„Hier kaufen Sie Ärger!“
Mieter/innen der Forster Straße 8 in Kreuzberg konnten sich gegen die Modernisierungspläne der neuen Eigentümer gut behaupten
Tobias Höpner
Die Modernisierung von Altbauten gilt als Strategie, um drastische Mieterhöhungen durchzusetzen und Bestandsmieter loszuwerden. Doch gemeinsam können sich Mieter/innen erfolgreich gegen derartige Pläne der Vermieter zur Wehr setzen. Ein solches Beispiel ist die Forster Straße 8 in Kreuzberg.
Im Jahr 2009 erwarb eine Immobilienfirma das Haus und kündigte Modernisierungen an (MieterEcho Nr. 341/ Juli 2010 und Nr. 345/ Januar 2011). Viele Mieter/innen verweigerten die Zustimmung. Vor Gericht wurden die Modernisierungsankündigungen als unzureichend zurückgewiesen und die Investoren stoppten ihr Vorhaben. Zu diesem Zeitpunkt war nur noch etwa die Hälfte der Wohnungen bewohnt, doch diese Mieter/innen hielten von nun an zusammen. Zugleich war im Reichenberger Kiez die Stadtteilinitiative „Café Reiche“ entstanden. Betroffene aus dem Kiez unterstützten sich gegenseitig.
Offensiv gegen Investoren
So kam es, dass neue Kaufinteressenten in der Forster Straße 8 von auffälligen Schriftzügen empfangen wurden. „Here you buy trouble“ - Hier kaufen Sie Ärger, hieß es zum Beispiel, oder „Investors not welcome“ – Investoren nicht willkommen. Makler zeigten sich bei Besichtigungsterminen im Hof pikiert, als die Mieter/innen dort auf ihre Kampfbereitschaft hinwiesen. Schließlich hörten die Besichtigungen auf. Eine Prüfung beim Grundbuchamt ergab, dass ein Eigentümer aus Moskau das Haus im Juli 2011 gekauft hatte. Vertreten wurde er durch die Anevix Union Immobilien aus Eberswalde. Diese Hausverwaltung war erst sehr frisch im Immobiliengeschäft tätig und die Forster Straße 8 ihr erstes Haus in Berlin. Angesichts dessen war den Mieter/innen wichtig, mehr über die Strategie des Eigentümers herauszufinden. Auf einer Hausversammlung stellten die Mieter/innen fest, dass durch die vergangenen Aktivitäten das Vertrauen unter-einander gewachsen war und sie sich ein offensiveres Vorgehen zutrauten. Die Hausverwaltung wurde von der Hausgemeinschaft in ein Café eingeladen. Im Gespräch wurde klar, dass eine Modernisierung anstand, dass man es aber nicht mit Profis zu tun hatte und die Hausverwaltung noch wenig juristische Erfahrung mit dem deutschen Mietrecht hatte. Gleichzeitig deutete sich eine Bereitschaft zu Zugeständnissen an, um juristische Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Forderungen durchgesetzt
Im Januar 2012 kamen Modernisierungsankündigungen, die keinerlei formellen Ansprüchen genügten, aber einen Verzicht auf die Umlage der Modernisierungskosten nannten. Doch die Hausgemeinschaft wollte mehr erreichen. In einem gemeinsamen Antwortschreiben wurde als Voraussetzung zur Zustimmung zur Modernisierung ein mit Rechtsberaterinnen der Berliner MieterGemeinschaft entworfener Zusatzvertrag zu den Mietverträgen mit weitgehenden Sicherheiten eingefordert. Unterdessen hatten in leeren Wohnungen bereits Bauarbeiten begonnen. Der Baulärm wurde für angrenzende Mieter/innen zur erheblichen Belastung, sodass sie ihre Miete minderten. Zwei Mietparteien stimmten unter der Bedingung eines vertraglich gesicherten Rückzugs dem Umzug in Umsetzwohnungen zu. Die übrigen warteten weiter ab, denn die Hausgemeinschaft wusste um ihr größtes Faustpfand: Für die Modernisierung des Hauses waren Bauarbeiten in den bewohnten Wohnungen unerlässlich. Die Hauseigentümer waren also auf eine Einigung angewiesen. Und so konnten die Mieter/innen in Verhandlungen neben dem allgemeinen Verzicht auf die Modernisierungsumlage einige weitere Forderungen durchsetzen: den Verzicht auf Eigenbedarfskündigungen, eine Zustimmungspflicht für weitere Modernisierungen und die Festlegung von Vertragsstrafen im Fall einer verweigerten Rückkehr aus einer Umsetzwohnung sowie bei unabgesprochenen Grundrissänderungen. „Zusammenhalten lohnt sich“, kommentiert einer der Mieter das Ergebnis. „Man bekommt nichts geschenkt, aber in günstigen Situationen kann man einiges herausschlagen. Die Drohkulisse des Widerspenstigen hat zumindest einen weitgehenden Kompromiss ermöglicht.“ Der Austausch mit anderen Betroffenen im Kiez sei wichtig gewesen, um die Situation einzuschätzen, und nur mit der Unterstützung von außen konnten sie so lange durchhalten. So wohnen seit dem letzten Eigentümerwechsel alle Mieter/innen weiterhin im Haus.
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