„Alte als Kollateralschaden der Gentrifizierung?“
In einem Seniorenwohnhaus am Hansa-Ufer drohen Mieterhöhungen bis zu 60%
Von Susanne Torka
Unter die Überschrift „Alte als Kollateralschaden der Gentrifizierung?“ stellte die „SeniorInnenvertretung Mitte“ ihre Pressemitteilung, mit der sie Alarm schlugen: 50 Senior/innen droht die Vertreibung, wenn der Vermieter mit seinen Modernisierungsplänen und den angekündigten Mieterhöhungen durchkommt. Bis zu 60% sollen die Mieten steigen, wenn am Hansa-Ufer 5 die Fassaden wärmegedämmt, neue Fenster eingebaut und die Laubengänge geschlossen werden. Außerdem soll das Haus aufgestockt und an der Tile-Wardenberg-Straße ein Neubau angebaut werden.
Das Haus wurde 1975 als städtisches Seniorenwohnhaus mit Gemeinschaftseinrichtungen im Erdgeschoss errichtet. Jahrzehntelang mussten Mietinteressenten einen Rentenbescheid vorlegen. 2007 wurde die schon damals instandsetzungsbedürftige Immobilie zusammen mit zwei weiteren Seniorenwohnhäusern vom Land Berlin an das schwedische Immobilienunternehmen Akelius verkauft, nicht ohne die Senior/innen zu beruhigen, ihre Wohnungen seien auch in Zukunft sicher. In seinen „Informationen vom Liegenschaftsfonds Berlin rund um den Immobilienmarkt“ vom September 2007 hatte der Liegenschaftsfonds den Verkauf dieser Seniorenwohnheime als Erfolg gewertet und stolz die höheren Erlöse erklärt: „Ein untrügliches Zeichen für attraktive Immobilienangebote, mit denen entsprechend hohe und manchmal sogar spekulative Preise erzielt werden. So sicherte sich jüngst die schwedische Akelius GmbH drei ehemalige Seniorenhäuser in Berlin Tiergarten. Das Ergebnis lag deutlich über den Erwartungen, da der Wettbewerb um die Renditeobjekte besonders stark war.“
Senior/innen wollen nicht umziehen
Wie sich vor Kurzem herausstellte, wurden keine Auflagen vertraglich vereinbart. Das sei nicht anders möglich gewesen, weil noch ein hohes Darlehen auf dem Haus lag, erklärte der Sozialstadtrat des Bezirks Stephan von Dassel (B90/Grüne) in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte (BVV). Auf Kosten von Senior/innen entledigt sich das Land Berlin seiner Schulden. Kurz vor Ostern hatten die 66 Mieter/innen, darunter 50 ältere, eine Modernisierungsankündigung erhalten. Der Schock sitzt tief. Fünf Mieter/innen sind schon über 90 Jahre alt, 15 zwischen 80 und 90. Viele wohnen bereits 20 Jahre dort und länger. Doch sie wollen nicht so einfach aufgeben, auch wenn einige resigniert und empört einen Umzug ins Pflegeheim ins Auge fassen. Die meisten haben sich zusammengetan, wollen für ihre Interessen eintreten und die mietrechtlichen Möglichkeiten wie Härtefallregelungen ausschöpfen. Dabei werden sie von der SeniorInnenvertretung Mitte unterstützt. Eine Versammlung mit einer Rechtsanwältin wurde organisiert und Briefe formuliert. Eine große Gruppe besuchte die BVV, um die Antworten auf die Bürgeranfrage einer Bewohnerin zu hören. Doch viel mehr als Bedauern gab es nicht und die Zusage, dass für die Empfänger/innen von Grundsicherung die Mieten bezahlt werden. Christa Kaes, 83 Jahre, hat sich darüber hinaus an den Runden Tisch gegen Gentrifizierung in Moabit gewandt. Gemeinsam wurden am 31. Mai auf der Turmstraße Flugblätter verteilt und viele Gespräche geführt. Ein weiteres Ergebnis der Zusammenarbeit war das Straßenfest am 6. Juli.
Weitere Informationen:
www.moabitonline.de/20454
MieterEcho 368 / Juli 2014
Schlüsselbegriffe: Seniorenwohnhaus, Hansa-Ufer 5, Akelius, Mieterhöhungen, Modernisierungspläne, Liegenschaftsfonds, SeniorInnenvertretung Mitte, Gentrifizierung, Moabit