EDITORIAL (Januar 2011)
Einleitung zum MieterEcho Nr. 345
Liebe Leserinnen und Leser,
die staatlichen Haushaltskassen ähneln den Zylinderhüten von Zauberkünstlern. Wie man sie auch dreht und wendet, sie sind leer. Und sie werden immer leerer, wenn dazu magische Formeln von dem Sozialstaat, dem sozialen Wohnungsbau, dem Gesundheitssystem und Ähnlichem gesprochen werden. Doch beim Stichwort Finanzkrise verwandeln sich die Haushaltskassen urplötzlich in Füllhörner, aus denen die Milliarden üppig sprudeln.
Das ist zwar zunächst verblüffend, aber so richtig überrascht der faule Zauber nicht. Die finanzpolitische Klemme, auch Austerität genannt, die seit den 80er Jahren zur herrschenden Politikform geworden ist, entspringt ja gerade dem Finanzmarktkapitalismus, der in die Krise geraten ist. Begonnen hat alles mit der Ausplünderung der Haushaltskassen. Jetzt in der Endphase erleben wir eine dramatische Fortsetzung. Dabei sind „finanzpolitische Streichkonzerte“ in Verbindung mit Steuererlassen und Rettungsschirmen für Banken zur Eindämmung der Krise so tauglich wie Benzin zum Löschen eines Brandes.
Es wird Zeit für eine andere Politik. Für eine Politik, die sich wieder an der Kraft der Nachfrage orientiert, die dem permanenten Schwund der Realeinkommen durch die Einführung von Mindestlöhnen zumindest Einhalt gebietet und die vor allem wieder zu sozial orientierten staatlichen Investitionen zurückfindet.
Wer jetzt fragt, woher nehmen und nicht stehlen, hat die neoliberalen Werbebotschaften von den sogenannten Investitionshindernissen Steuern und Lohnnebenkosten viel zu unkritisch verinnerlicht.
Natürlich muss die Steuerprogression gesteigert werden. Schuldenfinanzierte Haushalte sind ein Wahnsinn, wenn gleichzeitig darauf verzichtet wird, die stark gewachsenen Geldvermögen an den gesellschaftlichen Kosten angemessen zu beteiligen.
Weil in dieser Stadt die Wohnungsversorgung zu einem Problem zu werden beginnt, dem nur mit sozialem Wohnungsbau begegnet werden kann, beleuchtet das MieterEcho den finanzpolitischen Hintergrund. Wenn die Haushaltskassen leer sind, dann ist es Aufgabe der Politik, sie zu füllen. Die Privatisierungspolitik führt nur zur Vermögensumschichtung. Aus Sachwerten werden Geldwerte, die sogleich in haushaltspolitischen Löchern verschwinden. In den letzten Jahren ist dieses Kunststück in unserer Stadt ebenso häufig wie wirkungslos vorgeführt worden. Es geht um eine nachhaltige Gesundung der Staatskassen, und die wird nicht durch Steuerverzicht, sondern nur durch größere Steuereinnahmen erreicht.
Ihr MieterEcho
MieterEcho 345 / Januar 2011