Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 350 / Oktober 2011

„Im Grunde hast du plötzlich keine Rechte mehr“

Erfahrungen aus einem Haus mit Ferienwohnungen

Interview mit einer betroffenen Mieterin in Prenzlauer Berg

In einem Altbau in der Stargarder Straße 72 im Sanierungsgebiet Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg werden 6 Ferienwohnungen für insgesamt 24 Berlinreisende angeboten. Nicht nur mit dem Lärm der Ferienwohnungsgäste, sondern auch mit permanenten Baumaßnahmen müssen die Mieter/innen leben, denn fortlaufend werden Wohnungen saniert und zu Ferienwohnungen umgenutzt. Die Mieter/innen wohnen hingegen zum Teil immer noch mit Außentoilette, Ofenheizung und Badewanne in der Küche. In ihren Wohnungen unternimmt der Eigentümer nichts, denn sie sollen der lukrativen Vermietung von Ferienwohnungen weichen. Das MieterEcho sprach mit Maria Vinzer*, seit 9 Jahren Mieterin im Haus. * Name von der Redaktion geändert.

 


MieterEcho: Seit wann gibt es Ferienwohnungen in Ihrem Haus?

 

Maria Vinzer: Seit 2006 ist der in London ansässige  Shaune Cooke Eigentümer des Hauses. Es stellte sich schnell heraus, dass er versucht, mit dem Haus möglichst viel Geld zu machen. Erst wollte er das mit Mieterhöhungen erreichen, musste dann aber feststellen, dass es aufgrund des Mietrechts hier nicht so einfach wie in England ist. Als 2008 zwei Dachgeschosswohnungen im Haus frei wurden, baute er sie zur Ferienwohnung um. Danach konnte man quasi zusehen, wie immer mehr Wohnungen umgewandelt wurden. Das lohnt sich für ihn viel mehr als die Mieten der Altmieter/innen. Wir waren für ihn von Beginn an nur „Mietzecken“, weil wir gemäß Mietspiegel noch relativ günstige Mieten zahlen. Im Vergleich zu London sind Mieten von unter 300 Euro monatlich für 56 qm Wohnfläche natürlich ein Witz. Deshalb will er uns loswerden.



Sie sagten, der Eigentümer wolle die Altmieter/innen loswerden. Mit welchen Methoden geht er vor?


Herr Cooke ist in seiner Art sehr übergriffig. Er begrüßt einen mit ‚Küsschen links, Küsschen rechts’ und wenn man nicht aufpasst, steht er plötzlich in der Wohnung. Sagt man aber offen „Nein“ und besteht auf seine Rechte, wird er unangenehm. Begonnen hat er 2007 mit Mieterhöhungen ohne Begründung. Anschließend blieben Reparaturen aus und es wurde nicht mehr geputzt, sodass wir Ratten im Hof hatten. Auf meine Beschwerde antwortete er, dass er die Angelegenheit natürlich regeln könne, ich aber meine Zeit besser nutzen solle, um mir eine neue Wohnung zu suchen, denn die Miete würde ja demnächst stark steigen. Vor Kurzem hat er meine im Keller untergebrachten Sachen eigenmächtig in einen anderen Keller geräumt und ich musste wochenlang auf den neuen Schlüssel warten, um dann festzustellen, dass es in dem anderen Keller kein Licht gibt. Meinem Nachbarn haben die Bauarbeiter das Außenklo zugeschüttet und bei einer anderen Mieterin wurde es einfach abmontiert. Die Ferienwohnungen, die es bereits im Haus gibt, spielen ihm bei der ganzen Sache natürlich in die Hände. Wir erleben Ferienwohnungen als eine Möglichkeit, den Mieter/innen „Beine zu machen“.


Im Haus in der Stargarder Straße befinden sich in den oberen, sanierten Stockwerken (Bild rechts) Ferienwohnungen. Die darunter gelegenen Mietwohnungsetagen (Bild links) hingegen sind in einem völlig maroden Zustand.   Fotos: Laura Berner



Welche Probleme ergeben sich durch die Ferienwohnungen?


Ich arbeite als Freiberuflerin oft außerhalb Berlins. Wenn ich nach Hause komme, brauche ich Ruhe, um mich zu  erholen und mich auf die Arbeit vorzubereiten. Ruhe gibt es aber hier wegen der Ferienwohnungen nicht mehr. In der Dachgeschosswohnung sind fast ausschließlich Partytouristen. Die kommen mit großem Hallo an, schleppen Bierkisten die Treppe hoch, dann kommen oft noch Freunde dazu und es wird bis 1 Uhr nachts Party gemacht. Dann geht es angetrunken runter auf die Piste. Zwischen 4 und 5 Uhr werde ich dann wieder geweckt, wenn die Partytouristen die Treppe raufpoltern. Ich stimme mittlerweile meine Abendplanung mit dem Online-Belegungskalender der Ferienwohnungen ab, obwohl ich mich nie davon beeinflussen lassen wollte. Außerdem ist der Wasserverbrauch gestiegen, denn in der Dachgeschosswohnung, wo vorher zwei Leute gewohnt haben, sind die Touristen nun zu sechst. Und neben mir, wo früher ein Mieter wohnte, sind meist vier Gäste untergebracht. Nicht zuletzt wurde unsere ehemals sehr gute Hausgemeinschaft fast vollständig zerstört. Früher kannte ich hier alle, aber die  damaligen Mieter/innen sind fast alle ausgezogen, weil das niemand aushält.



Haben Sie sich gegen die Belastungen durch die Ferienwohnungen gewehrt?


Anfangs versuchte ich, mich mit den Nachbar/-innen zu vernetzen. Die sahen das zwar alle so wie ich, aber die meisten hatten keine Zeit oder andere Pläne. Inzwischen ist kaum noch jemand geblieben, der oder die sich wehren könnte. Im Jahr 2008 wandte ich mich zum ersten Mal an die bezirkliche Mieterberatung im Sanierungsgebiet. Der Eigentümer hatte mit staatlicher Förderung sanieren wollen, aber das wurde wegen der zu befürchtenden Ferienwohnungsnutzung abgelehnt. Der Umwandlung wurde keine Bedeutung beigemessen. Im Mai dieses Jahres zeigte ich die Baumaßnahmen in der Wohnung über mir beim Bauamt an, weil ich mir sicher war, dass keine sanierungsrechtliche Genehmigung vorliegt. Tatsächlich kam ein Baustopp, aber nur für 10 Tage. Schließlich hat der Eigentümer wohl die nötigen Unterlagen vorgelegt und das Bauamt hat die Genehmigung erteilt, obwohl ich betont hatte, dass alle sanierten Wohnungen im Anschluss als Ferienwohnungen genutzt wurden. Später habe ich den Verstoß gegen die 12-Betten-Regelung angezeigt. Diese schreibt seit 2009 für Beherbergungsstätten ab einer Größe von 12 Betten verschiedene Zusatzbestimmungen vor, die bei uns nicht erfüllt werden. (Weitere Infos zur 12-Betten-Regelung siehe Seite 12.)



Wie hat die Bauaufsichtsbehörde reagiert?


Anfangs eher vorsichtig. Die Mitarbeiter/innen des Bauamts zeigten sich zwar verständnisvoll, sind aber personell überfordert. Zudem betonten sie, keine rechtliche Handhabe gegen den Eigentümer zu haben. Die einzige Chance, gegen ihn vorzugehen, liege in der 12-Betten-Regelung. Dafür musste aber zunächst bewiesen werden, dass eine Ferienwohnungsvermietung in diesem Umfang stattfindet. Daraufhin habe ich den Link zu den Internet-Angeboten geschickt, aus dem hervorgeht, dass die Zahl überschritten wird. Weder die Anzeigen noch die Aussagen mehrerer Mieter/innen aus dem Haus reichten dem Bauamt allerdings als Beweis. Mittlerweile haben sich die Zuständigen die betreffenden Wohnungen aufschließen lassen und dabei festgestellt, dass es sich tatsächlich um Ferienwohnungen handelt. Nun heißt es, man wolle eng mit dem Stadtplanungsamt zusammenarbeiten, um die im Sanierungsgebiet unzulässige Umnutzung zu verbieten.

 


Was müsste Ihrer Meinung nach grundsätzlich getan werden?


Ich habe erlebt, dass ich durch das Mietrecht auf der normalen Vermietungsebene geschützt bin. Aber Ferienwohnungen und Wohnnutzung in einem Haus schließen sich aus. Ich verstehe nicht, was ich aufwenden muss, um mich gegen die Lärmbelästigung von Ferienwohnungsnutzern zu wehren. Bei einem lärmenden Mieter könnte ich mich beim Vermieter beschweren, sofern dieser sich um meine Interessen kümmert. Er würde sich an den Mieter wenden und dann wäre es vorbei. Da kann man sich ganz normal verständigen. Aber so? Im Grunde hast du plötzlich keine Rechte mehr. Überhaupt muss Wohnraum bezahlbar und geschützt sein, sodass er als Rückzugsraum zur Verfügung steht. Ich finde, mit Wohnen Geld zu verdienen, das funktioniert nicht.


Vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview führten Laura Berner und Julian Wickert.



 


MieterEcho 350 / Oktober 2011

Schlüsselbegriffe: Ferienwohnungen, Stargarder Straße 72, Lärm, Ferienwohnungsgäste, Baumaßnahmen, Shaune Cooke, Mieterhöhungen, Partytouristen, bezirkliche Mieterberatung, Sanierungsgebiet, 12-Betten-Regelung, Bauaufsichtsbehörde,

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