Goodbye Wowi
Die Amtszeit des Regierenden Bürgermeisters endet, wie sie anfing,
mit riesigem Skandal und ungelösten Problemen
Von Benedict Ugarte Chacón
„Nach der schweren Krise der Bankgesellschaft Berlin, der Finanzkrise des Landes und der Spendenaffäre geht es jetzt darum, das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen. (...) Wir brauchen einen Mentalitätswechsel der Politik in Berlin.“ Mit diesen Worten begann Klaus Wowereit (SPD) seine Regierungserklärung als frisch installierter Regierender Bürgermeister am 28. Juni 2001. Zuvor waren Gerüchte aufgekommen, dass der damalige SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder seit Längerem daran arbeite, die Koalition mit der CDU, in der die SPD der kleinere Partner war, zu beenden. Vor dem Hintergrund des damals hochkochenden Skandals um die Bankgesellschaft mit ihren Immobilienfondsgeschäften und der Spendenaffäre um den damaligen CDU-Fraktionschef und Vorsitzenden der BerlinHyp Klaus-Rüdiger Landowsky ergab sich für die SPD hierzu nun eine mehr als günstige Gelegenheit.
Die SPD war für den Bankenskandal zwar nicht weniger verantwortlich als die CDU, aber Strieder und Wowereit als damaliger SPD-Fraktionsvorsitzender verstanden es, Bankenskandal, Spendenaffäre und die allgemein miese Haushaltslage Berlins in einer monatelangen Inszenierung allein der CDU anzulasten. Im Juni 2001 stürzte Wowereit gemeinsam mit Bündnis 90/Die Grünen und PDS schließlich Eberhard Diepgen als Regierenden Bürgermeister und wurde dessen Nachfolger. Dabei inszenierte er sich als junge und frische Alternative, die den alten West-Berliner Mief aus Politik und Stadt vertreiben könnte. Doch schon der damit proklamierte „Mentalitätswechsel“ war schlichtes Blendwerk. Immerhin hatte Wowereit als Abgeordneter die Privatisierungswelle der 90er Jahre, der die landeseigenen Betriebe Bewag, Gasag und die Hälfte der Wasserbetriebe zum Opfer fielen, mitgetragen und zum Teil mitorganisiert. Diese Politik setzte er auch in den Jahren als Regierender Bürgermeister fort. Etwas wirklich Neuartiges war 2002 die Bildung einer Regierung unter Beteiligung der damaligen PDS, in der die CDU und die Springerpresse den Untergang des Abendlands anbrechen sahen. Dieser Tabubruch stellte sich im Nachhinein als Glücksgriff dar, denn mit dieser Koalition konnte über Jahre hinweg eine Politik der Haushaltskonsolidierung und Privatisierung verfolgt werden.
„Sparen, bis es quietscht“
Erster Ausfluss dieser Politik war die bedingungslose Rettung der schwer angeschlagenen Bankgesellschaft auf Kosten des Landes. Zunächst wurden ihr 1,8 Milliarden Euro neues Kapital zugeführt und anschließend die Risiken ihrer Immobilienfonds in einer Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro abgeschirmt. In den 90er Jahren hatte die Bank den Fondszeichnern weitreichende Garantien gegeben, für diese stand nun die öffentliche Hand gerade. Im Jahr 2006 wurde das Fondsgeschäft in Gestalt der Berliner Immobilien Holding (BIH) aus dem Konzern herausgelöst und für einen symbolischen Euro auf das Land übertragen. Danach befand sich Berlin im Besitz einer Unmenge an unsanierten Plattenbauten, Autohöfen, Seniorenheimen und Multiplexkinos, die über die ganze Republik verteilt waren. Die BIH firmiert heute unter dem Namen Berlinovo. Die Bankenrettung auf Kosten der Allgemeinheit ging einher mit der von Wowereit und dem von ihm als Finanzsenator eingesetzten Thilo Sarrazin (SPD) proklamierten Sparpolitik, mit welcher der unter der großen Koalition ruinierte Landeshaushalt konsolidiert werden sollte. Im Zuge von Wowereits Ankündigung, im Dezember dieses Jahres sein Amt niederzulegen, lobte ihn der Tagesspiegel, dass er mit Sarrazin jemanden in den Senat geholt hätte, der „den Berlinern das Sparen und das Rechnen beibrachte“. Die Konsolidierungspolitik von Wowereit und Sarrazin bestand allerdings zum großen Teil darin, einerseits Kürzungen in den Bereichen Bildung und Soziales vorzunehmen und andererseits den Privatisierungskurs der Vorgängerregierung fortzusetzen. Hier ist zum Beispiel der Verkauf der Berliner Sparkasse 2007 einzuordnen. Nachdem die EU-Kommission die finanziellen Beihilfen des Landes für die Bankgesellschaft geprüft hatte, erließ sie eine Auflage, nach der sich das Land von seinen Anteilen am Konzern zu trennen habe. Das Problem: Die Sparkasse war zu dieser Zeit dessen einzig wirklich werthaltiger Teil, ohne den der Rest keinen nennenswerten Erlös erbracht hätte. Deshalb änderte Rot-Rot das Sparkassengesetz, damit ein Verkauf der öffentlich-rechtlichen Sparkasse auch an einen privaten Investor möglich wurde. Das Berliner Sparkassengesetz gilt seitdem als Beispiel dafür, wie klamme Kommunen ihre Sparkasse unter Beibehaltung dieser eigentlich geschützten Bezeichnung privatisieren können. Wowereits Senat hat mit diesem Manöver die Drei-Säulen-Struktur des deutschen Bankenwesens (öffentlich-rechtliche Banken, Genossenschaftsbanken und Privatbanken) gefährdet.
Wohnungsprivatisierung en gros
Einer der größten wohnungspolitischen Fehler unter Wowereits Ägide war wohl die Privatisierung der Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) im Jahr 2004. Insgesamt wurden 65.700 Wohnungen und Gewerbeeinheiten für 405 Millionen Euro an ein Konsortium bestehend aus dem Whitehall-Fonds der Investmentbank Goldman Sachs und dem Finanzinvestor Cerberus verkauft. Im Zuge des Verkaufs behauptete der Senat zwar, dass die neuen Eigentümer an den ursprünglichen sozial- und wohnungspolitischen Zielen der GSW festhalten würden, aber wirksame Kontroll- und Sanktionsinstrumente zur Sicherung der Umsetzung dieser angeblichen Ziele wurden nicht vereinbart. Eigentlich sollten die Investoren ihre GSW-Anteile nach dem Verkauf für zehn Jahre behalten – falls nicht das Land einer Weiterveräußerung zustimmen würde. Mit den Stimmen von SPD, Die Linke und FDP wurde im April 2010 der spätere Börsengang der GSW durch das Abgeordnetenhaus möglich gemacht. Wowereit ist demnach dafür mitverantwortlich, dass Tausende vormals landeseigene Wohnungen zu Spekulationsobjekten verkamen, was die schwierige Lage des Berliner Wohnungsmarkts weiter verschärfte. Überhaupt war Wohnungspolitik in Wowereits gesamter Amtszeit nie eine seiner Prioritäten. Anders lässt sich nicht erklären, dass die von ihm eingesetzte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) die sich deutlich anbahnenden Probleme in diesem Bereich jahrelang unwidersprochen leugnen konnte. Zu den wenigen wohnungspolitischen Anstrengungen, zu der sich der aktuelle Wowereit-Senat unter Beteiligung der CDU letztlich durchringen konnte, gehört die Vereinbarung eines „Mietenbündnisses“ zwischen dem Land und seinen Wohnungsbaugesellschaften, womit eine Vergrößerung der landeseigenen Wohnungsbestände als Ziel formuliert wurde, und dass Mieterhöhungen der Wohnungsbaugesellschaften nicht ganz so hoch ausfallen sollen wie auf dem freien Markt. Gekrönt wird Wowereits Abgang nun mit dem Debakel um den Flughafen BER. Die Geschichte des BER reicht wiederum bis tief in die 90er Jahre zurück und ist seitdem immer wieder Stoff für Skandale. Seit 2003 sitzt Wowereit im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft, seit 2006 ist er dessen Vorsitzender. Er ist damit bereits rein formal einer der Hauptverantwortlichen dafür, dass der Flughafen am falschen Standort hochgezogen wurde, dass scheinbar völlig unkontrolliert ins Blaue gebaut wurde und der Landeshaushalt nicht nur mit der Rettung dieses Projekts belastet wird, sondern in den kommenden Jahren und Jahrzehnten Zuschüsse für einen unwirtschaftlichen BER beisteuern muss.
Was bleibt?
Die Probleme der bei der Berlinovo verkappten Fondsimmobilien der Bankgesellschaft sind nach wie vor nicht gelöst. Ein Verkauf des Unternehmens scheiterte bisher mehrmals, wohl auch, weil die Immobilien überschuldet sind. Die Landesgarantie für die Immobilienrisiken gilt nach wie vor. Wann der BER in Betrieb genommen werden kann, ist auch zweieinhalb Jahre nach der Verschiebung des ursprünglichen Termins völlig unklar. Von den im Wahlkampf 2011 großspurig angekündigten wohnungspolitischen Maßnahmen wurde bislang wenig realisiert, obwohl sich die Engpässe bei der Wohnraumversorgung weiterhin drastisch verschärfen. Angekündigte Großprojekte wie der Neubau der Zentral- und Landesbibliothek und die Sanierung des ICC werden in der altbekannten Berliner Mischung aus Großsprecherei und Konzeptlosigkeit zerrieben. Die Bilanz von Wowereit ist irgendwo am unteren Mittelmaß anzusiedeln. Typisch Berlin eben.
MieterEcho 370 / Oktober 2014
Schlüsselbegriffe: Regierender Bürgermeister, Klaus Wowereit, Bankgesellschaft Berlin, Immobilienfondsgeschäfte, Spendenaffäre, Bankenskandal, Privatisierungswelle, Berlinovo, Bankenrettung, Wohnungsprivatisierung, BER