Wohnen mit Touristen
Ferienwohnungen – zulässige Wohnnutzung oder genehmigungsbedürftige gewerbliche Nutzung?
Rechtsanwalt Dr. Roger Blum, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Zu den Folgen der Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen zählen nicht nur eine Wohnraumverknappung, sondern auch die mit der Vermietung an ständig wechselnde Gäste häufig einhergehenden erheblichen Störungen. Daher suchen Mieter/innen Möglichkeiten, sich bei Beeinträchtigungen durch Ferienwohnungsnutzung zu wehren. Es stellt sich die Frage, ob die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste eine Wohnnutzung oder eine Beschränkungen unterliegende gewerbliche Nutzung darstellt.
Uneinheitliche Rechtsprechung
Die Frage, ob die Nutzung einer Wohnung zur Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste oder andere Mieter/innen mit kurzfristigen Unterkunftsbedürfnissen eine Wohnnutzung oder eine gewerbliche Nutzung darstellt, wurde in der Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Einige Gerichte waren der Auffassung, dass die Wohnnutzung auch die Vermietung an Feriengäste umfasst. Andere Gerichte – darunter das Kammergericht Berlin – vertraten die Auffassung, dass eine Wohnnutzung durch das auf Dauer angelegte Bewohnen durch diejenigen Nutzer/innen geprägt ist, die ein Mindestmaß an Interesse an ihrer baulichen und sozialen Umgebung aufbringen und ihre Haushaltsführung mehr oder weniger selbst gestalten. Dagegen sei bei der Vermietung an einen ständig wechselnden Personenkreis eine gewerbliche pensions- oder hotelartige Nutzung anzunehmen, die über die Nutzung zu Wohnzwecken hinausgehe.
Die Überlassung von Wohnungen an Feriengäste beeinträchtige die anderen Bewohner/innen erheblich stärker als die übliche Wohnnutzung und sei mit dem Charakter eines Wohnhauses nicht zu vereinbaren. Bei der gebotenen typisierenden Betrachtung sei anzunehmen, dass Feriengäste weniger auf die Interessen der Hausgemeinschaft und den Zustand des Hauses Rücksicht nehmen, als diejenigen Bewohner/-innen, die ihren Lebensmittelpunkt in dem Gebäude haben. Diese achten im Eigeninteresse und im Interesse der Hausgemeinschaft mehr auf das Wohnumfeld. Die ständig wechselnden Bewohner/innen erhöhen auch die Anonymität zwischen den Nachbarn und verringern das Sicherheitsgefühl der übrigen Bewohner/innen.
Durch die kurze Verweildauer haben Gäste von Ferienwohnungen in der Regel keine Bindung an das Wohnumfeld, sie achten weniger auf die Interessen der Hausgemeinschaft und den Zustand des Hauses. Foto: nmp
Zwar könne auch bei einer Vermietung zu Wohnzwecken ein mehr oder weniger häufiger Wechsel von Benutzer/innen stattfinden, doch ist typischerweise mit längeren Intervallen zu rechnen. Dabei stehe nicht die tatsächliche Verweildauer im Vordergrund, sondern die Frage, ob mit einer längeren Aufenthaltsdauer gerechnet wird. Das OLG Stuttgart hatte eine Unterbringungsdauer unter einem halben Jahr als pensionsartige Nutzung angesehen, die nicht einem üblichen Wohngebrauch entspricht.
BGH sieht keine unzulässige gewerbliche Nutzung
Der Bundesgerichtshof (BGH) folgte der Auffassung der unteren Instanzen nicht und entschied in einer wohneigentumsrechtlichen Streitigkeit Anfang 2010 überraschend, dass die „Wohnnutzung“ grundsätzlich auch die Vermietung einer Eigentumswohnung an Feriengäste umfasst und keine unzulässige gewerbliche Nutzung darstellt (BGH, Urteil vom 15. Januar 2010, AZ: V ZR 72/09).
Die Vermietung an Touristen sei zwar steuerrechtlich als gewerbliche Tätigkeit anzusehen, doch komme es für die wohnungseigentumsrechtliche Einordnung der Nutzung allein darauf an, welche Nutzung in der Wohnung selbst stattfindet. Auch bei der Vermietung einer Eigentumswohnung an laufend wechselnde Gäste sei die Nutzung nicht gewerblich, denn auch in diesem Fall diene die Wohnung den Gästen als Unterkunft und damit zu Wohnzwecken. Der BGH führte aus, dass zur Wohnnutzung zwar in erster Linie die Nutzung als Lebensmittelpunkt gehöre, der Wohnzweck sich aber darauf nicht beschränke. Auch die Vermietung an Feriengäste sei grundsätzlich Teil der zulässigen Wohnnutzung.
Das Gericht begründet dies damit, dass der Begriff der Wohnung weit auszulegen sei. Der Eigentümer genieße den vollen Eigentumsschutz, dessen Beschränkungen an Artikel 14 Grundgesetz zu messen seien. Danach hat der Wohnungseigentümer grundsätzlich das Recht, mit dem Eigentum nach Belieben zu verfahren, insbesondere sein Eigentum auch an Feriengäste zu vermieten. Solange keine anderweitigen Regelungen der Wohnungseigentümergemeinschaft vorliegen, sei die Vermietung an Feriengäste Teil der zulässigen Wohnnutzung und insbesondere keine unzulässige gewerbliche Nutzung.
Der BGH war der Meinung, dass sich die kurze Dauer des Aufenthalts von Feriengästen in der Wohnung bei typisierender Betrachtung heute nicht mehr signifikant von der längerfristigen Vermietung einer Wohnung unterscheidet. Auch Mieter/innen, die ihre Wohnung dauerhaft bewohnen, haben das Recht, jederzeit wechselnde Gäste zu empfangen, sodass sich in jeder Wohnanlage Personen aufhalten können, die nicht zu den Dauerbewohner/innen gehören, die diese nicht kennen und diese deshalb möglicherweise verunsichern.
Auch sei nicht ersichtlich, dass Beeinträchtigungen wie Ruhestörungen oder der unachtsame Umgang mit der Wohnanlage bei Feriengästen typischerweise eher erwartet werden können als bei Dauerbewohner/innen. Das persönliche Klima in der Hausgemeinschaft kann sich auch verändern, wenn die Dauerbewohner/innen wechseln oder nicht mehr miteinander auskommen. Die Beeinträchtigungen sind nicht typisiert, sondern einzelfallbezogen zu betrachten.
Fazit
Auch wenn das Gericht die Vermietung an Touristen im Grundsatz gestattet, hat der BGH nicht jegliche Vermietung an Feriengäste für zulässig erachtet. Ein pensions- oder hotelähnlicher Betrieb ist nach wie vor unzulässig. Von einer Überschreitung der Wohnnutzung ist auszugehen, wenn zur Überlassung von Wohn- und Schlafräumen zusätzliche Dienstleistungen (zum Beispiel tägliche Reinigung, Wechsel von Bettwäsche und Handtüchern, Bestücken von Kühlschränken, Stellung eines Aufenthaltsraumes im Foyer) hinzutreten.
Wenn mehrere Wohnungen in einem Haus als Ferienwohnungen vermietet werden und damit eine bestimmte Anzahl von Gästebetten überschritten wird, gilt das Gebäude als Beherbergungsstätte und unterliegt damit bestimmten bauordnungsrechtlichen Auflagen.Während Wohnungseigentümer nach der Rechtsprechung des BGH ihre Wohnungen grundsätzlich als Ferienwohnungen vermieten dürfen, ist Mieter/innen die Untervermietung an Feriengäste ohne Erlaubnis des Vermieters nicht gestattet. Mieter/innen droht im Fall der ungenehmigten Untervermietung an Touristen eine Abmahnung und im Wiederholungsfall die fristlose Kündigung.
MieterEcho 350 / Oktober 2011
Schlüsselbegriffe: Touristen , Ferienwohnungen, Wohnnutzung, gewerbliche Nutzung, Wohnraumverknappung, uneinheitliche Rechtsprechung, Unterbringungsdauer, pensionsartige Nutzung, Beherbergungsstätte, Feriengäste, pensionsähnlicher Betrieb, Vermietung an Touristen, hotelähnlicher Betrieb, Dr. Roger Blum