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MieterEcho 354 / Mai 2012

Den roten Teppich für private Akteure ausrollen

Das BMW Guggenheim Lab erklärt uns die neue Welt der liberalisierten Stadtentwicklung

Tobias Höpner

Nach Protesten entschied sich die Guggenheim-Stiftung gegen Kreuzberg als Bühne für das BMW Guggenheim Lab. Dabei verdiene das Projekt, wenn es nach dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) geht, „dass wir in Berlin für dessen Ansiedlung den roten Teppich ausrollen“. Die Industrie- und Handelskammer befürchtet, die Absage könne sich „negativ auf den Ruf unserer Stadt auswirken und der positiven Entwicklung des Wirtschaftsstandorts Berlin massiv schaden.“ Innensenator Frank Henkel (CDU) sieht in den Protesten gegen das Lab ein „Standortrisiko für Berlin“.Man möchte meinen, der Berliner Wirtschaft sei eine bedeutende Ansiedlung durch die Lappen gegangen. Dabei handelt es sich beim BMW Guggenheim Lab um eine auf zwei Monate begrenzte Veranstaltung in einem mobilen Pavillon.


Auch im Prenzlauer Berg gibt es Protest gegen das BMW Guggenheim Lab. 

 Foto: Tobias Höpner

 

Zu erwarten sind  Veranstaltungen zur Zukunft des Verkehrs in der Stadt, über eine ökologische Stadt und allgemein zur Stadt von morgen. Das BMW Guggenheim Lab stellt einen Diskursrahmen, der mit angesagten Begriffen wie Nachhaltigkeit, Verantwortung, Kreativität und Partizipation zu glänzen versucht, ohne jedoch diese mit Substanz zu füllen. Einer kunst- und kulturinteressierten Mittelschicht, angezogen von der bekannten Marke Guggenheim, bietet das Lab eine Art Volkshochschule des guten Gewissens, frei von Fragen und Antworten zu tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen und der dafür nötigen sozialen Basis. Das Zielpublikum kann, analog zum Einkauf im Biosupermarkt, Gutmensch sein, ohne die Grundlagen der Gesellschaft, die zur eigenen privilegierten Stellung führten, infrage stellen zu müssen.

Stadtimage schmackhaft für Investoren

Doch nicht deswegen stürzt sich die Berliner Stadtpolitik auf dieses Veranstaltungsangebot. Der Senat versucht alles, was vorgeblich Rang und Namen hat, in das Standortimage Berlins zu integrieren. Je mehr die erhofften Ansiedlungen Erfolg, Innovation, Kreativität sowie modischen Zeitgeist verheißen, um so mehr werden sie umworben. Das Stadtimage soll möglichst schmackhaft für Investoren gemacht werden. Weite Teile der Berliner Innenstadt werden der damit einhergehenden kommerziellen Aufwertung preisgegeben. Im Kreuzberger Wrangelkiez, wo das Guggenheim Lab zunächst landen sollte, kennt man diesen Prozess ebenso wie in Prenzlauer Berg, wo das Gelände des Pfefferbergs zum roten Teppich des Labs erklärt wurde.
Die ehemalige Brauerei am Pfefferberg wird seit vielen Jahren nach Maßgaben der profitablen Verwertung umgebaut. Laut der Planungsvorgaben des Sanierungsgebiets Teutoburger Platz soll die Pfefferberg GmbH im Nordhof, wo das BMW Guggenheim Lab gastieren wird, eigentlich eine öffentliche Grünfläche herrichten. Doch das Stadtplanungsamt Pankow hat der Pfefferberg GmbH vor Kurzem den Bau eines Bürogebäudes im Nordhof genehmigt. Nun sollen die Sanierungsziele der Genehmigungsrealität angepasst werden, was die Betroffenenvertretung und den Anwohnerverein „Leute am Teute“ spürbar verärgert.

Ausverkauf versus Daseinsvorsorge

So wie einerseits schmale partizipatorische Zugeständnisse der „behutsamen“ Stadterneuerung preisgegeben werden, wird auf Bezirksebene die Finanzierung von Sozial- und Kulturprojekten zusammengestrichen. Da kommen privatwirtschaftliche Akteure wie gerufen. Sie bekommen im neoliberalen Umbau hin zu einer austeritären, also einer an Sparpolitik und auf wenige Kernbereiche beschränkten, öffentlichen Hand eine immer größere Bedeutung und ersetzen in der Sozial- und Kulturpolitik staatliche Lücken. Wir können dem liberalen Ausverkauf das Leitbild der öffentlichen Daseinsvorsorge entgegensetzen. Vielen Berliner/innen sind Zeiten geringerer sozialer Spaltung und eines breiteren gesellschaftlichen Wohlstands bekannt, in denen die Kommune ein handlungsmächtiger Akteur war und nicht nur Diener und Teppichausroller für privatwirtschaftliche Interessen. Das BMW Guggenheim Lab gibt vor, bei seinen Veranstaltungen die Zukunft der Stadt zu verhandeln. Tatsächlich findet dieses Verhandeln bei den Diskussionen über das Lab statt. Wem wird in Berlin zukünftig der rote Teppich ausgerollt? Den privatwirtschaftlichen Akteuren? Oder denen, die die Interessen der breiten Bevölkerung nach einer vorausschauenden Stadtplanung und Wohnungspolitik, nach günstigen Mieten und gesellschaftlicher Teilhabe vertreten?


MieterEcho 354 / Mai 2012

Schlüsselbegriffe: BMW Guggenheim Lab, iberalisierte Stadtentwicklung, Guggenheim-Stiftung, Kreuzberg, Stadtimage, Investoren, Ausverkauf