Placebo gegen Wohnungsnot
Das „Mietenbündnis“ des Senats mit den kommunalen Wohnungsunternehmen ist bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein
Rainer Balcerowiak
Jahrelang hat die Berliner SPD den stetig zunehmenden Wohnungsmangel ignoriert. Zudem verschärften die Verkäufe von landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die Aufhebung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung besonders in der Innenstadt die Mietpreisexplosion. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verstieg sich sogar zur Aussage, dass Mietsteigerungen nichts Negatives seien, da sie die wachsende Kaufkraft in der Stadt zum Ausdruck brächten.
Derlei Zynismus kann sich die Partei mittlerweile nicht mehr leisten. In der Koalitionsvereinbarung wurden unter anderem ein Neubauprogramm und ein „Mietenbündnis“ mit den verbliebenen kommunalen Vermietern angekündigt. Dieses wurde im September endgültig beschlossen und sieht für die noch rund 277.000 landeseigenen Wohnungen preisdämpfende Regularien vor. Die Miete kann künftig nicht mehr um 20% in drei Jahren, sondern nur noch um 15% in vier Jahren erhöht werden. Außerdem dürfen nach einer Modernisierung nur noch 9 statt 11% der Kosten jährlich auf die Miete umgelegt werden. Bei Neuvermietungen sollen 30%, innerhalb des S-Bahn-Rings 50% der Wohnungen an Geringverdienende vergeben werden. Eingeführt wurde auch eine Kappung der Mietbelastung bei 30% des Nettohaushaltseinkommens.
Mieterhöhungserklärungen auf dem Weg
Der Placebo-Charakter des „Mietenbündnisses“ zeigt sich besonders bei Letzterem. Die Kappung gilt nämlich lediglich für Mieter/innen, deren Einkünfte die – bundesweit geltenden – Grenzen für einen Wohnberechtigungsschein nicht überschreiten. Diese liegen für Alleinstehende bei 12.000, für 2-Personen-Haushalte bei 18.000 Euro pro Jahr. Einbezogen in die Kappung werden nur Wohnungsgrößen von 45 bzw. 60 qm für 1- bzw. 2-Personen-Haushalte. Für rund 60.000 Mieter/innen der kommunalen Wohnungsunternehmen hat das „Mietenbündnis“ zudem ein Eröffnungspräsent auf Lager. Die für ihre Wohnungen vorgesehenen und während der Verhandlungen ausgesetzten Mieterhöhungen werden nun verschickt. Ohnehin bezieht sich das „Mietenbündnis“ nur auf den öffentlichen Wohnungsbestand. Die exorbitanten Mietsteigerungen auf dem freien Markt bleiben unberührt. Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) verspricht immerhin, eine neue Zweckentfremdungsverbotsverordnung auf den Weg zu bringen, um die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen einzudämmen (MieterEcho Nr. 356/ September 2012), sowie weiter im Bundesrat auf Regelungen zur Begrenzung von Erhöhungen bei Neuvermietungen zu drängen. Doch Letzteres versprechen Politiker bereits seit Jahren – bislang ohne jeden Erfolg.
Jahrelange antisoziale Wohnungspolitik
Die Partei Die Linke trug bis zum Jahr 2011 in Regierungsverantwortung die antisoziale Wohnungspolitik der SPD ohne Murren mit. Nun in der Opposition will sie angeblich Mieterinteressen vertreten. Ihre wohnungspolitische Sprecherin im Abgeordnetenhaus, Katrin Lompscher, fordert vom Senat neben einer Zweckentfremdungsverbotsverordnung den Erlass einer Umwandlungsverordnung, die es den Bezirken ermöglichen würde, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen unter Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Falls es doch zu Umwandlungen kommt, soll der Schutz vor Eigenbedarfskündigungen berlinweit auf 10 Jahre ausgeweitet werden. Auch die Preissprünge bei Neuvermietungen könnten auf Landesebene abgemildert werden, so Lompscher gegenüber dem MieterEcho. Der Hebel wäre § 5 Wirtschaftsstrafgesetz, der Mietpreisüberhöhungen um mehr als 20% als ordnungswidrig einstuft, wenn der Vermieter ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausnutzt. Voraussetzung wäre laut Lompscher, dass die Landesregierung offiziell eine Wohnungsnot feststellt und damit die Grundlage für den Erlass entsprechender Milieuschutzverordnungen in einzelnen Quartieren, aber auch für Erfolg versprechende Individualklagen gegen Mietpreisüberhöhung schaffen könnte. Dies dürfte angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kaum realistisch sein. Der entschied im April 2005, dass das Tatbestandsmerkmal des „geringen Angebots“ nicht vorliege, wenn der Wohnungsmarkt für vergleichbare Wohnungen nur im betreffenden Stadtteil angespannt, im übrigen Stadtgebiet aber entspannt ist. Ein gegenteiliges Urteil des Hamburger Landgerichts wurde damit kassiert. Die Vorschläge dürften den Druck auf den Senat und die Bezirke, endlich wirksame Schritte gegen Mietpreisexplosion und Verdrängung zu unternehmen, wohl kaum erhöhen.
Weitere Infos:
www.stadtentwicklung.berlin.de
MieterEcho 357 / Dezember 2012
Schlüsselbegriffe: Mietenbündnis, kommunale Wohnungsunternehmen, Berliner SPD, Zweckentfremdungsverbotsverordnung, Mietpreisexplosion, Mieterhöhungserklärungen, Umwandlungsverordnung, Milieuschutzverordnungen, Neuvermietungen