Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 364 / Dezember 2013

Nein zum Ausverkauf!

Die Mieter/innen der englischen Stadt Swindon wehren sich mit
Erfolg gegen die Umwandlung ihrer kommunalen Wohnungsbestände

 

Von Martin Wicks

Die Thatcher-Regierung gestattete nicht nur den Sozialmieter/innen, ihre eigene Wohnung weit unter dem Marktwert zu kaufen – sie gab auch den Kommunen das Recht, ihre Wohnungsbestände an gemeinnützige, aber dennoch private Gesellschaften zu „übertragen“. Diese Form der Privatisierung begann 1988, anfangs überwiegend in konservativ regierten Kommunen, viele davon in ländlichen Gegenden. Die Labour-Regierung führte diese Politik nach 1997 fort.    

                                

Martin Wicks ist Sekretär der „Swindon Tenants Campaign Group“.

Blog: http://keepourcouncilhomes.wordpress.com

 

Damit eine Übertragung (Stock Transfer) stattfinden kann, müssen die Mieter/innen dem damit verbundenen Wandel ihres Mietverhältnisses kollektiv zustimmen. Für sie bedeutet der Transfer eine einschneidende Änderung des rechtlichen Status und damit verbunden eine Verschlechterung ihrer Mietverträge. Beim Council Housing ist der Wohnungsbestand in Besitz und Verwaltung der Kommune und es gilt ein eigenes Mietrecht, das unbefristete und schwer zu kündigende Mietverträge einschließt. Nach der Übertragung an eine Housing Association gilt das besondere Mietrecht des Council Housing nicht mehr. Die Kommunen litten an der restriktiven Finanzpolitik der Regierung und hatten Probleme, ihre Bestände des Council Housing instand zu halten. Den Mieter/innen, die den schlechten Zustand der Wohnungen zu spüren bekamen, setzte man die Pistole auf die Brust: Stimmt ihr für die Privatisierung, gibt es Verbesserungen, stimmt ihr dagegen, bleibt alles beim Alten. Diese Stimmungsmache stellte den Verkauf als alternativlos dar und blendete alle Nachteile aus. Die Mieter/innen hatten somit die „Wahl“ zwischen kaputten Fenstern und guten Mietverträgen oder heilen Fenstern und schlechteren Mietverträgen. In Swindon strebte die konservative Stadtverwaltung 2009 eine Befragung der Mieter/innen an. Sie wurde bis Ende 2011 verschoben, weil die Regierung eine Überprüfung und Änderung des Finanzierungssystems im Wohnungswesen vornahm. Das Ergebnis sollte abgewartet werden. Es lieferte den Privatisierungsbefürwortern zusätzliches Futter: Nach dem alten System musste Swindon pro Jahr neun Millionen Pfund der Mieteinnahmen an die Regierung abführen. Nach dem neuen System durften die Kommunen die Mieteinnahmen behalten, wenn sie sich gewissermaßen aus dem alten System freikaufen. Die kompletten Schulden des öffentlichen Wohnungswesens sollten unter allen Kommunen verteilt werden, die eigene Bestände hatten. Für die Gemeinde Swindon hieß das zusätzliche Schulden in Höhe von 139 Millionen Pfund. Dagegen standen 40 Millionen Pfund, die der schnelle Verkauf gebracht hätte.                                    

 

Mieter/innen gewannen Abstimmung            

Der Verkauf kam für die Mieter/innen aber nicht infrage. Sie wollten ihre sicheren Mietverhältnisse verteidigen und gründeten eine Kampagne, um die Nachbar/innen zu einem klaren Nein zu bewegen. Die Kampagne deckte auf, dass die Kommune die Finanzen manipuliert hatte. Die Tilgung von Schulden wurde verfrüht getätigt, sodass in den Folgejahren kein Geld mehr für Instandhaltungen da war. Von lokalen Gewerkschaften bekam sie 4.000 Pfund gespendet, das reichte, um alle 12.000 Haushalte einmal anzuschreiben und einige Flugblätter zu drucken. Während die Mieter/innen der Kampagne von Tür zu Tür zogen, um den Kontakt zu den Nachbar/innen aufzubauen, bombardierte die Kommune sie mit einer Flut von Propagandamaterial, darunter eine Werbe-DVD, die die Wunder der Privatisierung anpries. Angestellte der Behörden wurden zum Klinkenputzen durch die Häuser gejagt.

Trotz der Ungleichheit der Mittel wurden immer mehr Mieter/innen skeptisch gegenüber den Versprechen der Privatisierung. Bei der Abstimmung stimmten 72% dagegen – bei einer Beteiligung von 68%. Nach dem Sieg setzt sich die Kampagne weiter für die Interessen der Mieter/innen ein. Es wurde erreicht, dass in den nächsten zwei Jahren sechs Millionen Pfund mehr als geplant in die Instandhaltung investiert werden. Darüber hinaus wehrt sie sich gegen Maßnahmen, die die Zukunft des Council Housing bedrohen wie die Kopplung des Mietverhältnisses an eine finanzielle Bedürftigkeit der Mieter/innen.    

 

Übersetzung aus dem Englischen und redaktionelle Bearbeitung: Philipp Mattern.


MieterEcho 364 / Dezember 2013

Schlüsselbegriffe: Großbritannien, Swindon, kommunaler Wohnungsbestand, Thatcher-Regierung, Labour, Stock Transfer, Council Housing, Privatisierung

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