Ein Koloss wird geboren
Mit der Übernahme der GSW durch die Deutsche Wohnen
soll Berlins größtes Wohnungsunternehmen entstehen
Von Benedict Ugarte Chacón
Ein großes privates Wohnungsunternehmen ist weiter auf Expansionskurs. Im August gab die Deutsche Wohnen bekannt, dass sie die ehemals landeseigene GSW übernehmen wolle. Nach einer erfolgreichen Übernahme wird der Konzern rund 100.000 Wohnungen allein in Berlin besitzen. Dem Unternehmen geht es dabei in erster Linie um seine Rentabilität auf dem internationalen Kapitalmarkt. Mieter/innen stellen dabei lediglich eine Manövriermasse dar. Es kann davon ausgegangen werden, dass der neue Koloss am Berliner Wohnungsmarkt künftig alle Mieterhöhungspotenziale ausnutzen wird.
Die Deutsche Wohnen AG mit Sitz in Frankfurt am Main trägt ihren heutigen Namen seit 1999. Im Jahr 2007 übernahm sie die bereits 1998 privatisierte Berliner Gehag-Gruppe, 25.000 Wohnungen kamen so ins Portfolio. Ihre Hauptniederlassung betreibt die Deutsche Wohnen in Berlin. Mitte 2012 erwarb die Deutsche Wohnen einige Gesellschaften der BauBeCon-Gruppe mit insgesamt 23.400 Wohneinheiten in verschiedenen Ballungsgebieten, im Frühjahr 2013 kaufte sie von der US-amerikanischen Investmentgesellschaft Blackstone Real Estate Partners rund 7.000 Wohnungen in Berlin. Bekannte Bestände des Konzerns in Berlin sind zum Beispiel die Hufeisen-Siedlung und Teile der Gropiusstadt in Neukölln. Insgesamt besitzt die Deutsche Wohnen rund 90.000 Wohneinheiten.
Nachfrage nach Mietwohnungen
Angesichts der aktuellen Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt sieht sich das Unternehmen im Aufwind. So freute sich der Vorstandsvorsitzende Michael Zahn im firmeneigenen Magazin zum Geschäftsbericht 2012 über die vorgefundenen „Rahmenbedingungen“ auf dem deutschen Wohnungsmarkt, die dem Geschäftsmodell seiner Gesellschaft durchaus entgegenkämen: „Die Menschen werden weiterhin in die Ballungszentren streben und damit Mietwohnungen nachfragen.“ Gleichzeitig wandte er sich gegen „hochemotionale Diskussionen“, die im Vorfeld der Bundestagswahl zum Thema „Mieten und Wohnen“ zu erwarten seien: „Schon jetzt gibt es einen parteiübergreifenden Aktionismus mit immer neuen Vorschlägen zur Dämpfung des Mietenanstiegs.“ Die Politik würde damit jedoch davon ablenken, „dass sie es in den letzten 20 Jahren versäumt hat, für bestimmte sozial schwache Gruppen der Gesellschaft in den boomenden Städten ausreichend Wohnraum zur Verfügung zu stellen“. Die „in einigen Städten deutlich sichtbaren Probleme der Wohnraumversorgung“ seien eine „soziale Herausforderung“, gingen aber „nicht auf ein Versagen des Marktes zurück“. Schon im Finanzbericht zum Geschäftsbericht 2012 lobte die Deutsche Wohnen die eigene „fokussierte und konsequent umgesetzte Wachstumsstrategie“. Dementsprechend kündigte sie im August dieses Jahres an, die Berliner Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) für umgerechnet 1,8 Milliarden Euro übernehmen zu wollen.
Die Übernahme soll erfolgen, indem die Aktionäre der GSW ein Angebot zum Umtausch ihrer Aktien erhalten. 20 GSW-Aktien können gegen 51 neue Aktien der Deutsche Wohnen eingetauscht werden. Nach Abschluss dieser Transaktion würden die (alten) Aktionäre der Deutsche Wohnen 57% und die Aktionäre der GSW 43% des Grundkapitals der Deutsche Wohnen halten. Die Aktionäre der Deutsche Wohnen stimmten dem von der Geschäftsführung beabsichtigten Angebot an die GSW-Anteilseigner im Zuge einer außerordentlichen Hauptversammlung am 30. September 2013 zu. Das danach erstellte detaillierte Angebot wurde dann durch den GSW-Vorstand geprüft, der eine Empfehlung an seine Aktionäre abgab. Das letzte Wort haben die GSW-Anteils-eigner, die bis Ende Oktober entscheiden müssen, ob sie das Angebot zum Aktienumtausch annehmen wollen oder nicht. Für eine gelungene Übernahme müssten sich 75% der Aktionäre zum Tausch ihrer Aktien entschließen. Der Abschluss der gesamten Transaktion ist nach Angaben der Deutsche Wohnen im ersten Halbjahr 2014 zu erwarten. Zunächst vorgebrachte Bedenken, die Übernahme könnte aus kartellrechtlichen Gründen nicht vollzogen werden, erwiesen sich als unbegründet, denn das Bundeskartellamt erteilte am 30. August dieses Jahres seine Freigabe für den Deal.
Starker Fokus auf Berlin
Mit der Übernahme der GSW entsteht ein Unternehmen, das allein in Berlin über 100.000 Wohnungen besitzt. Mit 150.000 Wohnungen, die zurzeit einen Gesamtwert von 8,5 Milliarden Euro haben, wird das Unternehmen nach der Deutsche Annington Immobilien Gruppe das zweitgrößte Wohnungsunternehmen in Deutschland. In Berlin wird es mit Abstand das größte Wohnungsunternehmen sein. Zwar besitzt das Land selbst noch 270.000 Wohnungen, aber diese sind auf sechs Wohnungsbaugesellschaften aufgeteilt. Die Deutsche Wohnen begründete die Übernahme mit dem Argument, dass GSW und Deutsche Wohnen die gleiche „Geschäftsphilosophie“ verfolgen würden. „Beide investieren angemessen und stellen damit einen hohen Standard für ihre Mieter sicher,“ heißt es in der Mitteilung über die geplante Übernahme. Es sei jetzt ein starker Fokus auf Berlin gerichtet, denn schließlich handle es sich bei der Stadt um „eine der dynamischsten Wachstumsregionen Deutschlands“ und der Berliner Markt sei für Wohnungsunternehmen „hoch attraktiv“. Die Zukunft des neuen Wohnungsgiganten malen sich die Macher der Transaktion folgendermaßen aus: „Durch den Zusammenschluss mit der GSW Immobilien AG würde die Deutsche Wohnen AG die kritische Größe erreichen, um sich im europäischen Kapitalmarkt weiter zu etablieren und die bereits hohe Attraktivität des Unternehmens für den Kapitalmarkt nochmals zu stärken.“
Folge rot-roter Privatisierung
Der Grundstein für die Schaffung des neuen Riesenunternehmens wurde im Jahr 2004 durch die damals regierende Koalition aus SPD und Linkspartei gelegt. Diese realisierte mit dem Verkauf der landeseigenen GSW die größte Wohnungsprivatisierung in der Geschichte Berlins. Den Zuschlag für die 65.700 Wohnungen und Gewerbeeinheiten erhielt damals ein Konsortium aus dem Whitehall-Fonds der Investmentbank Goldman Sachs und der Investmentgesellschaft Cerberus. Der Kaufpreis betrug 405 Millionen Euro. Folgt man der Umrechnung der Deutsche Wohnen, dass ihr Aktientausch-Angebot an die GSW-Aktionäre einem Betrag von rund 1,8 Milliarden Euro entspricht, wundert man sich umso mehr über die leichtfertige Verscherbelung landeseigener Wohnungsbestände zum besagten Preis. Im Zuge des Verkaufs 2004 hatte Rot-Rot versprochen, dass die neuen Investoren die ursprünglichen sozial- und wohnungspolitischen Ziele der GSW weiter verfolgen würden. Bis heute gab es allerdings zahlreiche Beschwerden von Mieter/innen, die auch in der aktuellen Legislaturperiode zum Teil mehrfach in verschiedenen Ausschüssen des Abgeordnetenhauses Thema waren. Dies mag daran liegen, dass weder der aktuelle noch der frühere Senat ein besonderes Interesse daran haben, die angeblich festgehaltenen Vereinbarungen mit der privatisierten GSW zum Schutz der Mieter/innen wirksam zu kontrollieren, geschweige denn Verstöße zu sanktionieren.
Aussichten für Mieter/innen
Eine Klausel des Privatisierungsvertrags von 2004 sah vor, dass die Investoren die Zustimmung des Landes benötigen, wenn sie vor 2014 ihre Anteile weiterverkaufen wollen. Diese Zustimmung erteilte das Abgeordnetenhaus im April 2010 mit den Stimmen von SPD, FDP und Die Linke, sodass mit dem Börsengang der GSW im Frühjahr 2011 Tausende Berliner Wohnungen zu reinen Spekulationsobjekten wurden. Die jetzige Übernahme der GSW durch die Deutsche Wohnen ist demnach die Fortsetzung der GSW-Privatisierung. Die Lage der Mieter/innen in den betroffenen Beständen dürfte sich nach der Übernahme nicht unbedingt verbessern. Es ist wohl eher zu erwarten, dass künftig um der Rendite willen alle Mieterhöhungspotenziale ausgenutzt werden und vermehrt an Service, Mieterbetreuung und Instandhaltung gespart wird – vor allen Dingen, da die angespannte Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt die Nachfrage ohnehin nach oben treibt. Dass die Deutsche Wohnen keinen allzu großen Wert auf ein gutes Verhältnis zu ihren Mieter/innen legt, zeigt der Umstand, dass sie in einigen Fällen die im Mietspiegel 2013 festgehaltene Berechnungsmethode für die ortsübliche Vergleichsmiete nicht akzeptiert und überhöhte Mieten verlangt. Dies wiederum ist Gegenstand einiger juristischer Auseinandersetzungen.
MieterEcho 363 / Oktober 2013
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