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MieterEcho 354 / Mai 2012

Die „sanfte“ Art der Entmietung

Wenn Vermieter Firmen beauftragen, das Gespräch mit Mieter/innen zu suchen, verbergen sich hinter der freundlichen Fassade oft knallharte Geschäftsinteressen

Von Mieter/innen aus den betroffenen Häusern

Bei einem Eigentümerwechsel erhalten Mieter/innen häufig schon nach kurzer Zeit besorgniserregende Post. Eine unbekannte Gesellschaft mit nichtssagendem Namen stellt sich vor und möchte die Miete auf ihr Konto überwiesen haben, eine neue Hausverwaltung moniert abgestellte Fahrräder im Hof oder ein Wohnungsvermesser begehrt den Zutritt zur Wohnung. Manchmal finden sich aber auch Briefe, die erst mal beruhigend klingen und ein Gespräch „zur Abstimmung beidseitiger Interessen“ vorschlagen, da Veränderungen anstehen würden. Doch Vorsicht ist angebracht, denn diese Gespräche können es in sich haben.

 

Mieterin Frederike S. bekam kurz nach einem Eigentümerwechsel solch einen Brief. Eine „Pro Soluta“ wünschte ein Gespräch, welches dem „einvernehmlichen Miteinander“ und „der Vermittlung zwischen Mietern und Eigentümern“ dienen solle. Eine Vollmacht des Eigentümers würde auf Verlangen vorgezeigt werden. Frederike S. wurde misstrauisch: Warum ist eine Vollmacht notwendig, wenn doch nur freundlich geplaudert werden soll? Um welche Abstimmung soll es dabei gehen und wer oder was ist eigentlich Pro Soluta?

Profitsteigerung durch Entmietung

Bei Firmen wie Pro Soluta handelt es sich um relativ neue Dienstleister. Beauftragt und im Erfolgsfall bezahlt von den Hauseigentümern, überreden oder bedrängen sie Mieter/innen zum Auszug, damit die Wohnungen profitabler werden. Im Gegensatz zu ähnlichen Fällen in den 80er Jahren treten allerdings nicht breitschultrige, kurzhaarige und ernst blickende Männer mit offen zur Schau gestellter Gewaltbereitschaft auf, sondern nett plaudernde, sich sozial und menschlich gebende, meist weibliche Personen.    Besonders auffällig mit solchen Aktivitäten ist in den letzten Jahren beispielsweise „Pro Soluta“ geworden, hinter der die  Person Birgit Schreiber steckt. Die genaue Bezeichnung variiert, es heißt auch mal „pro soluta“ oder „Prosoluta“. Interessanterweise ist die Einzelunternehmerin Schreiber auch Vorsitzende und Gründungsmitglied des „Pro Soluta e. V.“, der behauptet, „vor nicht zu verhinderndem Wohnraumverlust (...) stehende hilfsbedürftige Personen“ zu betreuen. Auch wird „Unterstützung bei Problemen mit der Hausgemeinschaft, Nachbarschaft und Hausverwaltung“ versprochen. Verein und Geschäftsinteressen werden hier anscheinend verquickt – vergleichbar einem Drogenberater, der nach offiziellem Dienstschluss auf eigene Rechnung Drogen verkauft.

Sympathiefaktor ausspielen

Außerdem gibt es noch die Soluta GbR, ebenfalls mit Birgit Schreiber. Im Angebot ist unter anderem die „Vermeidung von Verschuldung und  Zwangsräumung“. Geworben wird mit Erfahrung von „Konfliktlösung bei der  Entmietung von Objekten“, wobei sich Schreiber damit brüstet, dass „auch schon einmal über eine Hauswand geklettert werden muss“. Möglicherweise ist die Soluta GbR zurzeit nicht aktiv. Bleiben wir bei der Marke „Pro Soluta“ und der Protagonistin Schreiber: Ihre Dienstleistung, hier als Einzelunternehmerin, besteht in der „Begleitung“ der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Offensichtlich erhält Pro Soluta nach Beauftragung durch die Eigentümer sämtliche bekannten Kontaktdaten der Mieter/innen und beginnt mit der zunächst freundlichen Kontaktaufnahme. Ziel ist die Durchführung von Einzelgesprächen mit den einzelnen Mieter/innen. Gemeinschaftstreffen mit mehreren Mieter/innen werden grundsätzlich abgelehnt. Anfangs wird versucht, einen möglichst privaten, menschlichen Eindruck zu erzeugen. Unbedingt werden die Kinder erwähnt. Fruchtet dies nicht, wird über Probleme mit dem PC gejammert oder auch mal – scheinbar verwirrt, aber menschlich – in der Handtasche rumgewühlt.

Tonfall verschärft sich

Dank der durch die Vermieter und durch diese Gespräche erhaltenen Informationen kann Pro Soluta ein aussagekräftiges Mieterprofil erstellen: Alter, Familienstruktur, Zeit und Orte der Erreichbarkeit, Deutschkenntnisse, unter Umständen auch ungefähre Einkommensverhältnisse oder Gesundheitsprobleme. Diese Erkenntnisse werden in Maßnahmen umgesetzt, die wenig bis nichts mehr mit dem ersten Schreiben zu tun haben. Mieter/innen, die nicht schnell genug zu Gesprächen bereit sind oder diese nicht weiterführen möchten, werden mit häufigen Anrufen genervt. Der Tonfall verschärft sich. Berichtet wird von Behauptungen, dass angesichts des Wohnungsverkaufs nun der Auszug anstehen würde. Gern werden falsche Informationen zum Kündigungsschutz verbreitet, älteren Mieter/innen wird der schnelle Auszug nahegelegt, da mit zunehmendem Alter dieser ja schwieriger werde. Mieter/innen mit weniger guten Deutschkenntnissen wird auch mal direkt unverlangt ein Aufhebungsvertrag zugeschickt. Das Zuckerbrot weicht der Peitsche.

Am besten ignorieren!

Auf ein Gespräch mit einer solchen von den Eigentümern bezahlten „Mieterberatung“ sollte und muss sich niemand einlassen. Die „Berater“ sind geschult, um Mieter/innen zu ungünstigen Vereinbarungen zu überreden. Alles, was im Gespräch vorgeschlagen werden kann, könnten die Eigentümer auch schriftlich mitteilen. Wenn sie das nicht wagen, spricht das gegen die Seriosität ihres Vorhabens. Schreiben von Pro Soluta und ähnlichen Firmen sollten ignoriert werden. Trifft ein solcher Brief ein, sollten Betroffene die Beratung der Berliner MieterGemeinschaft aufsuchen. Spätestens jetzt ist es auch an der Zeit, sich mit Nachbar/innen auszutauschen, um dieser Situation nicht allein gegenüber zu stehen. Optimal ist dafür eine Mieterversammlung, die von der Berliner MieterGemeinschaft unterstützt wir.


Für wen sich eine Auszugsprämie lohnt

Manchmal, aber nicht immer, wird Geld als Auszugsprämie angeboten, allerdings lächerlich wenig im Verhältnis zum gesteigerten Verkaufs- oder Vermietungsgewinn. Teilweise wird auch Hilfe bei der Wohnungssuche angeboten, angeblich bestünden gute Kontakte zu vielen Vermietern und Wohnungsbaugesellschaften. Schriftlich erhielten Mieter/innen, die sich zu einem persönlichen Gespräch bereit erklärten, übrigens nichts. So kann im Nachhinein jede getroffene Vereinbarung geleugnet werden. Wieso lohnt es sich für Eigentümer/innen, Pro Soluta anzuheuern? Darüber gibt ein Rechenbeispiel mit realistischen Werten Aufschluss. Eine Wohnung mit 60 qm Wohnfläche und 4 Euro/qm Miete nettokalt (also monatlich 240 Euro) im nördlichen Neukölln soll zugrunde gelegt werden. Bei einer Neuvermietung sind 7,50 Euro/qm realistisch, also monatlich 450 Euro. Die Vermieter würden bei einer Neuvermietung jeden Monat 210 Euro mehr einnehmen, jährlich also 2.520 Euro. Pro Soluta bietet im Eigentümerauftrag beispielsweise eine Abfindung von 3.000 Euro – ein Betrag aus der Praxis. Die jährliche Rendite auf die einmalige Abfindung beträgt also satte 84%. Wer wegen dieser Abfindung eine Wohnung aufgibt, wird aktuell kaum eine Chance haben, vergleichbaren Wohnraum in ähnlicher Lage zum gleichen Preis zu finden. Die Abfindung wird deshalb recht bald durch die Mehrkosten der neuen Wohnung übertroffen. Selbst wenn die Mehrkosten nur 1 Euro/qm ausmachen und Mühe und Kosten für Umzug sowie die Einrichtung der neuen Wohnung unberücksichtigt bleiben, wird die Abfindung nach etwas über vier Jahren vollständig in die höhere Miete geflossen sein. Besonders nutzlos ist sie für ALG-II-Beziehende, denn die Abfindung wird vom Jobcenter als Einkommen angerechnet.

Wohnung als Ware

Auch bei dem Geschäft mit Eigentumswohnungen machen die Auftraggeber von Pro Soluta mit Abfindungen einen guten Schnitt. In einem Haus, in dem solche Angebote unterbreitet wurden, waren leer stehende Wohnungen für einen 700 Euro/qm höheren Verkaufspreis als vermietete zeitgleich inseriert. Bei 60 qm ist das ein Plus von 42.000 Euro, wovon 39.000 Euro abzüglich der Pro-Soluta-Provision in die Tasche der Verkäufer fließen. Aus Sicht der Profiteure ist es deshalb sinnvoll, mit viel Nachdruck auf einen solchen aus ihrer Sicht billigen Aufhebungsvertrag zu drängen.

Es bleibt zu fragen, weshalb solche Angebote Konjunktur haben. Auf einem normalen Wohnungsmarkt hätten Vermieter ein Interesse an langfristigen Mietverhältnissen, weil Auszüge dann nur Mühe und Kosten verursachen. Erst in jüngster Zeit konnten Anbieter wie Pro Soluta gegen Bewohner/innen in Stellung gebracht werden und ihre Existenz beweist, wie sehr sich der Wohnungsmarkt geändert hat. Seitdem der Berliner Markt boomt, gelten langjährige Mieter/innen als Verwertungshemmnis. Jetzt treffen steigende Einwohnerzahlen und zunehmende Verwandlung von Wohnungen in Zweit- und Ferienwohnungen mit dem fast zum Erliegen gekommenen Berliner Wohnungsbau zusammen. Im Ergebnis ist die ein Grundbedürfnis stillende Wohnung wieder in hohem Maß der Spekulation unterworfen.

 

Betroffene Häuser

Im Fall Pro Soluta sind bereits einige Häuser betroffen. Die Autor/innen freuen sich über weitere Informationen (Kontakt über die MieterEcho-Redaktion): Auguststraße 19 (Mitte), Erich-Weinert-Straße 17 (Prenzlauer Berg), Riemannstraße 16 (Kreuzberg), Sophienstraße 26 (Mitte), Stubbenkammerstraße 11 (Prenzlauer Berg), Weserstraße 59 (Neukölln), Wildenbruchstraße 6 (Neukölln), Willibald-Alexis-Straße 34 (Kreuzberg)

MieterEcho 354 / Mai 2012

Schlüsselbegriffe: Entmietung, „Pro Soluta“, Birgit Schreiber, „Pro Soluta e. V.“, Soluta GbR, Auszugsprämie, Abfindung, Spekulation