Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 351 / Dezember 2011

Linienhof vor dem Aus

In Mitte steht ein selbstverwaltetes Werkstattprojekt kurz vor der Räumung

Karin Baumert

Der Linienhof liegt gegenüber dem Garnisonsfriedhof, in dem kleinen Dreieck, das von der Rosenthaler Straße, der Linienstraße und der Kleinen Rosenthaler Straße begrenzt wird. Der Hof mit der Adresse Kleine Rosenthaler Straße 9 war jahrelang unscheinbar geblieben. Das Areal wurde früher durch den „Eimer“, einem Kulturprojekt in einem besetzten Haus, und das besetzte Haus in der Linienstraße 206 geprägt. Doch mit dem großen Bauboom begann die Verwertung der letzten Lücken in der Spandauer Vorstadt. Der Linienhof wurde von Hotels und Luxuswohnungen umschlossen, und seitdem blicken Besucher von ihren Hotelfenstern auf das „authentische Berlin“, das sie nur von Musikvideos und Werbung kannten. Denn gern wirbt Berlin mit seinem undressierten Charme und kreativen Freiräumen.


Als sich im Jahr 2007 Mathias Greffrath und Hortensia Völckers dieses Grundstück aussuchten, eines der letzten Baugrundstücke weit und breit, ahnten sie nicht, dass die linke Szene dort seit über 15 Jahren ihre Autos schraubt, die Schmiede für Werkstattarbeiten nutzt und der Hof für viele einen Ort des nichtkommerziellen Berlins darstellt. Vor zehn Jahren, als die Wohnungsbaugesellschaft Mitte das Grundstück verkaufte, wurde mit den damaligen Käufern mündlich eine unentgeltliche Weiternutzung vereinbart. Mit dem Verein Kathedrale e.V. gaben sich die Nutzer/innen eine juristische Person und unterstrichen ihre Ernsthaftigkeit.

Baugruppenprojekt in Mitte

Als einige Jahre später Völckers und Greffrath das Grundstück zur Verwirklichung eines Baugruppenprojekts erwarben, rechneten sie offenbar nicht mit Widerständen gegen ihre Baupläne. Zu einer angekündigten Begehung des Grundstücks durch die Eigentümer fanden sich rund 50 Unterstützer/innen ein, um den Kontakt und den Dialog mit ihnen zu suchen. Denn anders als die meisten Investoren in dieser Gegend schreiben und arbeiten die neuen Eigentümer für das Prekariat und die Kreativwirtschaft. Greffrath, der unter anderem für attac und für die taz schreibt, lässt in seinen Texten gern durchscheinen, dass eine andere Welt möglich sei. Völckers thematisierte als Direktorin der Bundeskulturstiftung schrumpfende Städte und kuratierte zu diesem Zeitpunkt ein Projekt mit dem Titel „Über Lebenskunst“ im Haus der Kulturen der Welt.

Anwohner/innen solidarisch

Eine gemeinsame Lösung wurde nicht gefunden, denn die neuen Eigentümer verweigerten jedes Gespräch. Und so blieb die Frage stehen: Kann man links schreiben und rechts handeln? Die Baugruppendebatte (siehe Mieter-Echo 343 / November 2010) wurde durch den Linienhof konkreter und verdeutlichte aufgrund der moralischen Instanz der Protagonisten die Doppelmoral der etablierten linken Schicht. Vor dem Hintergrund steigender Mieten zeigten sich auch die Bewohner/innen der Umgebung, insbesondere aus den benachbarten Plattenbauten, mit Unterschriftenlisten solidarisch. Eine offene Werkstatt und eine öffentliche Veranstaltung brachten Anwohner/innen und für den Linienhof engagierte einander näher. So wurde der Linienhof zu einem der letzten umkämpften Orte in der Spandauer Vorstadt. Nun soll er geräumt werden.

Einstweilige Verfügung

Am 29. Juni 2011 machten Bauarbeiter den Versuch, das Grundstück in Besitz zu nehmen. Sie brachen das Schloss auf und fingen mit Abrissarbeiten an. Nur das schnelle Eingreifen von Anwohner/innen verhinderte den Abriss der Werkstätten. Mit einer einstweiligen Verfügung wehrte sich der Verein dagegen. Das Landgericht von Berlin bestätigte diese am 24. August und übergab dem Verein das Grundstück. Zu diesem Zeitpunkt hatten die vermeintlich linken Eigentümer das Grundstück bereits an die in Gründung befindliche Kles GmbH verkauft. Am Morgen der widerrechtlichen Inbesitznahme durch die Bauarbeiter wurde Greffrath mit dem Anwalt der Kles GmbH im benachbarten Café gesehen. Nun vermutet man, dass die Kles GmbH eine Strohfirma ist, um die Eigentümer aus den öffentlichen Debatten über die Zukunft der Gesellschaft und das Überleben in Zeiten des Neoliberalismus herauszuhalten. Diese Debatten führt man gern unter sich, wohltemperiert in seiner Eigentumswohnung. 

Anmerkung: Am 21. November 2011 bestätigte das Landgericht Berlin, dass die Kündigung der Nutzungsverträge durch die Kles GmbH wirksam ist. Zum Redaktionsschluss des MieterEchos war die Räumung des Linienhofs im Laufe des Dezembers zu erwarten.

Weitere Infos: www.linienhof.blogsport.de


MieterEcho 351 / Dezember 2011

Schlüsselbegriffe: Linienhof, selbstverwaltetes Werkstattprojekt, Kündigung, Räumung, Kleine Rosenthaler Straße 9, Spandauer Vorstadt, Mathias Greffrath, Hortensia Völckers, Baugruppenprojekt, Kles GmbH, Nutzungsverträge

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