Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 345 / Januar 2011

Wenn Mieter/innen sterben

Welche Rechte und Pflichten haben Haushaltsangehörige und Erb/innen?

Christiane Hollander
 

Die Sozialverbände schlagen Alarm: Alte Menschen haben große Schwierigkeiten, auf dem freien Markt eine Wohnung zu finden, und viele Senior/innen müssen gegen ihren Willen in betreute Einrichtungen ziehen. Der Grund ist die Furcht der Vermieter, nach deren Tod auf den Kosten sitzen zu bleiben. Denn nach dem Tod endet nicht etwa das Mietverhältnis, sondern die Erb/innen treten in den Mietvertrag ein. Wenn sie nicht auffindbar sind oder das Erbe ausschlagen, können Monate vergehen, in denen weder die Miete gezahlt wird, noch die Wohnung neu vermietet werden kann.

 

Christiane Hollander ist Juristin beim Mieterverein „Mieter helfen Mietern“ in Hamburg.

 
Wenn Mieter/innen sterben, sind die Haushaltsangehörigen gemäß §§ 563 ff. BGB gesetzlich geschützt. Sie treten unabhängig von der Erbfolge in das Mietverhältnis ein und können so ihre Wohnung behalten. Die Voraussetzung ist, dass zuvor ein gemeinsamer, auf Dauer angelegter Haushalt geführt wurde. Als der Gesetzgeber die Norm erließ, definierte er in seinen Ausführungen den Begriff „ein auf Dauer angelegter Haushalt“ näher: Alle Lebensgemeinschaften sind davon erfasst, die keine weiteren Bindungen gleicher Art zulassen und sich durch eine innere Bindung auszeichnen, die ein gegenseitiges Füreinandereinstehen begründen. Auch müssen sie über eine reine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (BT-Drucksache 14/4553, S. 61).

Die Gerichte sehen in der weiten Auslegung die Gefahr des Rechtsmissbrauchs durch die Mieter/innen und haben an das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts hohe Anforderungen gestellt. Es wurde z. B. in einem Fall verneint, in dem eine enge Freundin und Erbin der Verstorbenen mit getrenntem Mietvertrag das über der Wohnebene der Verstorbenen gelegene Geschoss bewohnt hatte. Dabei konnte tatsächlich nicht ausgeschlossen werden, dass möglicherweise eine gemeinsame Haushaltsführung bestand (LG München I, Urt. v. 11. Februar 2004, AZ: 14 S 18177/03).

Eine gemeinsame Haushaltsführung wird nicht angenommen, wenn bei Mieter/innen, die im Sterben liegen, wenige Tage vor deren Tod weitläufig Bekannte einziehen. Aber: Allein der Umstand, dass der irgendwann eintretende Tod „näher rückt“, schließt nicht aus, bis dahin auf Dauer gemeinsam zu leben. Der Zeitpunkt des Todes ist auch bei unheilbaren Erkrankungen immer ungewiss und der menschlichen Planung entzogen. Wenn in einer derartigen Situation das Zusammenleben bis zum Tod eines der Beteiligten konzipiert ist, ist es auf Dauer angelegt. In Berlin wurde ein Fall entschieden, bei dem der Erbe und der Verstorbene sich länger kannten und eine Beziehung pflegten, die letztlich zur Adoption des Erben führte. Als dieser dann zum todkranken Mieter zog, wurde ein auf Dauer angelegter Haushalt begründet. Das Gericht stellte dazu fest, wenn keine Anzeichen dafür vorlägen, dass der Erbe wieder ausgezogen wäre, wenn der Mieter noch ein oder zwei Jahre länger gelebt hätte, dann sei die Voraussetzung erfüllt (LG Berlin, Urt. v. 1. August 2006, AZ: 63 S 68/06).
 

Voraussetzung: Todesschein

Die gesetzlichen Vorschriften des BGB gelten nur, wenn die Mieter/innen wirklich tot sind. Es reicht nicht, dass sie verschollen sind oder mit unbekanntem Ziel in der Welt umher segeln. In diesen Fällen kann das Mietverhältnis nicht von den Angehörigen beendet werden. Das mag sich zunächst nicht sonderlich dramatisch anhören, aber so stehen Wohnungen manchmal über Jahre unnütz leer, und die Mietzahlungen schmälern das Bankkonto der Mieter/innen.

 

Rang- und Rechtsfolge für Haushaltsangehörige und Erb/innen

Die Ehe steht unter dem Schutz des Grundgesetzes (Artikel 6 Abs. 1 GG) und deshalb sind Ehepartner/innen rechtlich geschützt. Daran gibt es nichts zu rütteln und entsprechend steht es auch in den Vorschriften über die Übernahme des Mietverhältnisses im Todesfall. Mietrechtlich sind eingetragene Lebenspartnerschaften ebenso geschützt. Diese privilegierte Position gilt solange, wie die Ehe oder die eingetragene Lebenspartnerschaft nicht durch einen behördlichen Akt – Scheidungsurteil oder familiengerichtliches Urteil – aufgehoben wird.

Bei einer nicht-ehelichen Lebensgemeinschaft ohne staatliche Anerkennung muss die/der Lebenspartner/in die Führung eines gemeinsamen Haushalts nachweisen. Kinder treten in das Mietverhältnis ein, wenn der/die Ehegatte/in nicht eintritt. Bei einer Lebenspartnerschaft stehen die Kinder an der gleichen Stelle in der Rangfolge wie die/der Lebenspartner/in, es treten also beide ein. Kinder stellen auch immer Miterb/innen dar. Für geschäftsunfähige bzw. beschränkt geschäftsfähige Erb/innen entscheidet der/die gesetzliche Vertreter/in (z. B. bei Kindern das Elternteil). Ist keine/r vorhanden gilt § 210 BGB und die Frist beginnt erst mit der Bestellung eines Vertreters/einer Vertreterin.

Andere Familienangehörige wie z. B. Eltern, Enkel oder Geschwister treten in das Mietverhältnis ein, wenn weder Ehegatte/in noch Lebenspartner/in die Rolle besetzen. Allerdings muss dann ein gemeinsamer Haushalt geführt worden sein. Neuerdings wird auch bei einer Wohngemeinschaft ein Eintrittsrecht nicht mehr ausgeschlossen (siehe Infokasten).

Um es noch einmal klar zu stellen: Um in das Mietverhältnis des/der Verstorbenen einzutreten, ist der gemeinsame Haushalt die entscheidende Voraussetzung. Wenn der/die Mieter/in allein oder in einer reinen Wohngemeinschaft lebt, dann gilt die gesetzliche Erbfolge. Auch eine im Testament bedachte Person, die gar nichts mit der Wohnung zu tun hat, kann in dieser Rangfolge Mieter/in werden. Dies gilt auch für Vereine und Einrichtungen, die als Alleinerben eingesetzt wurden.

Der Eintritt in das Mietverhältnis erfolgt automatisch, unabhängig davon, was der Vermieter weiß oder will. Achtung: Es muss kein neuer Vertrag geschlossen werden. Viele Vermieter versuchen, den Erb/innen einen neuen Vertrag mit schlechteren Vertragsbedingungen und höheren Mieten anzudrehen. Dieser sollte nicht unterschrieben werden. Ein Vertragszusatz, der den Namen des Erben/der Erbin aufnimmt, ist völlig ausreichend. In Genossenschaften kann die Nutzung der Wohnung vom Eintritt des Erben/der Erbin in der Genossenschaft abhängig gemacht werden. Aber dies ist ein Ausnahmefall.
 

Problem Wohngemeinschaft

Stehen mehrere Personen im Mietvertrag, wird es manchmal kompliziert. Völlig unstreitig, weil in § 563a BGB gesetzlich geregelt, wird das Mietverhältnis mit den überlebenden Personen fortgesetzt, die zugleich Haushaltsangehörige und Mitmieter/innen sind.

Bei Wohngemeinschaften wird es komplizierter: Da treten die Erb/innen in das Mietverhältnis gemäß § 1922 BGB ein. Wenn z. B. ein junger Mensch stirbt, der in einer WG wohnte, haben die Eltern als Erb/innen das Recht, die Wohnung mitzubenutzen. Nach außen gegenüber dem Vermieter haften sie für den vertragsgemäßen Zustand der Wohnung und die Mietzahlung. Nach innen dürfen sie ihren Mietanteil von den Mitmieter/innen fordern, wenn diese das Zimmer in der WG fremd vermieten.

Da der Vertrag mit mehreren Personen geschlossen ist, darf nicht eine Person, also auch nicht der Erbe/die Erbin, allein kündigen. In einem solchen Fall sollte unbedingt das Gespräch mit dem Vermieter gesucht werden, damit eine Einigung über den Ausstieg der Erb/innen gefunden werden kann. Wenn die Vermieter das Mietverhältnis weiterführen wollen, dürfte hier kein Problem entstehen.

Anders ist es, wenn der Vermieter nicht mitmacht. Dann müssen sich die verbleibenden Mieter/innen mit den Erb/innen auseinandersetzen und gegebenenfalls einen Vertrag im Innenverhältnis, also zwischen den Beteiligten, machen, in dem die Erb/innen alle Rechte und Pflichten auf die Bewohner/innen übertragen und somit intern die Haftung abgeben.

 

Wenn der Eintritt in das Mietverhältnis nicht gewünscht wird

Die Rangfolge der eintretenden Personen ist deshalb wichtig, weil jede/r abspringen und dann der/die Nächste in das Mietverhältnis eintreten kann. Am Ende stehen die gesetzlichen Erb/innen, die kein Ablehnungsrecht haben. Sie können nur mit einer Frist von drei Monaten kündigen. Wer von seinem Ablehnungsrecht Gebrauch macht, hat zu keinem Zeitpunkt eine Verpflichtung des Mieters/der Mieterin übernommen.

Die Kündigungserklärung muss schriftlich innerhalb eines Monats nach dem Tod des Mieters/der Mieterin erfolgen. Da eine Begründung entbehrlich ist, ist für die Wirksamkeit der Kündigung nur entscheidend, dass sie fristgerecht und schriftlich erklärt wurde (AG Wetzlar, Urt. v. 27. Oktober 2009, AZ: 38 C 1411/09). Die einmonatige Frist beginnt mit der Kenntnis vom Todesfall. Wer die Frist versäumt, bewegt sich in der Grauzone der Juristerei. Dort will man eigentlich keine Ausnahmen zulassen, aber es gibt Fälle, in denen Menschen zwar vom Tod des Mieters/der Mieterin Kenntnis hatten, aber nichts davon wussten, dass andere in der Rangfolge das Eintrittsrecht ausschlagen würden, und sie daher schuldlos eine Frist versäumten. Mietrechtexpert/innen haben daher angeregt, dass das Ausschlagungsrecht ähnlich wie im „normalen“ Erbrecht nach § 1944 BGB erst dann beginnt, wenn der/die Vorstehende in der Rangfolge das Eintrittsrecht ablehnt und der/die Nachfolgende davon Kenntnis erhält. Hier ist der Gesetzgeber aufgerufen, Klarheit zu schaffen und Haushaltsangehörige nicht schlechter zu stellen als die übrigen Erb/innen.
 

Sonderkündigungsrecht des Vermieters

Auch Vermieter haben ein Sonderkündigungsrecht. In § 563 Abs. 4 BGB ist geregelt, dass er/sie bis zu einem Monat nach Kenntnis des Eintritts des Haushaltsangehörigen ein außerordentliches Kündigungsrecht hat. Die Kündigungsfrist beträgt dann drei Monate. Sie kann aber nur dann ausgesprochen werden, wenn in der Person des/der Eintretenden ein wichtiger Grund vorliegt. Falls die eintretende Person z. B. schon mehrfach Grund zur Abmahnung gegeben hat oder sich weigert, in die Genossenschaft einzutreten, die die Wohnung vermietet, kann dies eine Kündigung begründen. Allerdings kann es einer Wohnungsgenossenschaft im Einzelfall zugemutet werden, den Mietvertrag für eine Wohnung mit dem Kind des verstorbenen Mitglieds fortzusetzen. Der BGH hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Sohn des verstorbenen Mitglieds einer Genossenschaft mehrere Jahre in der Wohnung mit der Mutter gelebt und sich in die dortige Gemeinschaft beanstandungsfrei eingefügt hatte. Er war aber drogenabhängig und zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Nach Ansicht des BGH spielte dies eine untergeordnete Rolle, und der Sohn durfte die Wohnung behalten (BGH, Urt. v. 20. April 2010, AZ: VIII ZR 254/09).

Bei einer Kündigung kann der Erbe/die Erbin Widerspruch einlegen, wenn der Verlust der Wohnung eine unzumutbare Härte darstellen würde (§§ 574 ff. BGB).
 

Wenn Keine Haushaltsangehörigen vorhanden sind

Wenn keine weitere Person mit im Haushalt lebt, so wird das Mietverhältnis mit den Erb/innen nach dem Erbrecht fortgesetzt. In diesem Fall können sowohl Mieter/innen als auch Vermieter das Mietverhältnis einen Monat nach Kenntnis vom Todesfall mit einer Frist von drei Monaten beenden. Kündigungsgründe müssen nicht angegeben werden, lediglich die Frist ist zwingend einzuhalten.

Achtung: Bei einer Erbengemeinschaft muss die Kündigung von allen gemeinsam unterschrieben werden.

 

Haushaltsangehörige und Erb/innen: Wer haftet wofür?

Nach den besonderen Regeln des BGB ist es möglich, dass es z. B. eine Person geben kann, die als Haushaltsangehörige/r in das Mietverhältnis eintritt, und eine, die alles erbt. Für die Haftungsfrage ist eine eigenständige Norm eingeführt. In § 563 b BGB wird geregelt, dass beide Personen nebeneinander als Gesamtschuldner/innen für alle Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis haften, die bis zum Tod des Mieters/der Mieterin entstanden sind. Ob rückständige Mieten, Durchführung von Schönheitsreparaturen oder Nachzahlung von Betriebskosten – alles ist davon umfasst. Nicht dazu gehören Handwerkerrechnungen, und auch etwaige Schulden bei Energieversorgungsunternehmen trägt ausschließlich der Erbe/die Erbin. Alle Verbindlichkeiten, die nach dem Tod des Mieters/der Mieterin entstehen, sind Sache der Person, die das Mietverhältnis übernimmt. Der Erbe/die Erbin haftet im Verhältnis zur eintrittsberechtigten Person für alle Ansprüche, die davor entstanden sind. Hier gibt es nur eine Ausnahme: Hat der/die verstorbene Mieter/in mit dem/der Nachmieter/in einen Vertrag gemacht, dass diese/r auch für solche Verpflichtungen aufkommt, ist der Erbe/die Erbin davon befreit. Das ist die einzige Ausnahme zu den Vorschriften der §§ 563 ff. BGB, die ansonsten nicht abdingbar sind. Alle anderen Vereinbarungen, die die gesetzlichen Vorschriften verändern, sind unwirksam und damit nicht rechtsgültig.

Mietvorauszahlungen, die der/die Verstorbene geleistet hat, müssen dem Erben/der Erbin ersetzt werden. Das ist gesetzlich so geregelt, kommt aber in der Praxis fast gar nicht vor. Anders ist es mit der Mietsicherheit. Hat der/die Verstorbene keine Mietsicherheit geleistet, kann der Vermieter dies auch ohne vertragliche Abrede von dem/der neuen Mieter/in verlangen. Das ist häufig bei alten Mietverträgen der Fall. Anders ist es, wenn im Ursprungsmietvertrag eine Kaution vereinbart war und der/die Verstorbene diese nicht oder nicht vollständig geleistet hat. Dann haftet der Erbe/die Erbin.
 

Fazit

Das Problem der mangelnden Bereitschaft zur Vermietung an ältere Menschen ist nicht durch die gesetzliche Regelung zu lösen. Die entscheidenden Passagen sind nicht abdingbar, und das dient natürlich auch dem Schutz von Mieter/innen und sollte nicht verändert werden. Natürlich gibt es die Möglichkeit, neben einem alten Menschen auch die möglichen Erb/innen gleich mit ins Mietverhältnis aufzunehmen, aber dies ist für viele sehr unangenehm und entwürdigend. Man kennt die Aufnahme von weiteren Mieter/innen aus den Mietverträgen von Studierenden. Dort wird es gemacht, wenn die Eltern für ihre Sprösslinge haften sollen. Aber sollen umgekehrt die Kinder für die alten Eltern haften, die genügend Geld haben, um für die Miete aufzukommen? Das passt nicht wirklich. Besser ist es, wenn umsichtige Vermieter bei Mietvertragsschluss die Ansprechpartner/innen für den Notfall notieren. Diese Absicherung dient nicht nur den Vermietern, sondern auch den älteren Leuten, die wissen, dass vertraute Personen benachrichtigt werden, falls ein solcher Notfall eintritt.
 

MieterEcho Nr. 345 / Januar 2011


MieterEcho 345 / Januar 2011

Schlüsselbegriffe: Todesfall, Sterbefall, Erbe, Haushaltsangehörige, Familienangehörige, Mietvertrag, Erbfolge, Todesschein, Lebenspartnerschaft, Wohngemeinschaft, Sonderkündigungsrecht, Haftung

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