Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 361 / Juli 2013

Eine ganz große Baustelle

Trotz vieler Zahlen in der Debatte um die Berliner Neubauförderung bleiben wichtige Fragen unbeantwortet

Von Philipp Mattern                                               

Die Berliner Politik will die Wohnungsbauförderung neu entdeckt haben. Die kursierenden Zahlen hören sich gewaltig an. Ein tragfähiges Förderkonzept und eine wirkungsvolle Belegungsbindung sind jedoch nicht zu erkennen. Selbst zahlenmäßig bleiben die neuen Pläne weit hinter dem Bedarf an Wohnungen zurück.    


Nach langer Abstinenz von einer Diskussion über eine Neubauförderung rief die nicht mehr zu übersehende Wohnungsknappheit Politiker verschiedener Parteien auf den Plan, sich mit allerlei Ideen zu profilieren. In Berlin sind es vor allem Vertreter der SPD, die seit einiger Zeit mit immer neuen Zahlen vorpreschen, sowohl was die zu bauenden Wohnungen als auch die aufzuwendenden Gelder angeht. Die im Mai erzielte Einigung mit dem Koalitionspartner CDU gilt als Erfolg, obwohl viele wichtige Fragen unbeantwortet geblieben sind. Den Startschuss zur inzwischen so bezeichneten Neubaudebatte gab Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD). Bereits Ende letzten Jahres schlug er vor, den Bau von jährlich mindestens 1.000 Wohnungen mit rund 60 Millionen Euro zu fördern. Das Geld solle in Form verbilligter oder gar zinsloser Darlehen vergeben werden. Die zurückfließenden Gelder könnten erneut in die Förderung gesteckt werden, sodass mit der Zeit ein sogenannter revolvierender Fonds entstehe.

 

„Gezielte Zinssubventionierung“    

Das sei viel zu viel Geld für viel zu wenige Wohnungen, entgegnete kurz darauf der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß und bewarb ein vermeintlich günstigeres und effektiveres Modell. Bezugnehmend auf Konzepte aus dem SPD-Fachausschuss für „Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung“ machte er sich für eine Kombination aus Objekt- und Subjektförderung stark. Kernstück sei dabei eine „gezielte Zinssubventionierung“. Sprich: Man leiht den bauwilligen Unternehmen kein Geld, sondern lässt sie leihen und erstattet ihnen die Zinsen aus öffentlichen Mitteln. Mit lediglich 10 Millionen Euro jährlich sollte so der Bau von mindestens 5.000 günstigen Wohnungen pro Jahr auf den Weg gebracht werden, vornehmlich durch die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften. Die Frage, warum gerade in Zeiten historisch niedriger Zinsen in diesem Konzept ein Schlüssel zum Erfolg gesehen wird, drängt sich zwar auf, aber spannender ist ein anderer Punkt: Setzt man die ins Spiel gebrachte Fördersumme ins Verhältnis zu den zu bauenden Wohnungen, entfallen rechnerisch lediglich rund 2.000 Euro auf jede Wohneinheit. Ein verschwindend geringer Betrag, der in den meisten Fällen bloß 1 bis 2% der Baukosten ausmachen dürfte. Eine wirkungsvolle, geschweige denn langfristige Sozialbindung ist damit nicht zu haben, selbst dann nicht, wenn sie nur für einen Teil des neuen Bestands gilt. Auch die ins Spiel gebrachte kostenlose Vergabe landeseigener Grundstücke dürfte daran nur wenig ändern. Daher kommt die Subjektförderung ins Spiel: Die Miete ärmerer Haushalte soll für einen gewissen Zeitraum bezuschusst werden, um „die zu unterstützen, die es wirklich brauchen“. Diese Subventionierung der Miete führt nicht zum Bau günstiger Wohnungen, birgt jedoch aufgrund der zeitlichen Befristung Fallstricke, die viele ehemalige Sozialmieter/innen kennen: Wenn die Bezuschussung endet, sitzen Mieter/innen mit niedrigem Einkommen in für sie zu teuren Wohnungen. Dieses Problem ist auch im hier favorisierten Modell angelegt.                                            

 

Eine Milliarde für den Neubau                

„Wohnungspolitisch haben wir in den letzten Monaten viel erreicht, doch stagniert noch die Umsetzung.“ So widersprüchlich meldete sich Mitte März die stellvertretende SPD-Landesvorsitzende und baupolitische Sprecherin im Abgeordnetenhaus Iris Spranger in einer Pressemitteilung zu Wort. Dort verkündete man den Beschluss des SPD-Landesvorstands, sich für ein Investitionsprogramm bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen einzusetzen. Die Details erläuterte der Fraktionsvorsitzende Raed Saleh am 25. März 2013 in einem Interview mit der taz: Die Unternehmen sollen 175 Millionen Euro Eigenkapital einsetzen und sich Kredite über 600 Millionen Euro besorgen, um in den nächsten fünf Jahren für folglich 775 Millionen Euro neue Wohnungen zu bauen. Hinzu kämen Bundesmittel in Höhe von 32 Millionen Euro jährlich und die gleiche Summe aus dem Berliner Landeshaushalt, was in fünf Jahren weitere 320 Millionen Euro macht. Inklusive der Wertabschöpfung durch die Ausweisung von Bauland ergebe das mehr als eine Milliarde Euro für den Neubau. Außerdem sollen die Wohnungsbaugesellschaften günstige Grundstücke aus dem Landeseigentum bekommen. Mit diesen imposant klingenden Zahlen war jedoch kein detaillierter Plan verbunden, wie viele Wohnungen zu welchem Preis gebaut und vermietet werden sollten. Auch konkrete Details zu den Förderkonditionen sowie der angestrebten Belegungsbindung blieben offen.            

Der Grund für diese Zahlenspiele dürften die laufenden Verhandlungen über den kommenden Berliner Doppelhaushalt 2014/15 sein. Wenn ein Förderprogramm für Wohnungsneubau auf den Weg gebracht wird, dann jetzt – oder frühestens wieder in zwei Jahren. Für letzteres ist die Angelegenheit aber zu drängend. Das Problem ist: Die SPD hat zwar keine innovativen und tragfähigen Konzepte auf Lager, muss als Regierungspartei aber Vorschläge unterbreiten, die zumindest den Anschein erwecken, die Situation im Griff und die Sorgen der Mieter/innen im Blick zu haben. Dazu bedient man sich an Versatzstücken alter Fördermodelle, hüllt diese in zeitgemäße Rhetorik und wirft Zahlen und Schlagwörter in die Manege, hinter denen Detailfragen verblassen. Das gelingt erstaunlich gut. Die genannten Zahlen geistern seit einiger Zeit durch die Medien und bescheren der SPD nette Schlagzeilen sowie den Ruf, den Neubau sozial gerecht managen zu können.                      

 

Wohnungsbaufonds auch für Private            

Mitte Mai gaben die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU bekannt, sich auf ein Neubau- und Förderprogramm für die nächsten fünf Jahre geeinigt zu haben. Der Investitionsauftrag an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften wurde, wie von der SPD vorgeschlagen, in Höhe von 775 Millionen Euro bis zum Jahr 2018 beschlossen. Damit könnten zu den 30.000 Wohnungen, deren Neubau bereits 2011 im Koalitionsvertrag beschlossen worden war, etwa 40.000 weitere Wohneinheiten bis 2025 gebaut werden. Die 320 Millionen Euro Fördergelder aus zweckgebundenen Bundesmitteln und Landesdarlehensrückflüssen sollen nun in einem „Wohnungsbaufonds“ der Investitionsbank Berlin (IBB) landen, der nicht mehr nur den öffentlichen Wohnungsbauunternehmen, sondern auch privaten Investoren offen steht. Daneben seien auch „Familienbaudarlehen“ und die Förderung altersgerechten Wohnens vorgesehen. Das Geld kann also quasi jeder für alles bekommen – Hauptsache man baut Wohnungen. Bis zu 29.500 neue Wohneinheiten könnten aus diesem Fonds gefördert werden, verkündete stolz Jan Stöß. Einzig bisher bekannte Auflage ist, dass bei der Inanspruchnahme der Förderung ein Drittel der Wohnungen mit einer Belegungsbindung versehen wird. Das macht jedoch keine 10.000 Wohnungen über den gesamten Zeitraum von fünf Jahren. Über die Art und Dauer der Bindung, die Höhe der Mieten sowie über die genauen Modalitäten der Förderung ist bisher nichts bekannt. „Die Details werden in den Arbeitskreisen und Ausschüssen erarbeitet“, erklärte SPD-Fraktionssprecherin Claudia Stäuble auf Nachfrage des MieterEchos.        

 

Berechtigte Skepsis                    

Skepsis herrscht zumindest bei einigen Wohnungsunternehmen, selbst wenn sie in letzter Zeit Interesse am Neubau bekundeten. Frank Bialka und Christoph Beck, Vorstandsmitglieder von Berlins größter landeseigener Wohnungsbaugesellschaft Degewo, meldeten sich nur wenige Tage nach Bekanntwerden der Koalitionspläne im Tagesspiegel ablehnend zu Wort. Man habe gerade erst mühsam Schulden abgebaut und wolle keine großen Neukredite aufnehmen. Außerdem sei fraglich, ob die Banken bei diesen Summen überhaupt mitspielen würden. Wenn gebaut werden soll, dann müsse das Geld „irgendwo anders herkommen“. Ganz so hatten sich die landeseigenen Wohnungsunternehmen das nun beschlossene Förderprogramm wohl nicht vorgestellt. Dennoch steht die Zahl von 70.000 neuen Wohnungen nun im Raum. Selbst unter der optimistischen Annahme, dass sie bis 2025 tatsächlich gebaut werden, bleibt die Frage offen, wo die andere Hälfte herkommt. Denn der von der Senatverwaltung stammende Vorentwurf zum Stadtentwicklungsplan Wohnen (MieterEcho Nr. 359/ April 2013) geht von einem Bedarf an 137.000 neuen Wohnungen bis zum Jahr 2025 aus. Für die Hälfte davon besteht überhaupt keine Idee – geschweige denn ein Förderkonzept, das eine Belegungs- und Mietpreisbindung überhaupt denkbar macht.

 

 

 


MieterEcho 361 / Juli 2013

Schlüsselbegriffe: Berlin, Neubauförderung, Wohnungsbauförderung, Förderkonzept, Belegungsbindung, Zinssubventionierung, landeseigene Wohnungsunternehmen, Wohnungsbaufonds, Stadtentwicklungsplan Wohnen, Belegungsbindung, Mietpreisbindung

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