Modernisierung ohne Mieterbeteiligung
In der Jablonskistraße in Prenzlauer Berg wehren sich Mieter/innen dagegen, dass trotz Milieuschutzsatzung über ihre Köpfe hinweg modernisiert wird
Peter Nowak
Rudolf und Heike Schmidt wohnen seit mehr als 25 Jahren in der Jablonskistraße 37 in Prenzlauer Berg. Mittlerweile gehören Lärm und Staub zu ihrem Wohnalltag, denn seit über einem Jahr leben die Schmidts auf einer Baustelle. Im Sommer 2009 erwarb die Schneider Grundbesitz GmbH und Co. KG mit Sitz in Stimpfach das Haus. Das Unternehmen wirbt auf seiner Homepage unter anderem damit, beim Bundeskanzleramt und beim Hauptbahnhof die Fassaden gestaltet zu haben.
Die Mieter/innen der Jablonskistraße 37 sind von diesen Referenzen wenig beeindruckt. Sie erleben die Modernisierung ihres Hauses als chaotisch und fühlen sich übergangen. Im Juni 2010 begannen die Bauarbeiten. „Wir waren völlig überrascht, dass in den leer stehenden 1-Raum-Wohnungen im Hinterhaus plötzlich die Wände herausgerissen wurden, ohne dass jemand mit uns Kontakt aufgenommen hatte. Wir wandten uns sofort an das Bauamt, wo wir erfuhren, dass zu diesen Zeitpunkt noch nicht einmal ein formgerechter Bauantrag vorlag“, berichtet Rudolf Schmidt. Er hat mittlerweile mehrere Aktenordner voll mit Unterlagen, die seinen beharrlichen Kampf gegen die Modernisierung dokumentieren. Schmidt kennt seine Mieterrechte. Mittlerweile musste er zwar auch erfahren, dass sie manchmal nur schwer durchzusetzen sind, aber Teilerfolge gibt es. Nachdem er im letzten Sommer wegen unvollständiger Genehmigungen zwei Baustopps erwirkte, ruhten die Bauarbeiten von August 2010 bis zu Beginn dieses Jahres. Die Eigentümer dürften diese Baustopps bereits einiges an Geld und Nerven gekostet haben.
Duldungsklagen gegen mehrere Mieter/innen
Nachdem am 4. Januar 2011 die Baugenehmigung unter Milieuschutzrichtlinien erteilt worden war, gingen die Bauarbeiten am 10. Januar weiter. „Es war alles so, als wäre seit August nichts geschehen. Wir Mieter wurden bestenfalls durch einen Zettel im Briefkasten in Kenntnis gesetzt, wann Wasser, Gas oder Strom abgestellt werden“, moniert Schmidt. Auch die mangelnde Baukoordinierung und die fehlende Kommunikation mit den Mieter/innen bemängelt er. Als Beispiel nennt er die Entfernung von Schornsteinköpfen, obwohl noch Öfen an den Schornsteinen angeschlossen waren und der Bezirksschornsteinfegermeister keine Kenntnis von dem Abriss hatte. Ein Mieter mit Ofenanschluss an dem nicht mehr benutzbaren Schornstein sei von der Hausverwaltung gedrängt worden, sofort eine Umsetzwohnung zu beziehen. Nach anfänglichem Sträuben habe er sich schließlich dazu bereit erklärt. Auch der Umzug der Mieter/innen in der vierten Etage des Vorderhauses erfolgte nicht ganz freiwillig. Nach starken Regenfällen im Juni 2011 und infolge versäumter Dachentwässerung waren ihre Wohnungen wegen starker Wasserschäden unbewohnbar. Wegen Schimmel und Feuchtigkeit zog eine Mieterin mit einem Kind schließlich in eine Umsetzwohnung.
Bisher haben die Schmidts, die Mitglieder der Berliner MieterGemeinschaft sind, keine Modernisierungsvereinbarung unterschrieben. Inzwischen werden sie wie auch andere Mieter/innen von den Eigentümern auf Duldung der Modernisierung verklagt. Die ersten Gerichtstermine sind Ende des Jahres angesetzt. Das Gebäude liegt im Milieuschutzgebiet Winsstraße-Nord. Ein Mitarbeiter des zuständigen Bezirksamts Pankow erklärte auf Nachfrage des MieterEchos, ihm seien die Probleme der Mieter/innen aus der Jablonskistraße 37 bekannt. Details wollte er nicht nennen.
MieterEcho 350 / Oktober 2011
Schlüsselbegriffe: Modernisierung, Jablonskistraße 37, Schneider Grundbesitz GmbH und Co. KG, formgerechter Bauantrag, Bauamt, Baustopp, Duldungsklage, Milieuschutzrichtlinien, Milieuschutzsatzung, Milieuschutzgebiet Winsstraße-Nord, Peter Nowak