Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 349 /

Monopoly in Friedrichshain

Townhouses und Modernisierungen vertreiben Mieter/innen

Peter Nowak

 

„Friedrichshain ist auf eine einzigartige Weise modern und lockt mit genau der richtigen Mischung. (...) Voller Energie fand die positive Verwandlung des Quartiers vor mehr als 10 Jahren am Simon-Dach-Kiez ihren Anfang und setzte sich im Samariterviertel fort.“ So eine Werbeschrift, mit der die Townhouses im Parkquartier Dolziger einer einkommensstarken Klientel für einen Quadratmeterpreis von 3.480 Euro vermittelt werden sollen. Projekte wie das Parkquartier Dolziger sind keine Ausnahme in Friedrichshain. Mit dem dortigen Bauboom verschwinden die letzten Brachen und unsanierten Gebäude.

 

Manchmal gibt es dabei noch Störfaktoren, beispielsweise Mieter/innen mit rechtsgültigen Verträgen, wie in der Boxhagener Straße 70-72. Der Häuserkomplex wurde vom Projektentwickler PSG gekauft, der dort Townhouses errichten will. Davon erfuhren die verbliebenen 9 Mietparteien, darunter ein dort seit fast 60 Jahren wohnender Rentner, aus dem Internet, als der Umbau schon im vollen Gange war. Die Mieter/innen klagen über Schikanen, wie dass sie den Keller und die Mülltonnen nicht mehr benutzen durften. Mehrere dieser Verbote wurden von Gerichten ausgesetzt. Allerdings konnten sich die Eigentümer mit ihren Begehren durchsetzen, im Winter ein Treppenhausfenster zu entfernen, was nachfolgend zum Platzen der Wasserrohre führte. Das Ziel, die Mieter/innen zu vertreiben, wurde von der Rechtsanwältin der PSG offen ausgesprochen, denn nach einer Vollsanierung sei das Gelände besser zu vermarkten.

„Lindnerbetroffene“ vernetzen sich

Auch die Mieter/innen in der Boxhagener Straße 84 verfolgen aufmerksam, was nach dem Eigentümerwechsel mit ihrem Haus passiert. Der Häuserkomplex ist im letzten Jahr vom Tierschutzverein an die Lindner Wohnbauten GmbH verkauft worden, die in Berlin rund 70 Häuser besitzt. Mittels eines Blogs haben sich die Bewohner/innen vernetzt und tauschen Erfahrungen aus. Vor allem bei der Sanierung des Vorderhauses der Boxhagener Straße 84 seien Mieterrechte oft nicht eingehalten und Baumaßnahmen nicht angekündigt worden, sagen die Mieter/innen über ihre Situation. Auch sei ein Baugerüst länger als nötig vor dem Haus aufgestellt gewesen. Ihre Intervention war nicht erfolglos: „Am Anfang waren die Eigentümer uns gegenüber sehr ablehnend. Zurzeit ist erst einmal ein Waffenstillstand eingetreten“, so ein Mieter zur aktuelle Lage. Doch die Mieter/innen bleiben wachsam. „Noch haben wir eine gute Ausgangssituation. Die meisten Mieter kennen sich schon und wir verständigen uns auf gemeinsame Schritte.“ Allerdings seien schon während der ersten Sanierungsphase einige Mieter/innen ausgezogen. Die Wohnungen werden nicht neu vermietet und stehen leer. Das bestärkt die Mieter/innen in der Vermutung, dass die Eigentümer kernsanieren wollen, zumal auf dem Nachbargrundstück ein „Biohotel“ hochgezogen wird. „Touris kills our kiez“ hat jemand in schlechtem Englisch an die Fassade der Boxhagener Straße 84 gesprüht.

Nach Vollsanierung besser zu vermarkten

„Wir schließen“, verkünden große Schilder am Bekleidungsladen in der Frankfurter Allee 55. Der Auszug ist nicht ganz freiwillig. Nachdem die SEP-Invest GmbH das Haus gekauft und mit der Sanierung begonnen hatte, wurden zunächst einige stille Besetzer auf die Straße gesetzt, die dort mehrere Monate gelebt hatten. Aus Protest malten sie Schilder, um sich gegen ihre rabiate Vertreibung zu beschweren. „Wir hatten keine Zeit, um Sachen zu packen, sondern mussten sofort das Haus verlassen“, klagte eine von dem Vorgehen betroffene ältere Frau. Sie hatte Angst vor den Bauarbeitern, die ihr mit Schlägen gedroht hätten, wenn sie das Haus nicht verließe. Aber auch die Mieter/innen mit gültigen Verträgen sehen sich in ihren Rechten verletzt. „Mein Briefkasten war verschwunden, es gab kein Wasser, deshalb konnte ich nicht mehr in der Wohnung bleiben“, beschreibt eine Mieterin, die seit 10 Jahren in dem Haus wohnt, ihre Situation.    Die wenigen Beispiele zeigen, dass das in Immobilieninseraten beschworene „neue Friedrichshain“ für viele Mieter/innen keinen Raum mehr bieten wird.

 

Weitere Infos:
www.lindnerbetroffene.blogsport.de

 

 

MieterEcho 349 / September 2011

 


MieterEcho 349 /

Schlüsselbegriffe: Friedrichshain, Simon-Dach-Kiez, Samariterviertel, Townhouses, Parkquartier Dolziger, Bauboom, Boxhagener Straße 70-72, Boxhagener Straße 84, Lindner Wohnbauten GmbH, Vollsanierung, Frankfurter Allee 55, SEP-Invest GmbH

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