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MieterEcho 362 / September 2013

Bezahlbarer Wohnraum als Wahlkampfthema

Die enge Verzahnung der Immobilienlobby mit den bürgerlichen
Parteien lässt wenig Hoffnung auf die Bundestagswahl

Von Rainer Balcerowiak                                    

Eine Weile sah es so aus, als ob explodierende Mieten und die Verdrängung der einkommensschwächeren Bevölkerung aus den Innenstädten im Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle spielen. Alle Parteien sahen sich veranlasst, dem Thema mehr oder weniger klare Aussagen in ihren Wahlprogrammen zu widmen (MieterEcho Nr. 360/ Juli 2013). Dabei dominieren blumige Ankündigungen von „Mietpreisbremsen“ bei Neuvermietungen und Pläne für die Förderung eines „sozialen“ Wohnungsbaus. Einzig und allein die FDP hielt die Fahne der „freien Marktwirtschaft“ hoch und erteilte staatlichen Eingriffen in den Wohnungsmarkt eine Absage.          

 

Doch seit ein ehemaliger Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA die monströsen Ausspähaktionen dieser Behörde enthüllte und dabei auch die Rolle der hiesigen Dienste und der Bundesregierung ins Visier gerieten, scheint es nur noch ein Wahlkampfthema  zu geben. Ohnehin wirkt dieser Wahlkampf recht blutleer, da das Ergebnis des Urnengangs anscheinend weitgehend feststeht. CDU/CSU werden die mit Abstand stärkste Fraktion stellen und auch die nächste Bundesregierung wird von Angela Merkel als Kanzlerin geführt werden. Offen ist wohl nur noch die Frage, ob es für die Fortführung der Koalition mit der FDP reicht, oder ob jetzt wieder die SPD als Juniorpartnerin für die Durchsetzung des neoliberalen  Programms herhalten muss.            

Für Mieter/innen bedeutet dies in beiden Fällen nichts Gutes, denn die enge personelle und inhaltliche Verzahnung zwischen der privaten Immobilienwirtschaft und den bürgerlichen Parteien ist hinlänglich bekannt und wurde zuletzt bei der Mietrechtsnovelle eindrucksvoll dokumentiert.                                

 

Lobby: Haus & Grund und IVD        

Eine der wichtigsten Lobby-Organisationen der Branche ist die Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund, die darauf verweist, dass fast zwei Drittel des gesamten Mietwohnungsbestands von privaten Vermietern angeboten werden. In einer Veröffentlichung der Organisation vom August wird die Linie für die künftige Bundesregierung vorgegeben: „In der 18. Wahlperiode des Deutschen Bundestags müssen die Weichen in eine Richtung gestellt werden, die es den privaten Immobilieneigentümern auch weiterhin erlaubt, qualitativ hochwertigen Wohnraum zu angemessenen Mieten anbieten zu können. In erster Linie bedeutet dies, dass Wettbewerbsverzerrungen zum Nachteil privater Vermieter sowie weitere finanzielle Belastungen dieser Anbietergruppe unterbleiben müssen.“ Schließlich sei „die steigende Nachfrage nach Eigentum und Mietwohnungen auch das Signal für Investoren“, die sich bei weiteren Regulierungen schnell zurückziehen würden. Die Einführung einer Kappungsgrenze für bestehende Mietverträge von 15% in vier Jahren,  entsprechend dem SPD-Vorschlag, käme „einer schleichenden Enteignung gleich“. Zur Bekämpfung von Engpässen auf regionalen Wohnungsmärkten fordert der Verband stattdessen „gezielte Neubauförderung und verbesserte Sozialtransfers“. Das alte Rezept also: Erst sollen die Steuerzahler/innen den Bau neuer Wohnungen finanzieren, und dann sollen auch die Renditen mit öffentlichen Mitteln durch Subvention der Mieten dauerhaft garantiert werden, falls es nicht genug zahlungskräftige Nachfrage geben sollte. Auch der Immobilienverband Deutschland (IVD), der unter anderem die Interessen der Makler vertritt, hat klare Positionen – und versteigt sich in seinen „Wahlprüfsteinen“ zu skurrilen Thesen: „Wenn die Neuvertragsmieten gedeckelt sind und der potenziell gezahlte Preis als Kriterium für die Auswahl des Mieters entfällt, werden andere Auswahlkriterien an dessen Stelle treten. Entweder kommt es zu Korruption oder zu staatlich geregelten Auswahlmechanismen.“ Außerdem wäre eine Regulierung der Neuvertragsmieten „verfassungswidrig, weil die Vertragsfreiheit und die Eigentumsgarantie verletzt würden“. Beide Verbände sind sich zudem einig, dass die Möglichkeiten der Umlage von Modernisierungskosten keinesfalls eingeschränkt werden dürfen, und sie verlangen stattdessen verbesserte steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten sowie eine Kappung der Grund- und der Grunderwerbsteuer.        

 

Kein Ende des Wohnraummangels    

Wagen wir einen kleinen Ausblick: Die künftige CDU-geführte Bundesregierung wird die marktradikalen Forderungen der Immobilienverbände – allein schon wegen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat – nicht eins zu eins übernehmen. Sie wird den Ländern mit vielen Einschränkungen und Ausnahmeregelungen ermöglichen, in eng begrenztem Umfang Kappungsgrenzen bei Neuvermietungen festzulegen. Sie wird ferner zusätzliche steuerliche Anreize für privaten Wohnungsbau und -erwerb schaffen. Schritte zur Überwindung des Mangels an – auch für Einkommensschwache und Durchschnittsverdiener/innen erschwinglichen – Wohnraum sind von ihr allerdings keinesfalls zu erwarten – weder durch Mietpreisbegrenzungen noch durch öffentlich finanzierten Neubau.

 

Weitere Informationen:

Über die wohnungspolitischen Programme berichtete MieterEcho Nr. 360/ Juli 2013.


MieterEcho 362 / September 2013

Schlüsselbegriffe: Bundestagswahl 2013, Wahlkampfthema, Wahlprogramme, Mietpreise, privaten Immobilienwirtschaft, Lobby-Organisationen, Kappungsgrenze, Mietverträge, Neuvertragsmieten, Wohnraummangel, Mietpreisbegrenzungen,