Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 358 / Februar 2013

Steuerpolitik, Umverteilung und die Verschuldung Berlins

Ohne die fatalen Steuerreformen hätte Berlin heute fast 40% weniger Schulden und rund 2,5 Milliarden Euro mehr zur Verfügung

Berlin ist pleite, hat Schulden, muss sparen – keine Diskussion. So in etwa lautet seit Jahren das – wie soll man sagen – „beste Argument“ der Politik, wenn es darum geht, sich um Verantwortung für öffentliche Aufgaben zu drücken. Ganz unlogisch ist der Gedanke nicht, denn das Land hat tatsächlich einen Haufen Schulden und wenig Geld in der Tasche. Was aber nicht etwa daran liegt, dass zu viel ausgegeben wurde. Nein, es kommt zu wenig rein. Und das hat seine Gründe: Bereits vor gut zwei Jahren bescheinigten an dieser Stelle Ökonomen und Gewerkschafter dem Staat eine Einnahmepolitik auf „Steuerparadies-Niveau“, die als wahrer Grund für den öffentlichen Sparzwang gesehen werden kann (MieterEcho Nr. 345/ Januar 2011). Im Fokus der Betrachtung standen dabei die rot-grünen Steuerreformen, die zu einer Entlastung von Besserverdienenden und Unternehmen führten und beträchtlich zur Leerung der öffentlichen Kassen beitrugen. Die schwarz-gelbe Regierung führte diesen Wahnsinn fort. Mit der Einführung neoliberaler Sparinstrumente wie der „Schuldenbremse“ verschärfte sie ihn sogar noch (siehe Interview Seite 8). Der Druck auf die öffentlichen Kassen wird dadurch abermals erhöht und die Erbringung selbst elementarer öffentlicher Leistungen noch stärker infrage gestellt. Dabei ist diese Gesellschaft keineswegs zu arm: Gleich mehrere aktuelle Studien zeigen eine enorme und immer ungleicher konzentrierte Zunahme des Reichtums in privater Hand (siehe Seite 10). Das ist die Kehrseite von Sparwut und Steuersenkungen. Grund genug also, sich abermals dem Thema der Haushalts- und Steuerpolitik zu widmen. Ein in der öffentlichen Debatte viel zu wenig beachteter Aspekt soll hier ins Licht gerückt werden: Nämlich die konkreten Auswirkungen dieser Politik auf den Berliner Haushalt. Diese hat der Finanzwissenschaftler Birger Scholz in einer umfangreichen Modellrechnung exklusiv für das MieterEcho dargestellt. Mit Blick auf die jüngere Geschichte der Steuerpolitik zeigt er detailliert, wie Schulden und Zinslast Berlins durch die Steuerausfälle enorm zugenommen haben – und liefert damit Zahlen, die für sich sprechen. 

 

Birger Scholz

 

Von 1991 bis 2011 stiegen die Schulden Berlins von 11 auf 63 Milliarden Euro. Die Schuldenlastquote – also das Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftsleistung – erhöhte sich in diesem Zeitraum von 17,1 auf 62,1%. Dieser enorme Anstieg der Verschuldung hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen wurden die Unterstützungszahlungen des Bundes an Berlin nach der Wende über Nacht gekappt. Modellrechnungen zeigen, dass die Verschuldung der Hauptstadt bis 2002 nur gering gestiegen und unter Umständen sogar gesunken wäre, wenn die Bundeshilfen langsamer abgebaut worden wären (MieterEcho Nr. 346/ März 2011). Zum anderen vollzog die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) von 1998 bis 2002 einen radikalen steuerpolitischen Kurswechsel, der zu enormen Steuerausfällen führte und auch von den nachfolgenden Bundesregierungen nicht korrigiert wurde. Die saldierten Mindereinnahmen für das Land Berlin, die aus der Steuerpolitik des Bundes seit 1998 resultieren, sind in Grafik 1 zusammengefasst. Im Jahr 2012 betragen die gesamten Steuerausfälle 1,85 Milliarden Euro. Auf die Steuerrechtsänderungen der ersten Schröder-Regierung entfallen hiervon 1,7 Milliarden Euro. Die gesamten Mindereinnahmen Berlins von 2000 bis 2012 summieren sich auf 15,5 Milliarden Euro, wovon 14,6 Milliarden auf die Kappe der ersten rot-grünen Regierung gehen.

Steuerpolitischer Kurswechsel von Rot-Grün

Aber wie sahen die Maßnahmen konkret aus, die solch enorme Löcher in die Landeskasse rissen? Zentral war die Steuerreform im Jahr 2000, die vom damaligen Finanzminister Hans Eichel (SPD) als „größte Steuerreform aller Zeiten“ glorifiziert wurde. Sie betraf vor allem die Einkommen- und die Körperschaftsteuer. Bei der Einkommensteuer wurde der Steuertarif auf breiter Front so gesenkt, dass die prozentuale Steuerersparnis bei unterschiedlichen Einkommenshöhen kaum variiert. Die Bundesregierung suggerierte so eine verteilungsneutrale Reform, obwohl Spitzenverdiener/innen durch die schrittweise Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42% in absoluten Größen gerechnet mindestens viermal so stark entlastet wurden wie Normalverdiener/innen. Die Progressionswirkung des Steuertarifs wurde reduziert und die Ungleichheit der Nettoeinkommen erhöht. Nach Meinung des Finanzwissenschaftlers Giacomo Corneo von der Freien Universität Berlin löste die Steuerreform daher „einen regressiven Effekt aus, der durch etliche Maßnahmen zur Erweiterung der Bemessungsgrundlage nicht aufgefangen werden kann“. Ein Einkommensmillionär konnte sich so über eine Ersparnis von 50.000 Euro freuen, während eine Familie mit zwei Kindern und einem Durchschnittseinkommen lediglich 2.440 Euro Steuern im Jahr sparte. Und nicht vergessen werden darf, dass durch die Senkung des Spitzensteuersatzes in erheblichem Maß die Eigentümer von Personengesellschaften steuerlich entlastet wurden.

 

Haushaltslöcher durch Steuerreform

Bei der Körperschaftsteuer wiederum wurde nicht nur der Steuersatz auf einheitliche 25% gesenkt, während er vorher für ausgeschüttete Gewinne 30% und für einbehaltene Gewinne 40% betrug. Darüber hinaus entstanden diverse neue Steuerschlupflöcher. Sie betrafen beispielsweise die pauschale Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer oder die frisch eingeführte Verrechnung der Gewinne und Verluste untereinander verflochtener Lebens- und Sachversicherungen. Als durchsickerte, dass Veräußerungsgewinne bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften steuerfrei gestellt werden, sorgte das für ein Kursfeuerwerk an den Börsen. Infolge dieser Politik brach das Aufkommen der Körperschaftsteuer von 23,6 Milliarden Euro im Jahr 2000 auf minus 400 Millionen Euro im Jahr 2001 ein. Während sich die Gewinne und Ausschüttungen bis 2005 um knapp 27% erhöhten, sanken die Einnahmen der Körperschaftsteuer um über 30%. Der Anteil der Körperschaftsteuer an den Gewinnen sowie Gewinnentnahmen und Ausschüttungen sank von 14,7% im Jahr 2000 auf 8,1% im Jahr 2005. Auch die Gewerbesteuer brach in den Folgejahren ein, da die konzerninterne Gewinnverrechnung stark erleichtert wurde. Wie stark der neoliberale Zeitgeist war, zeigt die Vorgeschichte dieser „Reform“: Kurz nach dem Wahlsieg berief der neue SPD-Finanzminister Oskar Lafontaine eine Kommission ein, mit dem Ziel alle Unternehmenseinkünfte fortan mit höchstens 35% zu besteuern.

Neoliberales Mantra Wettbewerbsfähigkeit

Die Bundesregierung begründete die Steuerreform im Jahr 2000 mit einer vermeintlich nötigen „Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und einer nachhaltigen Förderung von Wachstum und Beschäftigung“. Über zehn Jahre später, nach dem globalen Desaster des Neoliberalismus, hat diese Ideologie stark an Charme verloren. Kritische Ökonomen hatten schon damals argumentiert, dass solche Steuersenkungen das Wachstum kaum fördern und lediglich zu langfristigen Mindereinnahmen für den öffentlichen Sektor führen würden. Diese kritische Sicht hat sich bestätigt: Obwohl die Gewinne und Ausschüttungen explodierten, sanken die Unternehmensinvestitionen. Beschäftigungseffekte waren nicht nachweisbar. Hier ist auch der Zusammenhang von Einkommensumverteilung und Wachstumsschwäche relevant: Die seit Jahren schwache Binnennachfrage lässt sich mit der zunehmenden Einkommensungleichheit und einem damit einhergehenden größeren Anteil der vermögenden Haushalte an der Ersparnisbildung erklären. Diese Ersparnisse werden weder real konsumiert noch fließen sie auf dem Weg von Investitionen in den Wirtschaftskreislauf zurück. Vielmehr wandern sie oftmals als Kapitalexport ins Ausland und erhöhen die deutschen Leistungsbilanzüberschüsse. Bereits deshalb wäre es sinnvoll, dass Steuererhöhungen idealerweise Vermögende und Besserverdienende treffen sollten, also Personen mit geringen Konsum- und hohen Sparquoten.


Den Berechnungen der Steuermindereinnahmen liegen Schätzungen des Bundesfinanzministeriums zugrunde. Bei Fortschreibungen wurden Mindereinnahmen im Zweifelsfall geringer ausgewiesen als Mehreinnahmen. Bei der Zinsberechnung wurden Daten des NRW-Finanzministeriums und der Bundesbank genutzt und so für jedes Jahr eine durchschnittliche Zinshöhe der Neuverschuldung modelliert. Es wird unterstellt, dass die durchschnittliche Laufzeit der Anleihen 7 Jahre beträgt und sich Berlin zu vergleichbaren Konditionen wie NRW refinanziert. Der Zins schwankt zwischen 5,59% (2000) und 2,5% (2012). Die Vermögenssteuer wird bestimmt, indem das bundesweite Aufkommen des Jahres 1996 mit der Wachstumsrate der privaten Nettovermögen fortgeschrieben wird. Der Anteil Berlins am Aufkommen der Vermögenssteuer wird auf 3,3% festgesetzt (Durchschnitt von 1981 bis 1996). Die Umverteilungswirkungen des Länderfinanzausgleichs werden hierbei berücksichtigt. Bei Schulden, Steuereinnahmen (inklusive steuerähnliche Abgaben) und Finanzausgleichszahlungen wurden Daten der statistischen Ämter und des Bundesministeriums der Finanzen verwendet.


Verbrauchssteuerstaat verstärkt Ungleichheit

Angesichts der enormen Steuerausfälle nahm die zweite Regierung Schröder von 2002 bis 2005 geringe Korrekturen vor, die insbesondere den Kommunen zugute kamen. Die Mehreinnahmen resultierten aus der Erhöhung der Tabaksteuer, dem Abbau von Vergünstigungen bei Gewerbesteuer und Entfernungspauschale sowie der ökologischen Steuerreform. Vor allem die Einführung der ökologischen Steuerreform verstärkte den Trend zum Verbrauchssteuerstaat und erhöhte die ungleiche Verteilung der Steuerlast. Insgesamt führten diese Maßnahmen zu Mehreinnahmen für das Land Berlin in Höhe von 1,66 Milliarden Euro.    
Die erste Regierung unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) knüpfte von 2005 bis 2009 nahtlos an diese Politik an und erhöhte zum 1. Januar 2007 die Umsatzsteuer von 16 auf 19%. Durch diese Maßnahme sanken die Mindereinnahmen Berlins im Jahr 2008 auf rund 1 Milliarde Euro. Mit der Unternehmenssteuerreform im selben Jahr wurde jedoch der Körperschaftsteuersatz ab 2008 auf 15% gesenkt. Das führte dazu, dass im Jahr 2008 fast die Hälfte der Mehreinnahmen Berlins aus der Erhöhung der Umsatzsteuer in die Entlastung der Unternehmen floss. Die im Zuge der Weltfinanzkrise beschlossenen Konjunkturpakte I und II, aber auch die Förderung der privatisierten Altersvorsorge – der sogenannten Riester-Rente – führten zu neuen Mindereinnahmen. Unterm Strich entstehen durch die Reformen der ersten Merkel-Regierung für Berlin von 2006 bis 2012 Mindereinnahmen von insgesamt knapp 300 Millionen Euro.   
Die steuerpolitischen Maßnahmen der zweiten Merkel-Regierung seit 2009 belasten den Landeshaushalt im Zeitraum von 2010 bis 2012 mit insgesamt über 500 Millionen Euro. Hauptverantwortlich hierfür ist das „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, das in Berlin zu Ausfällen von insgesamt über 700 Millionen Euro führt. Teilmaßnahmen des Gesetzes sind weitere Vergünstigungen bei den Unternehmenssteuern, der Erbschaftsteuer und der Umsatzsteuer für Hotelübernachtungen. Auf die Kindergelderhöhungen, die ebenfalls Teil des Gesetzes sind, entfallen für Berlin in diesem Zeitraum nur Mindereinnahmen in Höhe von knapp 200 Millionen Euro. Letztendlich führte das Wachstumsbeschleunigungsgesetz zur Umverteilung von 500 Millionen Euro vom Land Berlin an das private Kapital. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) attestierte dem Gesetz nur marginale wachstumsfördernde Wirkungen. Einem einmaligen Wachstumsimpuls von rund 5 Milliarden Euro stünden staatliche Einnahmeausfälle und zusätzliche Ausgaben von gut 8 Milliarden Euro im Jahr gegenüber. Auch die Kindergelderhöhung führe bei den Besserverdienenden in der Tendenz lediglich zu höheren Sparquoten statt zu höherem Konsum. Die Alternative wird vom IMK ebenfalls benannt: Der Staat solle statt weiterer Entlastungen für Unternehmen direkt in Infrastruktur und Bildung investieren.

 

 

Wohlhabende sparen – dem Staat fehlt Geld

Insgesamt überwiegen in der Steuerpolitik des Bundes seit 1998 Maßnahmen, die Besserverdienende und Unternehmen einerseits entlasten und andererseits die Verbrauchssteuern erhöhen. Neben der Steuerreform 2000 entfalteten vor allem die Umsatzsteuererhöhung, die Unternehmenssteuerreform 2008 inklusive der Einführung der Abgeltungsteuer, das Wachstumsbeschleunigungsgesetz und die Reform der Erbschaftsteuer im Jahr 2009 eine „regressive Verteilungswirkung“. Das heißt, sie vergrößerten die ökonomische Ungleichheit. Von 1999 bis 2003 stieg der Anteil der indirekten Steuern am gesamten Steueraufkommen von 48,1 auf 52,5%. Im gleichen Zeitraum sank die Steuerquote – also Steuereinnahmen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung – von 23,6 auf 21,6%. Allein im Jahr 2003 fehlten dem Gesamtstaat gemessen an der Steuerquote des Jahres 1999 rund 43 Milliarden Euro. Auch wenn ein Teil der Mindereinnahmen konjunkturbedingt sind, verdeutlicht dieser Wert den enormen Rückgang der Steuereinnahmen.

Steuerpolitik führt zu Unterfinanzierung Berlins

Dieser Befund gilt gleichermaßen für das Land Berlin. Grafik 2 vergleicht die Entwicklung der Berliner Steuereinnahmen unter Berücksichtigung von Länderfinanzausgleich und Fehl-betrags-Bundesergänzungszuweisungen mit der bundesweiten Wirtschaftsleistung. Steuereinnahmen und Wirtschaftsleistung des Jahres 1999 werden jeweils auf 100% normiert. Der starke Rückgang der Steuereinnahmen auf 91,6% im Jahr 2003 verdeutlicht die Mindereinnahmen in Berlin. Erst ab 2006 übersteigen die Steuereinnahmen wieder das Niveau von 1999 und allein im Jahr 2008 das Niveau der Wirtschaftsleistung. Für alle Jahre außer 2008 kann daher – gemessen am Jahr 1999  – von einer strukturellen Unterfinanzierung des Landes gesprochen werden.Die Steuermindereinnahmen seit 2000 haben nicht nur die jährliche Neuverschuldung, sondern auch die Zinskosten ansteigen lassen. Grafik 3 zeigt, wie sich der Schuldenstand unter Berücksichtigung des Zinseffekts ohne Steuerrechtsänderungen entwickelt hätte: Statt 63 Milliarden Euro hätte das Land im Jahr 2012 nur 45,1 Milliarden Euro Schulden gehabt. Von der Differenz in Höhe von 17,9 Milliarden Euro entfallen 2,4 Milliarden auf den Zinseffekt, der durch die zusätzliche Neuverschuldung hervorgerufen wird. Dabei muss bedacht werden, dass sich die Bundesländer aktuell auf historisch niedrigem Niveau refinanzieren können.
Beachtlich ist auch der Effekt, den die bundesweite Wiedererhebung der Vermögensteuer gehabt hätte. Die Vermögensteuer wurde bis Ende 1996 erhoben und nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgesetzt, da die Kohl-Regierung kein Interesse an einer verfassungskonformen Novellierung hatte. Trotz rot-grüner Wahlversprechen und parlamentarischer Mehrheiten unternahmen SPD und Grüne nichts, um die Vermögensteuer wieder zu erheben. Die in Grafik 3 dargestellte Modellrechnung zeigt die Entwicklung, wenn die Vermögensteuer nicht ausgesetzt, sondern zu alten Konditionen weiter erhoben worden wäre. Der starke Anstieg der Vermögensteuer von 294 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 503 Millionen Euro im Jahr 2012 ist auf das enorme Wachstum der Nettovermögen zurückzuführen. Bei Wiedererhebung der Vermögensteuer wäre die Verschuldung des Landes Berlin unter Berücksichtigung des Zinseffekts um weitere 6,1 auf 39 Milliarden Euro gesunken.

 

 

Schulden und Zinslast stiegen durch Steuerreformen

Ohne Steuerrechtsänderungen seit 1998 hätte Berlin im Jahr 2012 insgesamt 2,45 Milliarden Euro mehr Geld zur Verfügung. Der Betrag setzt sich zusammen aus 600 Millionen Euro für die zusätzlichen Zinskosten der angestiegenen Verschuldung und 1,85 Milliarden Euro für steuerrechtsbedingte Mindereinnahmen. Bei einer vom Senat prognostizierten Neuverschuldung Berlins von 500 Millionen Euro in 2012 läge der Haushaltsüberschuss ohne Steuerrechtsänderungen somit bei fast 2 Milliarden Euro.
Parallel zur Zunahme der öffentlichen Verschuldung stieg das private Nettovermögen in den letzten 10 Jahren mehr als doppelt so schnell wie das nominale Bruttoinlandsprodukt. Verschiedene Studien zur Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung konstatieren zudem einen deutlichen Anstieg der Ungleichheit. In der kritischen Wissenschaft wird wie in den 50er und 60er Jahren wieder von „öffentlicher Armut und privatem Reichtum“ gesprochen.

Historisch einmalige Kürzungspolitik

Auf den Einbruch der Steuereinnahmen und die seit Anfang der 90er Jahre bestehende strukturelle Unterfinanzierung reagierte der rot-rote Berliner Senat mit einer historisch einmaligen Kürzungspolitik. Konsolidierung wurde zum Selbstzweck stilisiert. So stiegen von 2001 bis 2011 die Ausgaben des Landes nominal nur um 2,4%, während der Länderdurchschnitt bei 17,9% liegt und sich das nominale Bruttoinlandsprodukt bundesweit in diesem Zeitraum um über 23% erhöhte. Die Folgen dieser Austeritätspolitik waren Lohnsenkungen und Personalabbau, der Abschied vom kommunalen Wohnungsbau, Wohnungsprivatisierungen, Bildungs- und Sozialkürzungen sowie ein weitgehendes  Absenken der Investitionen.


MieterEcho 358 / Februar 2013

Schlüsselbegriffe: Steuerpolitik, Umverteilung, Verschuldung, Berlin, Schuldenbremse, Steuerreformen, Verbrauchssteuerstaat, Körperschaftsteuersatz, Konjunkturpakte, Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Steuereinnahmen, Zinslast, Austeritätspolitik

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