„Ich lass’ mich hier doch nicht gleich vom ersten Kapitalisten vertreiben!“
Wenn aus Arbeiterpalästen Eigentumswohnungen gemacht werden
Interview mit Florian Peters vom Mieterrat Frankfurter Allee
Wohnungen werden knapp in Berlin, gebaut wird wenig, eine gute Voraussetzung für Spekulanten. Die Botschaft, dass in Berlin prächtige Verwertungschancen bestehen, wurde auch in Ungarn vernommen. Aus diesem Land stammt das Kapital der Gesellschaften, die unter der Bezeichnung Home Center Liegenschaften vor allem an der Frankfurter Allee ihre Profite suchen. Die letzten bislang unsanierten „Stalinbauten“ wurden in Eigentumswohnungen umgewandelt, doch die Mieter/innen dieses „Block G Nord“ wehren sich gegen Verdrängung und schlossen sich im Mieterrat Frankfurter Allee zusammen. Das MieterEcho führte ein Interview mit Florian Peters, einem Aktivisten des Mieterrats.
MieterEcho: Wie kam es zur Gründung des Mieterrats?
Florian Peters: Es begann vor ungefähr zwei Jahren, jedoch nicht mit einem Startschuss, bei dem alle gesagt haben, jetzt gehen wir auf die Barrikaden, sondern vielmehr spitzte sich die Entwicklung zu. Der Eigentümer möchte den Block G Nord – die Stalinbauten sind durchbuchstabiert von A bis G – sanieren. Anschließend sollen die Wohnungen komplett in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden. Das war der Auslöser, dass sich erstmals die verschiedenen Generationen und Milieus, die hier in diesen Häusern wohnen, zusammengefunden und den Mieterrat gegründet haben. Der Block G Nord besteht aus den Häusern Frankfurter Allee 5 bis 27 und Proskauer Straße 38. Diese gehören einer Firma namens Home Center Liegenschaften I GmbH. Es gibt mehrere GmbHs, die sich mit der Verwaltung abwechseln. Ein etwas undurchschaubares Firmengeflecht. Da wir einen gemeinsamen Gegner haben, und der Block G Nord aus den letzten unsanierten Gebäuden besteht, haben wir uns zusammengefunden. Die ganze Karl-Marx-Allee ist schließlich bereits saniert und schick.
Wie viele Menschen wohnen in Block G und wie erreicht ihr sie?
Es sind rund 200 Wohnungen und wie viele davon bewohnt sind, ändert sich ständig. Wir erreichen bei den bewohnten Wohnungen knapp die Hälfte der Bewohner/innen. Das sind fast alles Mieter/innen. Es gibt inzwischen auch schon einige Eigentümer, die selbst dort wohnen. Eine Eigentümerin hat sich intensiv für das Mieterfest engagiert. Wenn wir zu Mieterversammlungen einladen, kommen in der Regel 50 bis 60 Leute.
Die Versammlungen machen wir unter anderem, weil wir die älteren Leute nicht per E-Mail erreichen, und von ihnen hat ein großer Anteil besonderen Beratungsbedarf. Wir haben auch Unterstützung von der Berliner MieterGemeinschaft mit einem Anwalt erfahren. Die Beratung fand im Mieterladen in der Kreutzigerstraße statt. Am Anfang gehörte zu den Zielen der Versammlungen, ein breiteres Bewusstsein für das Problem zu schaffen. Zwei Mal war auch der damalige Bezirksbürgermeister Franz Schulz dabei. Zu Beginn der Sanierungsmaßnahmen haben wir eine Diskussionsveranstaltung mit dem Stadtteilbüro in der Galiläakirche gemacht. Der Architekt war da, der Eigentümer hat sich nicht getraut.
Wir sind ein aktiver Kreis, der sehr bereichernd ist, da er sehr gemischt ist, sowohl was die Generationen als auch die Ost-West-Sozialisationen angeht. Manche Menschen wohnen hier seit Jahrzehnten. Andere, wie ich, sind erst später eingezogen und wohnen in einer WG.
Ziehen sich Mieter/innen auch zurück oder hat eure Arbeit dazu geführt, dass viele besser mit der bedrohlichen Situation klarkommen?
Die Erfahrung spricht fürs Zweite. Vonseiten der Vermieter kamen neben einer satten Mieterhöhungsankündigung auch Versuche, andere Wohnungen aufzuschwatzen, und Ankündigungen, wie schlimm die Sanierung sein wird. Gerade ältere Mieter waren ziemlich verunsichert. Ich habe das Gefühl, dass wir viele sehr bestärkt haben, auch mit der Vermittlung von Rechtsberatung und Informationen über die Möglichkeiten, die man hat. Aber auch über das Erlebnis, dass es Leute gibt, die sich mit denselben Problemen auseinandersetzen, und dass es kein Weltuntergang ist, wenn man auch mal mit dem Vermieter vor Gericht landet.
Wie seid ihr – über euren Blog hinaus – vernetzt, sowohl innerhalb der Mieterschaft als auch nach außen?
Es gibt viele soziale Netzwerke, auch bei den Älteren. Manche kennen sich seit Jahrzehnten und sind in der Volkssolidarität zusammen. Das sind ja auch Netzwerke, die auf der persönlichen Ebene wichtig sind. Und das gilt natürlich für die anderen auch. Man lernt sich kennen, kommt ins Gespräch als Nachbarn. Leider sind wir noch relativ stark auf der Ebene der Selbstverteidigung. Unser Anliegen ist, das Ganze auf eine politischere Ebene zu holen. Wir haben unser Mieterfest deshalb auch in der Aktionswoche „Keine Profite mit der Miete“ gemacht, um zu zeigen, zu welchem Kontext wir mit unseren Aktivitäten gehören. Wir haben uns sehr bemüht, mit den politischen Stadtteil-Initiativen zu kooperieren. Ohne die hätte das Mieterfest gar nicht stattgefunden. Und wir würden uns freuen, wenn es in diese Richtung weitergeht.
Wurden durch eure Pressearbeit Erfolge erzielt?
Ja. Das würde der Eigentümer zwar abstreiten, aber nachdem der Berliner Kurier zum zweiten Mal „Terrorhaus an der Frankfurter Allee“ oder so auf einer Doppelseite hatte, wurden am nächsten Tag die monatelang abgestellten Aufzüge wieder in Betrieb genommen.
Hat von euch schon jemand bereut, als Mieter/in aktiv geworden zu sein?
Nein, es ist ja das Spannende, dass wir so heterogen sind. Das macht vieles schwierig, aber es ist gut, dass man jetzt zusammen mal ein Bier trinkt. Was man, glaube ich, nicht machen würde, wenn man diese Probleme nicht gemeinsam hätte. Das ist auch die Rückmeldung hier beim Fest gewesen, dass der Kontakt als sehr bereichernd empfunden wird, auch über die Sache hinaus.
Der Kampf um die Stadt wird ein Dauerthema bleiben. Wie seht ihr eure Rolle darin?
Es ist schwierig zu sagen, wie stark Leute durch Konflikte, die sie betreffen, politisiert werden, indem sie die systemischen Ursachen ihres individuellen Konflikts sehen und nicht nur meinen „ich habe ein Problem und das muss gelöst werden“. Ich würde mich freuen, wenn es gelingt, dass man tatsächlich für Friedrichshain und die nähere Umgebung ein Netzwerk von Leuten zusammenbringt.
Die Stalinbauten sind Symbolbauten. Wird der gegenwärtige Angriff auf die Wohnungen auch als Angriff auf die Bedeutung der Gebäude wie auch die eigene Biografie wahrgenommen? Es waren bisher Mietwohnungen und eine Mietwohnung ist breiteren Schichten zugänglicher als eine Eigentumswohnung und steht somit für einen höheren Vergesellschaftungsgrad.
Auf jeden Fall! Ich erinnere mich an Aussagen wie: Wir Berliner haben damals die Trümmer gekloppt und das hier aufgebaut. Wie kommt jetzt ein Kapitalist dazu, uns aus den Wohnungen zu vertreiben? Es hat schon eine symbolische Bedeutung, dass gerade diese Stalinbauten nun auch der kapitalistischen Vermarktung zum Opfer fallen. Das ist natürlich etwas, was von vielen Älteren tatsächlich als Angriff auf die Werte gesehen wird, für die sie gekämpft haben. Manchmal ist das mit einer etwas nostalgischen Haltung verbunden. Es gibt ihnen aber auch Kraft, ihre Geschichte zu erzählen und zu erleben, dass es junge Leute gibt, die sie hören wollen. Viele sind überzeugt, dass sie mit ihrer Biografie für Richtiges eingestanden haben. Für sie ist es ein Kraftquell – hört sich ein bisschen pathetisch an – zu sagen: So, ich habe hier lange genug dafür eingestanden, da lass‘ ich mich doch nicht gleich vom ersten Kapitalisten, der mich vertreiben will, vertreiben!
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Matthias Coers.
Weitere Informationen:
http://mieterrat-frankfurter-allee.org
MieterEcho 363 / Oktober 2013
Schlüsselbegriffe: Eigentumswohnungen, Mieterrat Frankfurter Allee, Stalinbauten, Block G, Mieterhöhungsankündigung, Eigentumswohnungen, Umwandlung