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MieterEcho 358 / Februar 2013

Alter Schrott im neuen Kleid

Ob die neue Strategie für die Hinterlassenschaften des Bankenskandals aufgeht, ist mehr als fraglich

Benedict Ugarte Chacón

Es sollte wohl ursprünglich als Erfolg im von der großen Koalition ausgerufenen „Herbst der Entscheidungen“ gefeiert werden. Doch überlagert vom Skandal um den Flughafen und dem damit verbundenen neuen Finanzbedarf geriet die Neustrukturierung der Berliner Immobilien Holding (BIH) zum Nebenschauplatz. Zu Unrecht – immerhin geht es um 740 Millionen Euro öffentliche Gelder, die nun in die landeseigene Holding gepumpt werden. Und wie seinen Vorgängern fehlt dem rot-schwarzen Senat für die BIH ein Konzept, das über das bloße Nachschießen finanzieller Mittel hinausgeht (siehe auch MieterEcho Nr. 351/ Dezember 2011).

 

In der Berliner Immobilien Holding (BIH) befinden sich die in den 90er Jahren von der Bankgesellschaft Berlin aufgelegten Garantie-Immobilienfonds. Die beiden wichtigsten Garantien waren eine Mietgarantie, die den Fondszeichnern feste Mieteinnahmen unabhängig vom tatsächlichen Ertrag der Immobilien zusicherte, und eine Andienungsgarantie, die den Zeichnern zusichert, nach Ablauf von 25 Jahren ihren Anteil zu 100% der Investitionssumme der Bank zurückzuverkaufen. Dass bei solch einem nahezu risikofreien Angebot viele zuschlugen, ist nachvollziehbar, und so investierten immerhin rund 70.000 Zeichner in die Fonds der Bank. Da die Immobilien der Fonds jedoch nicht die entsprechenden Einnahmen generieren konnten, türmten sich die Risiken bei der Bank zum existenzgefährdenden Volumen. Im Jahr 2001 stand sie kurz vor dem Zusammenbruch und das Land Berlin entschloss sich zu ihrer Rettung. Hierzu wurde zunächst das Eigenkapital erhöht, was das Land 1,75 Milliarden Euro kostete. Die Risiken aus dem Fondsgeschäft wurden von Berlin in einer Höhe von bis zu 21,6 Milliarden Euro „abgeschirmt“, was bedeutet, dass das Land künftig für die Verluste aus diesen Geschäften aufzukommen hat. Nachdem die EU-Kommission die Bankenrettung betreffend möglicher wettbewerbsgefährdender Beihilfen überprüft hatte, erließ sie 2004 eine Auflage, die unter anderem den Verkauf der landeseigenen Anteile am Bankenkonzern vorsah. Zum Verkauf kam es 2007, nachdem ein Jahr zuvor die „abgeschirmten“ Immobilienfonds in Form der BIH auf das Land übertragen wurden. Vom erzielten Kaufpreis von 5,3 Milliarden Euro flossen 4,6 Milliarden Euro in eine Sonderrücklage, die der damalige rot-rote Senat eigens zum Auffangen der mit den BIH-Fonds übernommenen Risiken bildete. Von dieser Rücklage waren im Juli 2012 bereits 4,1 Milliarden Euro verbraucht. So geht es aus dem „Vierteljahresbericht zur Risikoabschirmung“ des Senats hervor. Diese Situation war seit Jahren absehbar, denn bislang ist es – entgegen so mancher Ankündigung – weder dem großsprecherischen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) noch seinem etwas leiser wirkenden Nachfolger Ulrich Nußbaum (parteilos) gelungen, die BIH zu für das Land Berlin vertretbaren Bedingungen zu veräußern.

 

„Mit Unsicherheiten behaftet“

Die BIH und ihre Tochtergesellschaften verwalten 571 Objekte mit rund 42.000 Mieteinheiten. Diese sind über ganz Deutschland verstreut und reichen von Einkaufszentren über Hotels oder Plattenbausiedlungen bis hin zu Multiplexkinos. Aufgrund der aktuellen Wohnraumdiskussion lohnt der Blick auf ihre Berliner Bestände, denn zu diesen gehören 31 Apartmentobjekte und 45 Wohnanlagen, die wiederum 20.000 Wohneinheiten umfassen. Alle Objekte befinden sich im Eigentum von 12 Immobilienfonds der BIH. Seit einigen Monaten betonen Koalitionspolitiker, dass diese Bestände auf irgendeine Weise in die landeseigenen Wohnungsbestände integriert werden sollten, um deren Zahl – wie im Koalitionsvertrag festgehalten – zu erhöhen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Finanzen befinden sich die Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaften im Gespräch mit der BIH, mit dem Ziel, „gemeinsam mit den Wohnungsbaugesellschaften eine wirtschaftlich optimierte Lösung für die endgültige Übernahme in Landesbesitz umzusetzen“. Das ist jedoch erst möglich, wenn die BIH vollständig über die Fondsimmobilien verfügt, was aufgrund der verbliebenen Fondszeichner bisher nicht der Fall ist. Zudem hält sich die Begeisterung bei den Wohnungsbaugesellschaften angesichts des aktuellen Verschuldungsstands der Berliner BIH-Bestände in Höhe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro, dem ein Buchwert von 1,2 Milliarden Euro gegenübersteht, wohl offenbar eher in Grenzen.

 

„Liquiditätsmodell“ für die BIH

Da mittlerweile die Sonderrücklage nahezu aufgebraucht ist, die BIH aber weiterhin finanzielle Unterstützung braucht, wurden zunächst für 2012 und 2013 jeweils 140 Millionen Euro in die Landeshaushalte eingestellt. Der neuen Strategie des Senats zufolge soll die BIH einmalig mit „ausreichender Liquidität“ versorgt werden, die bis zum Jahr 2026 halten soll. Hierzu summierte der Senat den Rest der Sonderrücklage mit den im Haushalt eingestellten 280 Millionen für 2012 und 2013, was eine Gesamtsumme von 740 Millionen Euro ergibt. Damit ausgestattet soll die BIH künftig ihren Weg als „normale Landesbeteiligung“ gehen. Das Abgeordnetenhaus stimmte diesem Geschäft mit den Stimmen der Koalition am 25. Oktober 2012 zu. Gleichzeitig wurde die ursprüngliche Summe der Risikoabschirmung von 21,6 Milliarden auf 3,8 Milliarden Euro gesenkt. Das ist allerdings eher als populistischer Schachzug zu verstehen, denn nach wie vor bürgt das Land für alle bei den Immobilienfonds anfallenden Risiken, nur nun eben auf einer anderen Berechnungsgrundlage. Ob das „Liquiditätsmodell“ wirklich greifen wird, scheint selbst der Landesregierung fraglich. So heißt es in der Begründung zur Vorlage für die oben genannte Parlamentsabstimmung etwas verschämt: „Die Berechnung der notwendigen Liquiditätsausstattung der BIH-Gruppe beruht auf Prognoserechnungen über die zukünftige Entwicklung der Immobilienfonds. Insofern ist sie naturgemäß mit Unsicherheiten behaftet.“ Wie die künftigen Geschäfte kontrolliert werden sollen, bleibt offen. Bislang war hierfür die Berliner Gesellschaft zum Controlling der Immobilien-Altrisiken (BCIA) zuständig, die die Rechtmäßigkeit von aus der Risikoabschirmung abgeleiteten Ansprüchen der BIH überprüfte. Die BCIA soll ihre Arbeit nun einstellen. Ob ohne sie ein tatsächliches Controlling stattfinden wird, kann mit Blick auf andere Landesbeteiligungen zumindest angezweifelt werden.

 

Kritik vom Landesrechnungshof

Die BIH selbst veränderte im Juni 2012 ihre Konzernstruktur und tritt seitdem unter dem Namen Berlinovo auf. Der Konzern sieht sich nun „auf dem Weg zu einem modernen, auf Kernkompetenzen fokussierten und am wirtschaftlichen Ergebnis orientierten landeseigenen Immobilienunternehmen“. Das erklärte Ziel bleibe „der vollständige Erwerb aller Fondsanteile, um auf diese Weise völlige Handlungsfreiheit über das Portfolio der 24 Rückkauffonds zu erlangen“. Dieser blumige Verweis umschreibt das seit Jahren bestehende große Problem: Die verbliebenen Fondszeichner. Zwar hatte sich ein Großteil der ursprünglichen Zeichner vor einigen Jahren nach langwierigen Auseinandersetzungen mit der BIH geeinigt, sodass das Land Berlin teilweise über 90% der Anteile in einzelnen Fondsgesellschaften besitzt. Damit kann das Land aber nach wie vor nicht über die Fonds und damit die Immobilien verfügen, denn nach wie vor halten ca. 6000 Zeichner an ihren Anteilen fest und können damit ihre Minderheitenrechte in den Gesellschafterversammlungen der Fonds geltend machen. Die Vertreter der Zeichner, die öffentlich auftreten, zeigten sich mit den bisherigen Angeboten des Landes nicht einverstanden und pochen weiter auf die seinerzeit von der Bankgesellschaft gegebenen und mit der Risikoabschirmung vom Land übernommenen Garantien. Doch ohne eine Einigung mit den verbliebenen Zeichnern – sprich: deren Herauskaufen aus den Fonds – bleiben alle Absichtserklärungen der Landesvertreter betreffend der Fondsimmobilien Makulatur. Scharf kritisiert wird das „Liquiditätsmodell“ vom Landesrechnungshof. Dieser moniert laut Medienberichten unter anderem, dass der Senat die Mitglieder des Abgeordnetenhauses durch die übermittelten Unterlagen nicht ausreichend informiert habe. Zudem sei nicht sicher, dass die nun aufgebrachten 740 Millionen Euro tatsächlich zur längerfristigen Sicherung der Liquidität ausreichen. Weiterhin ist es für den Rechnungshof fraglich, dass der im Liquiditätsmodell angenommene vollständige Ankauf der restlichen Fondsanteile bis Ende 2013 wirklich umgesetzt werden kann. Solcherlei Kritik weist der Senat jedoch scharf zurück: „Die Bedenken des Landesrechnungshofs sind sämtlich nicht zutreffend und geben daher keinen Grund, die Strategie bezüglich der Berlinovo zu ändern“, heißt es in der Antwort der Senatsverwaltung für Finanzen auf Anfrage der Piratenfraktion.

 


MieterEcho 358 / Februar 2013

Schlüsselbegriffe: Bankenskandal, Berliner Immobilien Holding, BIH, Bankenrettung, Liquiditätsmodell, Controlling, Landesrechnungshof, Rückkauffonds, Berlinovo, Fondsimmobilien