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MieterEcho 350 / Oktober 2011

Wann werden die Bezirksämter tätig?

Illegaler und gefährlicher Ferienwohnungsbetrieb ist zu untersagen

Jürgen Mickley, Bürgerinitiative Wilhelmstraße Berlin Mitte e.V.

Auf Betreiben der Bürgerinitiative Wilhelmstraße Berlin Mitte e.V. und des Hotel- und Gaststättenverbands änderte die Senatsverwaltung im Auftrag des Berliner Abgeordnetenhauses in nur sieben Monaten die Betriebs-Verordnung, die den baulichen Brandschutz für Beherbergungsstätten regelt. Häuser mit Ferienwohnungen gelten als Beherbergungsstätten, wenn mehr als 12 Betten kurzzeitig vermietet werden. Es handelt sich dann nicht mehr um ein Wohngebäude, denn Beherbergungsstätten sind Sonderbauten. An sie werden besondere Anforderungen bezüglich des Brandschutzes gestellt.



Zu den Vorschriften der Betriebs-Verordnung gehören das Freihalten der Rettungswege, die Anbringung von Rettungswegplänen und Hinweise zum Verhalten bei einem Brand. Befinden sich in einer Beherbergungsstätte mehr als 60 Betten, gelten deutlich strengere Vorschriften. Beispielsweise muss ein zweiter Fluchtweg und eine automatische Brandmeldeanlage vorhanden sein. Für Wohngebäude gilt das alles nicht. Seit der Änderung der Betriebs-Verordnung führen auch mehr als 12 Gästebetten in Ferienwohnungen dazu, dass das Gebäude als Beherbergungsstätte einzustufen ist.

12-Betten-Regelung ohne Anwendung

Seit Juni 2010 beschäftigt sich nun schon das Bezirksamt Mitte mit der Umsetzung dieser Verordnung im Wohngebiet Wilhelmstraße. Bisher ohne Erfolg. Unverständlich und fahrlässig sei es, dass noch in keinem einzigen Stadtbezirk die geänderte Betriebs-Verordnung umgesetzt wurde, betonte der Geschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands Thomas Lengfelder. Er wies darauf hin, dass neben den Brandschutzbestimmungen auch Hygienevorschriften und weitere Maßnahmen wie zum Beispiel die identitätskontrollierte Registrierung der Gäste für den sicheren Beherbergungsbetrieb notwendig seien. Regelmäßige Kontrollen der Ordnung und Sicherheit seien vorgeschrieben und notwendig. In den vielen derzeitig illegal betriebenen Billigquartieren in der Berliner City sind aber weder die baulichen Voraussetzungen noch Ordnung und Sicherheit gewährleistet. Dadurch werden die dauerhaft dort lebenden Menschen verunsichert und durch Lärm und Schmutz tyrannisiert. Durch das ständig wechselnde Publikum wird das normale nachbarschaftliche Zusammenleben zerstört.



Während sich die Touristen in den Ferienapartments wie zu Hause fühlen sollen, wird für viele Mieter/innen durch die permanent wechselnden Feriengäste das Zusammenleben in der Hausgemeinschaft zerstört.  Foto: nmp



Änderung der Betriebsverordnung

Die Vorschriften der Betriebsverordnung gelten gemäß § 14 Absatz 2 für Beherbergungsstätten mit mehr als 12 Gastbetten und seit der Änderung auch für Ferienwohnungen. In der Begründung zur Änderung der Verordnung heißt es: „Beherbergungsstätten sind Gebäude oder Gebäudeteile, die ganz oder teilweise für die Beherbergung von Gästen bestimmt sind. Die im bisherigen § 14 Absatz 2 formulierte Ausnahme für die Beherbergung in Ferienwohnungen entfällt. Das bedeutet, dass die Betriebsvorschriften für alle Beherbergungsstätten gleichermaßen gelten, somit auch für Beherbergungsstätten, in denen eine Beherbergung in Ferienwohnungen stattfindet. Es handelt sich bei einem Gebäude (oder Gebäudeteil) mit Ferienwohnungen dann nicht mehr um ein Gebäude mit Wohnnutzung, sondern um eine Beherbergungsstätte, wenn eine ständig wechselnde Beherbergung von Gästen stattfindet oder hoteltypische Serviceleistungen (z. B. Reinigung, Wechsel von Bettwäsche und Handtüchern, Bestücken von Kühlschränken) ausgeführt werden. Wird der Bauaufsichtsbehörde als Ordnungsbehörde bekannt, dass aus einem Gebäude mit Wohnnutzung nunmehr eine Beherbergung in Ferienwohnungen stattfindet und somit eine Nutzungsänderung in eine Beherbergungsstätte vorliegt, kann sie die nicht genehmigte Nutzung untersagen oder den Eigentümer auffordern, für diese nicht verfahrensfreie Nutzungsänderung das entsprechende bauaufsichtliche Verfahren gemäß den §§ 63 bis 65 Bauordnung Berlin durchzuführen.“     (Anmerkung: Hervorhebungen im Original.).

 

Illegale Nutzung

Eigentümer freuen sich über die Umzüge ihrer Mieter/innen in andere Stadtteile. Wer nicht freiwillig auszieht, wird mit anderen Mitteln gedrängt. Lukrativer können die Wohnungen schließlich an anspruchslose „Kurzschläfer“ vermietet werden. Eine Spirale von Verdrängung und Mietsteigerungen ist in Gang gekommen. Stadtquartiere ohne Dauerbewohner/innen sind allerdings für Touristen uninteressant, wie bereits auch einige Politiker erkannt haben. Ein „bisschen Verordnung“ für Beherbergungsstätten reicht aber nicht aus, um diese Entwicklung aufzuhalten. Zumal der Betrieb einer Beherbergungsstätte mit mehr als 12 Betten in einem Wohnhaus schon vor der Änderung der Betriebs-Verordnung eine Umnutzung darstellte, die nach der Landesbauordnung einer Baugenehmigung bedarf. Rund die Hälfte der 45 Häuser im Wohngebiet Wilhelmstraße werden derzeitig ungenehmigt und somit illegal als Beherbergungsstätten genutzt (siehe auch MieterEcho Nr. 333/ April 2009 und Nr. 335/ August 2009 - PDF). Die Mieter/innen hoffen, dass der Eigentümer nicht alle Häuser zu ordentlichen Hotels umbauen wird. Sie wünschen sich wieder normale Nachbarn, bei denen man sich mal ein Ei oder fehlenden Zucker borgen kann.

 

Betriebs-Verordnung:

Verordnung über den Betrieb von baulichen Anlagen (Betriebs-Verordnung – BetrVO) vom 10. Oktober 2007, geändert durch Verordnung vom 18. Juni 2010, im Internet:
www.stadtentwicklung.berlin.de/service/gesetzestexte/de/bauen.shtml

 

Kontakt und weitere Infos:

Bürgerinitiative Wilhelmstraße Berlin Mitte e.V. c/o Daniel Dagan,
Wilhelmstraße 90, 10117 Berlin
Tel.: 030-37306306, Fax: 030-37308092
E-Mail: anwohner@wilhelmstrasse.org

 

 


MieterEcho 350 / Oktober 2011

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