Mut zur Lücke
Berlins neuer Justiz- und Verbraucherschutzsenator hat weitreichende Erfahrungen – nur nicht in Justiz und Verbraucherschutz
Benedict Ugarte Chacón
Nachdem sich Michael Braun als Vertreter der „alten Berliner CDU” nach kurzer Zeit wieder von seinem Senatorenposten verabschiedete, dauerte es einige Zeit, bis CDU-Chef und Innensenator Frank Henkel einen Nachfolger fand. Die lange Suche könnte darauf hinweisen, dass vorzeigbares Spitzenpersonal in der Berliner CDU nicht breit gestreut ist. Ein weiterer Hinweis ist, dass Henkels Wahl schließlich auf Thomas Heilmann fiel, denn was diesen zum Justiz- und Verbraucherschutzsenator qualifizieren soll, ist unklar. Heilmann ist zwar Volljurist, seinen bisherigen Berufsweg beschritt er allerdings fernab von Parlament und Verwaltung in der Werbe- und Agenturbranche.
Seit 2009 ist Heilmann neben den Urberlinern Frank Steffel und Michael Braun stellvertretender Landesvorsitzender der CDU. Aufgefallen ist er unter anderem im März 2010 durch die Erarbeitung des Konzepts der CDU zur Lösung der S-Bahn-Krise, in welchem recht oft die Vokabel „Wettbewerb“ vorkommt. Bundespolitisch war er seit 2000 für die CDU als „Internetsprecher“ engagiert und soll der damals neuen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel bei der Formulierung ihrer Thesen zur „neuen sozialen Marktwirtschaft“ behilflich gewesen sein. Nach der Entlassung Brauns als Justizsenator bekam Heilmann das Jobangebot von Henkel. Er hatte sich allerdings eine Bedenkzeit ausgebeten, während Henkel sich reihenweise Absagen einholte. Anfang Januar gab Henkel bekannt, dass er Heilmann als neuen Senator vorschlagen werde. Dieser bringe „frische Ideen“ mit und sei „eines der prägenden Gesichter der neuen CDU“.
Zweite Runde, zweite Reihe
Warum die angeblich neue CDU ihre frischen Köpfe nicht gleich in die erste Reihe rückte, sondern zuerst eine fast klassische West-Berliner Affäre verursachte, bleibt Henkels Geheimnis. Immerhin hatte Heilmann an den Koalitionsgesprächen mit der SPD teilgenommen und war zuvor an der Konzeption des Wahlkampfs beteiligt. Bei der ersten Runde der Postenvergabe ging er dann allerdings leer aus. Die Presse reagierte auf die Wahl Heilmanns zum größten Teil brav und freundlich verhalten. Der Tagesspiegel schrieb, er sei „einer, der für Erneuerung steht“. Selbst die taz lobte Heilmann fast überschwänglich. Klar könne er auch den Justizsenator geben, schließlich sei er als Unternehmer erfolgreich. Eine Senatsverwaltung scheint für die taz wohl nichts anderes zu sein, als eine Art Unternehmensbereich, in den sich jede/r schon irgendwie einarbeiten kann.
Erfolgreicher Unternehmer
In der Tat, der Unternehmer Heilmann hat es immerhin geschafft, die Glücksritterzeit der New Economy unbeschadet zu überstehen und seine Schäfchen rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Heute ist er an einigen Unternehmen dieser Branche beteiligt und war bis zu seiner Ernennung zum Senator Mitglied in verschiedenen Aufsichtsräten. Der Verkauf seiner Facebook-Anteile zur richtigen Zeit soll für ihn recht einträglich gewesen sein. Als Unternehmer bundesweit bekannt wurde er als einer der Gründerväter der Agentur Scholz & Friends, deren Geschicke er jahrelang maßgeblich mitsteuerte. Die bekannteste „Erfindung“ der Agentur ist wohl die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Diese vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall und verschiedenen Unternehmen getragene GmbH versteht sich selbst als „Denkfabrik“, die nach eigenen Angaben die „konsequente und konsistente wettbewerbliche Ausrichtung unserer Wirtschafts- und Sozialordnung“ zum Ziel hat. Vor diesem Hintergrund ist die „Liberalität“, die Heilmann von manchen Pressevertreter/innen zugebilligt wird, wohl weniger freiheitlich zu verstehen, sondern geht in Richtung dumpfer Unternehmenshörigkeit. Neoliberalismus eben.
Dass Heilmann keinerlei Erfahrung in den von ihm zu leitenden Bereichen hat, muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Es ist ja auch nicht das erste Mal, dass jemand ohne ausgewiesene Fachkenntnisse in Berlin Senator/in wird. Und im Fall Heilmann hätte es durchaus schlimmer kommen können: nämlich wenn er mit seinen neoliberalen Kurzkonzepten für Arbeit und Soziales zuständig geworden wäre.
MieterEcho 352 / Februar 2012
Schlüsselbegriffe: Justizsenator, Verbraucherschutzsenator, Berliner CDU, Thomas Heilmann, Neue Soziale Marktwirtschaft, Neoliberalismus