Rekommunalisierung als Farce
Senat kauft Anteile der teilprivatisierten Wasserbetriebe zurück
Benedict Ugarte Chacón
Jahrelang betonten Berlins regierende Politiker, an einen Rückkauf der 1999 zu 49,9% an RWE und Vivendi (heute Veolia) verkauften Berliner Wasserbetriebe sei gar nicht zu denken. Zu hoch der Preis, zu komplex die Privatisierungsverträge und außerdem wollten die Privaten ohnehin nicht verkaufen. Die angeblich festgefahrene Situation änderte sich 2012 dadurch, dass RWE nun doch zu einem Verkauf seiner Anteile bereit war. Und plötzlich kann es dem Senat nicht schnell genug gehen: Hinter verschlossenen Türen handelte er mit RWE einen Kaufvertrag aus, den das Abgeordnetenhaus nur noch abzunicken braucht.
Die im ursprünglichen Vertrag zwischen RWE/Veolia und dem Land Berlin vereinbarte „Gewinngarantie“ führt dazu, dass eventuelle Gewinneinbußen aus dem Landeshaushalt zu begleichen sind. Seit der Teilprivatisierung sind die Wasserpreise enorm gestiegen, was neben der völlig intransparenten Politik von Senat und Privaten sicherlich zum Erfolg des Volksentscheids zur Offenlegung der Verträge im Februar 2011 beigetragen haben dürfte. Nach Angaben von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) habe es vor der am 18. Juli 2012 erfolgten Unterzeichnung des Rückkaufvertrags zweijährige „intensive Verhandlungen“ gegeben. Geeinigt hat man sich nun auf eine Rückkaufsumme von 618 Millionen Euro, zuzüglich 30 Millionen Euro Zinszahlungen an RWE und 9,3 Millionen Euro „weitere Ausgleichszahlungen“. Der Vertrag soll, wenn das Parlament zustimmt, rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft treten. Mittlerweile hat auch Veolia angekündigt, über einen Verkauf der Anteile mit sich reden zu lassen.
Senat verstößt gegen Volksentscheid
Beim aktuellen Geschäft gibt sich der rot-schwarze Senat weniger geheimniskrämerisch als sein rot-roter Vorgänger und veröffentlichte den fertigen Verkaufsvertrag freiwillig auf seiner Website (Link siehe unten). Dabei beruft sich der Senat auf das „Gesetz für die vollständige Offenlegung von Geheimverträgen zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe“, das durch den von der Bürgerinitiative Berliner Wassertisch initiierten Volksentscheid durchgesetzt wurde. Demnach sind alle Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe „vorbehaltlos offen zu legen“. Doch wo der Senat auf der einen Seite vorgibt, sich an den Volksentscheid zu halten, verstößt er auf der anderen Seite kaltschnäuzig gegen ihn. Das Gesetz sieht nämlich auch vor, dass alle bestehenden Verträge – also das Vertragswerk zur Teilprivatisierung von 1999 und daran anschließende Änderungsvereinbarungen – „einer eingehenden, öffentlichen Prüfung und öffentlichen Aussprache durch das Abgeordnetenhaus“ bedürfen. Hierzu hat das Parlament einen Sonderausschuss gebildet, der seit Januar diese öffentliche Prüfung bis zum Ende des Jahres vornehmen soll.
Keine Senkung der Wasserpreise
Dass Senat und Koalition die Arbeit des Ausschusses in keiner Weise ernst nehmen, ist nicht neu („Nichts als Ausschuss?“ - MieterEcho Nr. 355/ Juli 2012). Und dass der Senat nun Fakten schafft, obwohl der Ausschuss seine Arbeit noch nicht beendet hat, ist ein weiterer Beleg für dieses Desinteresse. Während also der Sonderausschuss politische Folklore statt Aufklärung betreibt, zementiert der Senat unter dem Deckmantel einer angeblichen Rekommunalisierungspolitik den bestehenden Zustand bei den Wasserbetrieben – denn lediglich eine Änderung der Eigentümerstruktur ändert nichts an der Konzernstruktur, das ginge nur mit der Zustimmung von Veolia. Auch die Wasserpreise bleiben unverändert hoch und sind mit dieser Art der „Rekommunalisierung“ sogar noch für mehrere Jahre festgeschrieben. Denn der Clou beim von Finanzsenator Nußbaum ausgehandelten Rückkauf ist, dass sich dieser selbst tragen soll, was nun mal über die Preise zu geschehen hat. Der Rückkauf des RWE-Anteils an den Wasserbetrieben zeigt aber immerhin: Berlin kann sich nicht nur bei einer Privatisierung über den Tisch ziehen lassen, sondern zusätzlich auch noch die Rekommunalisierung vergeigen.
Weitere Infos:
www.berliner-wassertisch.net
www.berlin.de/sen/finanzen/vermoegen/beteiligungen/berlinwasser1.html
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