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MieterEcho 367 / Mai 2014

Grünflächen als Luxusware

Bei den neuen hochpreisigen Wohnblöcken im Friedrichshainer Südkiez wird die Nachbarschaft die Grünflächen in den Blockinnenbereichen nicht nutzen dürfen

Von Benedict Ugarte Chacón                                

Eine vorhandene Freifläche soll verschwinden, ein Baumbestand ist gefährdet und auch auf die ansässigen Clubs kommen wohl schwierige Zeiten zu. Das Areal zwischen Ostkreuz und Niemannstraße wird von Baugruppen und Investoren entwickelt und die im Blockinnenbereich gelegenen Grünflächen werden lediglich den künftigen Wohnungseigentümern zugänglich sein. Für den Kiez, der ohnehin unter dem Mangel an öffentlichen Grünflächen leidet, ist diese Entwicklung nicht unbedingt vorteilhaft.                             

 

Das gesamte Areal wird seit einigen Jahren von verschiedenen privaten Investorengruppen entwickelt. Zum einen hat sich die Varenta GmbH, die schon einige Projekte in Friedrichshain umgesetzt hat, einen Block zwischen Helmerding- und Döringstraße gesichert und bebaut diesen seit einigen Jahren. Künftig soll die „Revaler Spitze“ aus insgesamt sieben Neubauten bestehen. Bereits im Herbst 2011 begann die Varenta mit der Vermarktung der Wohnungen in den ersten beiden Häusern (MieterEcho 351/Dezember 2011). Mittlerweile können auch in den restlichen fünf Häusern „Cityapartments“, „Gartenwohnungen“, „Familienwohnungen“ oder Penthouses erworben werden. Der Quadratmeterpreis liegt zwischen 3.000 und 5.000 Euro. Bis Ende 2015 soll das Projekt komplett fertig gestellt sein. Einige Privatgärten gehören ebenso dazu wie ein großer „Hofgarten“. Letzterer ist allerdings im Gegensatz zum nahe gelegenen Helenenhof nicht öffentlich zugänglich. Die drastische Mietentwicklung der letzten Jahre in der Innenstadt nutzt die Varenta unverhohlen zur Werbung für ihre Kapitalanleger. „Neben den Stadtteilen Mitte und Prenzlauer Berg weist der Wohnungsmarktreport 2014 auch in Berlin Friedrichshain Höchstmieten auf“, heißt es auf ihrer Homepage. „Die Mietentwicklung bestätigt die sehr positiven Investitionsmöglichkeiten in Friedrichshainer Immobilien. Ob nun als Eigenbedarf oder als reine Kapitalanlage, der Wert der Wohnimmobilien im aufstrebenden Friedrichshain wird voraussichtlich die nächsten Jahre weiter steigen und eignet sich daher besonders gut als sichere Kapitalanlage.“    

                        

Freiräume für die Eigentümer        

Die das Projekt „Revaler Spitze“ begrenzende Döringstraße soll in den nächsten Monaten zur möglichst autofreien Wohnstraße umgebaut werden und sich dabei an der Friedrichshainer Knorrpromenade orientieren. „Gut möglich, dass sich die Döringstraße zum wahren Herz der Revaler Spitze entwickelt, wenn der gegenüberliegende Block, wie zu erwarten, ebenfalls zu einer gelungeneren Bebauung gelangt“, meint die Varenta. Besagter Block liegt ebenfalls zwischen der Revaler- und der Simplonstraße und wird westlich von der Haasestraße begrenzt. Eine freie Fläche des Blocks wurde bis vor Kurzem als Hundeauslaufplatz genutzt, weiterhin findet sich hier der bekannte Club Lovelite. Laut einer Vorlage des Bezirksamts vom 15. November 2013 hat die „ARGE Haase- und Döringstraße GbR“ im Dezember 2012 ein Bebauungsplanverfahren beantragt. Errichtet werden sollen rund 125 Wohnungen durch sogenannte Baugruppen, eine Kindertagesstätte sowie eine Tiefgarage. Als Projektsteuerer fungiert hier die pro.b Kühne und Stahl Gesellschaft für Projektsteuerung und Beratung von Baugemeinschaften mbH & Co. KG, die ihren Sitz in der Simplonstraße hat. Das Büro hat bereits zwei Baugruppen-Projekte im Kiez umgesetzt. Das erste war ein großer Wohnblock zwischen Helmerding- und Matkowskystraße, bestehend aus drei Neubauten mit 28 Wohnungen und zwei Gewerbeeinheiten. Daran anschließend entstanden auf demselben Grundstück weitere zwei Neubauten mit 26 Wohnungen und einer Gewerbeeinheit. Für den Bereich zwischen Revaler-, Haase- und Simplonstraße geben die Projektsteuerer an, ihre Baugemeinschaft wolle fünf „moderne Neubauten“ errichten. Das Büro will demnächst Ansichten und Grundrisse sowie genauere Informationen hierzu veröffentlichen. Durch die Zusammenlegung der Innenhöfe aller Neubauten ergebe sich für die neuen Bewohner ein „großzügiger Innenhof, der durch eine vielfältige Begrünung Freiraum zur Erholung bietet“. Ähnlich bewarb das Büro auch seine bereits vorhandenen Projekte: Von großzügigen Innenhöfen mit parkähnlicher Begrünung und Freiräumen zur Erholung ist in der jeweiligen Werbung zu lesen.  

 

Bezirksamt gegen BVV        

Im Zusammenhang mit dem Vorhaben der Baugruppen an der Haasestraße hatte die Fraktion der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im Mai des letzten Jahres beantragt, das Bezirksamt möge beauftragt werden, bei der Aufstellung eines Bebauungsplans für das Gebiet „einen hohen Anteil an öffentlichen Grünflächen sowie an Gewerbe- und Kulturnutzung auszuweisen“. Damit solle die „bunte Mischung“ aus kleinteiligen Gewerbeeinrichtungen, Wohnungen und Clubs entlang der Revaler Straße erhalten bleiben. In der Antragsbegründung wurde darauf verwiesen, dass sich Konflikte um Clublärm durch den Neubau von Wohnungen in der Nähe bestehender Clubs (Lovelite, Rosi’s und R19) verschärfen würden. Die Piratenfraktion in der BVV beantragte, dem Bezirksamt den Auftrag zu erteilen, vorhandene kulturelle Einrichtungen und Gewerbe zu sichern. Beide Anträge wurden von der BVV beschlossen. Das Bezirksamt teilte den Verordneten daraufhin mit, dass öffentliche Grünflächen lediglich auf landeseigenen Grundstücken realisiert werden könnten. Sollten solche nicht zur Verfügung stehen, müssten private Flächen vom Bezirk angekauft werden. In einer weiteren Vorlage des Bezirksamts heißt es hierzu: „Die Festsetzung von öffentlichen Grünflächen ist zur Zeit nicht finanzierbar und daher auch rechtlich nicht möglich.“ In der Antwort auf eine umfangreiche Anfrage der BVV-Piraten vom 4. März dieses Jahres vertritt das Bezirksamt zudem die Auffassung, dass schon seit Jahren feststehe, dass die ursprüngliche Idee, auf dem Areal eine große Parkanlage zu schaffen, „nicht realistisch und nicht umsetzbar“ sei. Interessant beim Agieren des Bezirksamts ist, dass es sich mit seiner Haltung auch gegen die Grünen als größte BVV-Fraktion stellt. Die Piraten wiederum kritisieren das Bezirksamt scharf. Dieses sei nicht nur unwillig, die Beschlüsse der BVV umzusetzen, sondern nehme auch noch hin, dass „der Eigentümer durch Einzelbauanträge das Planungsbedürfnis des Bezirks (...) unterläuft – obwohl der Bezirk rechtliche Mittel hätte, das zu stoppen“. Die ARGE Haase- und Döringstraße würde durch das Vorgehen des Bezirksamts begünstigt. Dessen Ausführungen zum Thema folgten „eher der Logik eines Investoren-Gegengutachtens zur Durchsetzung egoistischer Profitinteressen als der eines ‚grünen Bezirks’“.        


MieterEcho 367 / Mai 2014

Schlüsselbegriffe: Friedrichshain, Südkiez, Grünflächen, Ostkreuz, Niemannstraße, Baugruppen, Investoren, Varenta GmbH, Helenenhof, Revaler Spitze, ARGE Haase- und Döringstraße, Neubau