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MieterEcho 360 / Mai 2013

Steuer für die Ärmsten

In Großbritannien müssen Sozialmieter/innen Steuern auf angeblich zu große Wohnungen zahlen

Von Joachim Oellerich

Die Auswirkungen neoliberaler Politik zeigen sich am deutlichsten in Großbritannien. Von diesem Land nahm das neoliberale Rollback in Europa seinen Ausgang und es liefert noch heute die abschreckendsten Beispiele für die Auswirkungen der Sparpolitik zulasten der Armen. Jetzt sorgt eine „Schlafzimmer-Steuer“ (Bedroom Tax) für eine weitere Verschlechterung.                                 

Im Jahr 1997 verabschiedete die Labour-Regierung unter Premierminister Tony Blair ein Reformpaket mit der Bezeichnung „New Deal for Workless Classes“. Es wurde das Vorbild für die Agenda 2010 und die Hartz-IV-Gesetzgebung der rot-grünen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder.    Die Website www.calumslist.org sammelt Veröffentlichungen der Lokalzeitungen über die Opfer der Sozialkürzungen und der Zwangsmaßnahmen. Unter anderem wird berichtet über Mark und Helen Mullins, einem verheirateten Paar, das in seiner Wohnung nebeneinanderliegend tot aufgefunden wurde. Beide waren dem Kampf um korrekte staatliche Unterstützung nicht länger gewachsen. Sie lebten nur noch von dem, was sie in einer acht Kilometer entfernten Suppenküche erhielten.Paul Reekie, ein Schriftsteller, beging Selbstmord. Es wurde kein Abschiedsbrief, dafür die Mitteilung über die Einstellung der Sozialhilfe neben ihm gefunden. Paul Willcoxson erhängte sich und hinterließ eine Notiz mit der Befürchtung über die Kürzung kommunaler Unterstützung.Die depressive Leanne Chambers wurde einen Tag, nachdem sie eine Aufforderung zur Überprüfung ihrer Arbeitsfähigkeit erhalten hatte, ertrunken in einem nahegelegenen Fluss gefunden.Außer diesen vier sind auf der Website 1.662 weitere Berichte über Todesopfer der Sozialreform gesammelt worden (Abruf: 18. April 2013).

Widerstand zeigt Erfolg        

Seit dem 1. April 2013 hat sich die Lage der Ärmsten weiter verschärft. Eine „Schlafzimmer-Steuer“ (Bedroom Tax) müssen Mieter/innen von Sozialwohnungen bezahlen, die mehr Zimmer haben, als ihnen zugebilligt wird. Weil aber keine kleineren Sozialwohnungen verfügbar sind, wurden viele Mieter/innen von den Sozialbehörden in geringfügig größere Wohnungen einquartiert. Nun sollen sie für diese die „Schlafzimmer-Steuer“ bezahlen. Insgesamt betrifft die Steuer 670.000 Menschen in Großbritannien, schätzungsweise 420.000 von ihnen brauchen den Platz wegen einer Behinderung oder für eine Betreuungsperson.Eine Bewegung gegen die „Schlafzimmer-Steuer“ hat sich bereits gebildet und kann auf erste Erfolge verweisen. In der Stadt Dundee hat die Verwaltung dem Druck nachgegeben und sich entschlossen, die Steuer für ein Jahr auszusetzen. Zur gleichen Reaktion wurde die Kommunalregierung von Brighton gezwungen. Der Sozialminister Ian Duncan Smith sah sich zu ersten abmildernden Regelungen veranlasst. Doch solche kleinen Erfolge reichen nicht aus. Die Kampagne wächst weiter und erste nationale Zusammenschlüsse haben sich gebildet. Sie fordern energisch, was auch in Berlin nötig ist, ein öffentliches Wohnungsbauprogramm.       

 


MieterEcho 360 / Mai 2013

Schlüsselbegriffe: Großbritannien, Sozialwohnungen, Steuern, Schlafzimmer-Steuer, Bedroom Tax, Tony Blair, Sozialreform, Todesopfer, Dundee