetzt kommt aber das Jobcenter und sagt, nachdem ich die Übernahme der Betriebskostennachzahlung beantragt habe, ich solle die Abrechnung von der MieterGemeinschaft prüfen lassen. Das ist doch frech, oder? Absolut. Denn praktisch überträgt Ihnen das Jobcenter seine Aufgaben. Wenn es seinen Haushalt schonen will, sollte es die Prüfung selbst übernehmen. Ich habe bereits mehrmals Mitglieder gebeten, den Mitgliedsbeitrag für die Berliner MieterGemeinschaft beim Jobcenter als Mehrbedarf zu beantragen. Theoretisch wäre das über § 21 Absatz 6 SGB II möglich. Wenn also das Jobcenter Sie dazu auffordert, die Betriebskostenabrechnung durch uns prüfen zu lassen, stellen Sie gleichzeitig einen Antrag auf Mehrbedarf und kommen mit der Entscheidung des Jobcenters in unsere Sozialberatung. Ich bin auf das Ergebnis sehr gespannt.
Wenn ich eine Mieterhöhung nach dem Mietspiegel oder nach einer Modernisierung bekomme und Hartz IV beziehe, was mache ich dann?
Sie gehen natürlich zunächst in eine unserer Beratungsstellen und lassen das prüfen. Es ist nämlich hier wieder das gleiche Problem wie bei den Betriebskostennachzahlungen, wenn man diese vom Jobcenter bezahlen lässt: Wenn die neue Gesamtmiete die Angemessenheitsvorgaben übersteigt, wird möglicherweise nur eine „gedeckelte angemessene“ Miete bezahlt. Dann müssen Sie den Rest der Miete aus Ihrem „Regelsatz“ bezahlen, der ohnehin nicht zum Leben reicht. Jeder erkämpfte Cent kann daher auch Ihrem Geldbeutel zugute kommen.
Das Jobcenter hat mir eine „Kostensenkungsaufforderung“ wegen meiner angeblich zu hohen Miete geschickt. Ich habe jetzt eine Überlegungsfrist und soll in der Zeit meine Miete senken oder umziehen. Was mache ich nun? Verliere ich meine Wohnung?
Zunächst einmal: Das Jobcenter kann Sie nicht zwingen, auszuziehen! Von Zwangsumzügen der Jobcenter zu reden ist trotzdem völlig richtig. Denn, wenn Sie nach der Überlegungsfrist nicht mehr die volle Miete vom Jobcenter bekommen, müssen Sie von dem Geld, das ohnehin nicht zum Leben reicht, die Restmiete bezahlen. Das läuft praktisch auf Mietschulden und Räumung oder den aus der Not geborenen „freiwilligen“ Umzug in eine billigere Wohnung hinaus. Wenn Sie jedoch nur kurze Zeit im Hartz-IV-Bezug waren oder in absehbarer Zeit nicht mehr darauf angewiesen sind oder gar ein im Freibetrag befindliches Vermögen haben oder sich aus dem Regelsatz mit viel Mühe etwas absparen können, dann können Sie die Mietdifferenz womöglich selbst aufbringen und in der Wohnung bleiben.
Ansonsten empfiehlt sich Folgendes: Zunächst lassen Sie in der Sozialberatung prüfen, ob die Miete wirklich zu hoch ist. Es gibt nämlich in Berlin erhebliche Probleme, das genau zu bestimmen. Als Regelung gibt es die sogenannte Wohnungsaufwendungsverordnung (WAV). Danach richten sich die Jobcenter. Die Berliner Richter am Sozialgericht richten sich aber nicht zwingend danach. Das klingt verrückt, ist es auch und macht die Beratung unglaublich schwierig. Allerdings können Sie die so verschieden beantwortete Frage, bis zu welchem Betrag die Miete angemessen ist, im Einzelfall zum Vorteil nutzen und müssen nicht die Wohnkosten senken. Hier ist taktisches Verständnis und Vorgehen gefragt.
Tipp 1: Die Angemessenheitswerte bei den Mieten nach der WAV sollen bestimmte individuelle Gründe mit einer 10%igen Angemessenheitserhöhung berücksichtigen. Folgende Personen können dann eine um 10% höhere Miete beanspruchen: Alleinerziehende, Schwangere, über 60-Jährige, Personen mit besonderen sozialen Bezügen (Schulweg, Kita) und Personen, die absehbar aus dem Hartz-IV-Bezug herauskommen.
Tipp 2: Wenn Sie Widerspruch einlegen wollen, ist dieser nicht gegen die Kostensenkungsaufforderung selbst zu richten, sondern gegen den Bescheid, der die Mietsenkung festlegt.
Wenn ich während oder am Ende des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen durchführen muss, kann ich die Aufwendungen dafür vom Jobcenter beantragen?
Ja. Das Bundessozialgericht sagt, dass Aufwendungen für Schönheitsreparaturen Kosten der Unterkunft und damit zu erstatten sind. Aber Vorsicht: Wenn die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam ist, Sie sich leichtsinnerweise nicht haben beraten lassen und dann auch noch alles gemalert haben, kommen die Jobcenter auf finstere Gedanken: Sie geben dem Antrag auf Übernahme der Aufwendungen nicht statt, weil die Klausel unwirksam war. Doch hätten juristische Laien das erkennen können? Hätte das Jobcenter, dem der Mietvertrag schließlich vorliegt, den Kunden zu diesem Problem beraten müssen? Alles Fragen, die gerichtlich noch nicht abschließend geklärt sind. Meiner Ansicht nach dürfte der Ersatz der Aufwendungen für Schönheitsreparaturen allenfalls dann ausscheiden, wenn Sie diese durchführen, obwohl Sie genau wissen, dass Sie dazu nicht verpflichtet sind. Aber wie gesagt: Das ist rechtlich noch nicht geklärt. Daher sollten Sie sich frühzeitig beraten lassen und auch unbedingt die Schönheitsreparaturklausel(n) in einer unserer Beratungsstellen prüfen lassen.
Der Rechtsanwalt (und Fachanwalt für Sozialrecht) Marek Schauer berät in den Beratungsstellen Steglitz/Osdorfer Straße, Prenzlauer Berg/Esmarchtraße und Neukölln/ Sonnenallee. |
MieterEcho 366 / März 2014
Schlüsselbegriffe: Hartz IV, BAföG, Wohngeld, Arbeitslosengeld I, Wohngeld, Jobcenter, Betriebskosten, Betriebskostenguthaben, Mieterhöhung, Modernisierung, Kostensenkungsaufforderung, Wohnungsaufwendungsverordnung, Angemessenheitserhöhung, Schönheitsreparaturen