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MieterEcho 356 / September 2012

Editorial September 2012

MieterEcho Editorial

LIEBE LESERINNEN UND LESER,


in den 80er Jahren war das besondere Städtebaurecht mit den Vorschriften über die Sanierungsgebiete die Domäne der Berufsbetroffenen. „Eigentümerunabhängige Mieterberatungsgesellschaften“ schossen wie Pilze aus dem Boden und zu beraten gab es manches. Ob immer im Sinne der Mieter/innen, hing weitgehend von den Fördermodalitäten ab. Stets aber profitierten die Berater/innen, deren Dienstleistungen auf jeden Fall honoriert wurden.

In den 90er Jahren schien nach dem Fall der Mauer ein neuer Boom in Sicht, denn der Sanierungsbedarf im Ostteil der Stadt war groß. Sanierungsgebiete wurden zahlreich ausgeschrieben, doch die öffentlichen Mittel sprudelten nicht mehr, sie tröpfelten nur noch.

Entsprechend gering war das Interesse der Eigentümer, sich im Aushandlungskomplex Sanierung/Förderung kooperativ zu zeigen, und so blieb vom Schutz der Mieter/innen wenig übrig. Die im Gesetz geregelte Mitwirkung der Betroffenen fand – wenn überhaupt – nur noch sehr lustlos statt. n den Bezirken bildeten sich Interessenverknüpfungen zwischen Investoren und Stadtentwicklungsgesellschaften wie S.T.E.R.N. und Mieterberatungsgesellschaften übten Druck auf die Mieter/innen aus.

Nachdem die rot-rote Koalition den Sanierungsgebieten mit den erneuerten Grundsätzen eine andere Richtung zum Schutz der hinzuziehenden Besserverdienenden – also ganz im Sinne dessen, was platt Gentrifizierung genannt wird – wies, wurde es still um die Sanierungsgebiete. Zum Glück, ließe sich hinzufügen.

Doch jetzt werden erneut Sanierungsgebiete ausgeschrieben. Förderung findet überhaupt nicht mehr statt. Nur einige zusammengesuchte Programme mit gänzlich anderen Fördertöpfen in wenig attraktiver Größe werden unterlegt. Damit sich überhaupt etwas bewegt, begünstigen die Maßnahmen ausschließlich die Investoren. Aber auch als neoliberales Programm für die Durchsetzung der Eigentümerinteressen enthält das Baurecht immer noch die Vorschriften über die Betroffenenbeteiligung. Sie könnten ein Instrument sein, dem neoliberalen Treiben Widerstand entgegenzusetzen. Einen Versuch wäre es wert.


Ihr MieterEcho


MieterEcho 356 / September 2012

Schlüsselbegriffe: Sanierungsgebiete, Sanierung, Förderung, Investoren, Stadtentwicklungsgesellschaften, rot-rote Koalition, Gentrifizierung, Neoliberalismus, Betroffenenbeteiligung